Freimann:Schluss mit dem Heiden-Stress

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Lange wurde über das Regelwerk für das Fröttmaninger Naturschutzgebiet gestritten, zudem jahrelang das 20 Kilometer lange Wegenetz von Kampfmitteln befreit. Jetzt ist ein Leitsystem installiert - und die Organisatoren sind zuversichtlich, dass nun Frieden einkehrt

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Die Fröttmaninger Heide ist ein friedliche, ökologisch bedeutsame Graslandschaft, wo zwischen den Kiefernwäldchen etwa die Blauflügelige Ödlandschrecke herumhüpft sowie Dutzende andere seltener Tierarten. Doch von Ruhe konnte nur bedingt die Rede sein in den vergangenen Jahren. Schier endlos wurde gestritten über das, was in diesem 347 Hektar großen Biotop erlaubt und was verboten sein soll. Entstanden ist ein kompliziertes Regelwerk, für das es in der Heidelandschaft bisher kein Leitsystem gab, doch nun steht es: Das Besucherkonzept für die Fröttmaninger Heide ist installiert - und die Organisatoren geben sich zuversichtlich, dass nun Frieden einkehrt.

In der Fröttmaninger Heide hat man gute Chancen, einer Schafherde zu begegnen. (Foto: Catherina Hess)

Nach jahrelanger Vorbereitung hat der Heideflächenverein jetzt das 20 Kilometer lange Wegenetz mit Robinienhölzern markiert, auf denen Piktogramme mit Fußabdrücken anzeigen, ob Spaziergänger den Saum der Heide betreten dürfen oder nicht; an 14 Zugängen informieren Karten und Bilder über die reiche Tier- und Pflanzenwelt in diesem Naturschutzgebiet, das auch Teil des Natura-2000-Gebiets im Münchner Norden ist, zu dem auch die Panzerwiese und das Mallertshofener Holz zählen. Ferner sollen noch bis November an wichtigen Kreuzungen 14 Wegweiser mit wichtigen Zielen und Entfernungsangaben aufgepflanzt werden. "Wir haben lange gewartet auf diesen Meilenstein", sagte der erst kürzlich gewählte Vorsitzende des Heideflächenvereins, Dietmar Gruchmann, am Donnerstag bei der Präsentation des Besucherkonzepts vor dem Heidehaus am U-Bahnhof Fröttmaning.

Der Heideflächenverein Münchener Norden ist eine interkommunale Föderation aus Stadt und Landkreis München, dem Kreis Freising sowie Garching, Unter- und Oberschleißheim, Eching und Neufahrn. Das Bündnis hat das Gebiet "Südliche Fröttmaninger Heide" zwischen nördlichchem Stadtrand und Autobahn A 99 im Jahr 2007 gekauft, um es als wertvollen Naturraum zu sichern, der praktischerweise auch als Ausgleichsflächenkontingent für Baugebiete genutzt werden kann. Der Nachteil: Schon im 19. Jahrhundert trainierte die bayerische Armee in der Heidelandschaft, schoss mit Artillerie herum; und es blieb auch im 20. Jahrhundert ein Truppenübungsplatz der Bundeswehr.

Besucherinformations - und Umweltbildungszentrum: das Heidehaus. (Foto: Catherina Hess)

Das hielt viele Freimanner jahrzehntelang nicht davon ab, ihre Freizeit dort zu verbringen. Und viele fanden es übertrieben, als Naturschützer vor gut acht Jahren konstatierten, dass dort, wo früher die Panzer den Boden umpflügten, ein außergewöhnlich wertvolles Biotop entstanden sei - und die Natur nun vor den herumtrampelnden Menschen - und vor allem ihren Hunden - geschützt gehöre.

Ein drei Jahre andauernder, als vorbildhaft geltender Bürgerbeteiligungsprozess lief an, man könnte auch sagen: ein ewiges Hickhack. Es ging letztlich darum, wie genau die Regierung von Oberbayern die Schutzgebietsverordnung konzipieren soll. Das Ergebnis ist ein komplexer Kompromiss: Die Heide ist in vier Zonen mit verschiedenen Vorschriften eingeteilt: Die "Schutzzonen" sind ganzjährige Tabuzonen, die "Zone für das Heideerleben" und die "Umweltbildungszone" östlich des Heidehauses nur während der Vogelbrutzeiten. Durchgängig offen für Spaziergänger und Gassigeher sind allein die "Zonen für das freie Betreten"; nur in diesen Segmenten sollen Herrchen und Hund auch abseits der Wege herumstreifen dürfen, wobei die kurze Leine Pflicht ist - sowie ein Hundeführerschein. Die Schilder und Wegweiser geleiten die Spaziergänger nun entsprechend dem verschlungenen Regelwerk - wobei es inzwischen mehr um deren Sicherheit geht. Seit 2017 ist das ganze Ausmaß des explosiven Erbes bekannt; Munitionsreste sind oft dicht unter der Oberfläche verborgen. "Eigentlich müssten wir einen Zaun drumherum machen", sagte Gruchmann, der auch Garchinger Bürgermeister ist. Eindringlich appellierte der SPD-Politiker an die Bevölkerung, sich an die Regeln zu halten. Seine Parteifreundin Verena Dietl, Münchens Dritte Bürgermeisterin, betonte die ökologisch wichtige Bedeutung der Heide, aber auch deren Funktion als Erholungsgebiet. "Wir wollen diese Flächen erlebbar machen."

Das ist mit großem Aufwand verbunden, denn es kostet viel Zeit und Geld, die Altlasten zu finden, zu bergen - und zwar so, dass die sensible Tier- und Pflanzenwelt keinen Schaden nimmt. Zuletzt steuerte die Regierung von Oberbayern immerhin 100 000 Euro bei, nicht nur für das Besucherkonzept, sondern auch die Erweiterung des "Heide-Erlebnispfades", ein Lehrpfad für die Umweltbildung, auch und vor allem für Schulklassen, westlich des Heidehauses, mit Infotafeln und Sitzgelegenheiten; der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann gab 20 000 Euro hierfür dazu.

Wird nun also Frieden einkehren auf der Heide? "Es gibt einige, die fühlen sich wie die unbeugsamen Gallier, die nicht aufhören, den Römern Widerstand zu leisten", formulierte der von der Regierung bestellte Gebietsbetreuer Tobias Maier. "Fahrlässig" nennt der Biologe das, aus Naturschutzgründen, aber auch mit Blick auf die gefährlichen Überreste im Boden. Doch er zeigte sich zuversichtlich, dass der andauernde Dialog fruchtet - und freute sich dann sehr, als eine Blauflügelige Ödlandschrecke vorbeikrabbelt.

© SZ vom 02.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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