Freimann:"So anders hier, so schön"

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Mit einer einzigen Zielvorgabe schicken das Planungsreferat und Green City Besucher auf einen "Walk-Shop" durch die Fröttmaninger Heide : Sie sollen ihr Glück finden

Von Andrea Schlaier, Freimann

Karl-Heinz Einberger ist bereit, gefunden zu werden. Vom Glück. Wie er sich wohlig ausstreckt, den rechten Arm unter den Kopf schiebt, das Gesicht unter dem Käppi nach der Sonne ausrichtet, die vom makellos blauen Himmel brennt. Weiß Gott wo könnte er liegen, Kroatien, italienisches Hinterland, so wie es sich der 52-Jährige dort in Jeans und kurzem Hemd auf dem Erdboden einrichtet hat. Ist er aber nicht. Der Freisinger genießt das Leben im spärlichen Schatten räudigen Buschwerks auf kiesigem Grund; in Steinwurfweite staksen aus einer tendenziell schlammigen Pfütze Schilfhalme, Libellen zucken übers Wasser. Ein Meter vor Karl-Heinz Einberger steht eine Gruppe Erwachsener und, ja, glotzt bewundernd auf das vor ihr liegende ausgewachsene Mannsbild. Schließlich ist es für jeden in der Runde offensichtlich, dass sich dort, am östlichen Rand der Fröttmaninger Heide einer finden ließ von dem, was als Losung des Nachmittags ausgegeben ist: dem Glück.

So entspannt kann das Leben sein: Karl-Heinz Einberger lässt sich vom Glück finden. (Foto: Catherina Hess)

Michael Bischoff hat die Maxime kurz zuvor am Ausgang U-Bahnhof Fröttmaning formuliert. Der Künstler und Mitbegründer des Instituts für Glücksfindung wurde vom Stadtplanungsreferat und der Umweltorganisation Green City engagiert, um an diesem hochsommerlichen Maientag einen "Walk-Shop" auf einer der größten Grasheidelandschaften Mitteleuropas zu gestalten. Ziel der Tour: Die Entdecker sollen auf sehr persönliche Weise eine Beziehung zu dieser Landschaft aufnehmen, um auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz vom Glück gefunden zu werden. Denn, die Erfahrung hat Bischoff gemacht, es zu suchen, bringt nichts. "Der Schlüssel liegt darin, dass man den Sachen nicht hinterherrennt und denkt, man muss immer reagieren, sondern guckt, was ist jetzt hier da und nicht morgen oder hinter drei Kilometern." Also Augen aufsperren, sehen, riechen, hören, was einem der Augenblick beschert, frei nach dem alten Goethe "Verweile doch! Du bist so schön." Die Fröttmaninger Heide eignet sich bestens für dieses private Experiment. Schließlich ist die Natur in Hörweite der Autobahnen A 9 und A 99 noch nicht auf allzu münchnerische Art glattgebürstet, postkarten-poliert, für die Freizeitkonsum-Gesellschaft zum Verzehr zugerichtet und vorsortiert.

Nur drei Minuten von der U-Bahn-Station Fröttmaning entfernt findet man plötzlich sehr viel Ruhe - wenn man nicht hektisch danach sucht. (Foto: Catherina Hess)

Mag sein, dass das 2030 anders aussieht. Es gibt längst die Konzeptstudie München 2030, die sich der Fragestellung widmet, was mit den Freiräumen in der Stadt in Zukunft passiert. Laura Bruns, Mitorganisatorin der Tour von Green City, sagt beim Start zum Walk-Shop: "Die Fröttmaninger Heide ist in der Hinsicht besonders wertvoll, weil der Grüngürtel in München dafür sorgt, dass Frischluft und gute Luft reinkommt, was gerade in einer Stadt wie München, die extrem wächst, extrem wichtig ist." Veranstalterin Kerstin Langer vom Planungsreferat geht ins Detail: "Es gibt auch Erholungsdruck auf bestimmte Bereiche, auch auf die Heide, aber das lassen wir heute Mal außen vor." Diesmal wolle man eine ganz und gar individuelle Natur-Erkundung mit Bischoff wagen, "keine klassische Führung, in dem wir Ihnen sagen, was hier alles blüht, wo die Kampfmittel sind und wo man nicht laufen darf." Keine Vorgabe, keine Weg-Weisung, einzig die Bedingung, eine WhatsApp-Gruppe zu gründen, um einander Bilder und Eindrücke von der Unternehmung zu schicken und Antworten, nach denen Glücks-Bischoff immer wieder fragt.

Mit Steinen am Wasser spielen, dem Rascheln der Birkenblätter lauschen, Schmetterlingen nachschauen - so lauteten einige der "Aufgaben" der Teilnehmer. (Foto: Catherina Hess)

Fertig, los in die unglaubliche Weite dieses Landstrichs, der einen nach ein paar Metern einsaugt und die Stadt optisch nahezu völlig aussperrt. Kiefernduft und raschelnde Birkenblätter im Sommerwind, unfrisierte Schönheit zwischen einstigen Panzerlöchern. "Was müssen wir jetzt machen?", fragen die ersten unsicher in der Gruppe. Schmetterlinge werden fotografieren, lila Blüten, Baumstämme, blauer Himmel. Karl-Heinz Einberger sinkt unvermittelt zu Boden, stellt sich der Sonne und dem Glück. "Wir sind nur drei Minuten von der U-Bahn entfernt und schon ist alles so anders hier, so schön."

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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