Freimann:Obdachlosenhilfe ohne festen Wohnsitz

Freimann: Umgeben von Hilfsgütern: Der Verein Heimatstern um Petra Lehmann und Tilman Haerdle muss aus seinen Räumen in Freimann ausziehen.

Umgeben von Hilfsgütern: Der Verein Heimatstern um Petra Lehmann und Tilman Haerdle muss aus seinen Räumen in Freimann ausziehen.

(Foto: Catherina Hess)

Der Verein Heimatstern, der sich auch um Flüchtlinge kümmert, muss sein Domizil auf dem Areal der Bayernkaserne früher als gedacht verlassen. Die Stadt schätzt den Verein sehr - hat aber derzeit kein Alternativquartier

Von Johannes Korsche, Freimann

Die E-Mail, die Tilman Haerdle in seinem Postfach fand, hat ihn auf dem falschen Fuß erwischt. Darin forderte das städtische Kommunalreferat den Verein Heimatstern auf, die Räume auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne "spätestens bis zum 1. Juni 2020 geräumt zurückzugeben". Denn dann weicht die Halle dem geplanten Stadtquartier, in dem bis zu 15 000 Münchner leben sollen. Eigentlich war Haerdle davon ausgegangen, dass der Verein Heimatstern, der sowohl Obdachlose im Münchner Norden als auch Flüchtlinge in Griechenland unterstützt, noch ein paar Monate länger in der Halle bleiben dürfte, vielleicht bis zum Ende des Jahres. Wo sie künftig weitermachen können, weiß Haerdle noch nicht. Aber die Vorstellung, dass die Obdachlosenhilfe des Vereins deswegen zu einem Ende kommen könnte, "ist nur schwer zu verkraften".

Vor etwa vier Jahren hat Haerdle den Heimatstern-Verein mit seiner Frau Petra Lehmann gegründet, um Wohnungslosen und Flüchtlingen zu helfen. Darum geht es dem Team immer noch, in dem sich inzwischen etwa ein Dutzend Münchnerinnen und Münchner engagieren. Sie organisieren von der Freimanner Halle aus Hilfslieferungen für Geflüchtete, derzeit vor allem nach Griechenland. So fuhr erst im Januar ein Laster nach Südosteuropa, der mit Computern, Kleidung, Schlafsäcken, Windeln und Zelten gefüllt war. Sieben Tonnen Hilfe hatten sie zusammenbekommen. Dieses Material lagerte seit Oktober im hinteren Teil der Halle 7 G auf dem ehemaligen Gelände der Bayernkaserne.

Damals habe es geheißen, der Verein könne wohl bis Ende 2020 in den Räumen bleiben, erinnert sich Haerdle. Nun aber kam die deutlich frühere Ansage, das Gebäude zu räumen. Birgit Unterhuber vom Kommunalreferat, das für städtische Liegenschaften und damit die Hallen auf dem ehemaligen Bayernkasernen-Areal zuständig ist, betont hingegen: "Das Gebäude wird innerhalb des Zeitplans abgerissen, das war bekannt." Der Verein hänge damit in der Luft, auch weil die Stadt bisher keinen neuen Standort aufgezeigt habe, bedauert Haerdle. Das Kommunalreferat "kommuniziert gerade nicht", sagt er.

Dabei genießt der Heimatstern-Verein großes Ansehen. Zum Beispiel beim Sozialreferat, das sich darum kümmert, welche sozialen Projekte in den Hallen der Bayernkaserne unterkommen. Wenn der Verein in der Nähe der Bayernkaserne bleiben könnte, "würden wir das begrüßen", sagt Frank Boos, Sprecher des Sozialreferats. Schon einmal musste Heimatstern aus Räumen in der Bayernkaserne raus. Damals habe man die derzeitige Halle gefunden, sagt Boos. "Das Sozialreferat wird sich erneut an das Kommunalreferat wenden mit der Bitte, eine kurzfristige Alternativlösung zu suchen." Denn der Verein "hat einen hohen Stellenwert". Er unterstütze die von der Stadt bezuschusste Sozialarbeit, sagt Boos. Der Heimatstern-Verein selbst trägt sich aus privaten Spenden.

Für den Münchner Norden ist der Verein auch deshalb wichtig, weil er zu einem "Anker für Obdachlose und Bedürftige" geworden sei, sagt Haerdle. Immer donnerstags kommen etwa 50 Menschen in die Halle, wenn die Ehrenamtlichen dort Lebensmittel der Münchner Tafel verteilen. Seitdem der Heimatstern-Verein in seinen Anfangsjahren direkter Nachbar einer Obdachlosenunterkunft war, sind zudem enge Kontakte zu einigen Wohnungslosen gewachsen. "Menschen, die Struktur suchen", wenden sich inzwischen an den Verein - ob es darum geht, bei Schriftverkehr oder Behördengängen zu unterstützen oder Suchterkrankten zu helfen, eine Entgiftung anzutreten und durchzustehen.

Alles in allem geht es Haerdle darum, Hilfesuchende zu "stabilisieren, wo es irgendwie geht", wie er sagt. Der Verein will ihnen wieder die Motivation geben, um nach vorne zu schauen. Dafür sind die Räume auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne so wichtig geworden, zu einem Dreh- und Angelpunkt. "Wenn wir im Lager sind, bleiben wir nicht allein." Denn es komme immer jemand vorbei, der entweder Hilfe suche oder selbst im Lager mithelfe. Damit diese Verbindung ins Viertel nicht gekappt wird, sucht der Verein nun Räume für eine solche Begegnungsstätte, etwa 40 bis 50 Quadratmeter groß, im Umfeld des Bayernkasernen-Areals oder im Münchner Norden, Hauptsache gut erreichbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein Lager in Ismaning hat Haerdle schon gefunden. Eine Ort der Begegnung wird dort aber kaum entstehen. Allein schon, weil es keinen Wasseranschluss gibt.

In seiner März-Sitzung hat sich der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann eingeschaltet. Auf SPD-Initiative fordern die Stadtviertelpolitiker die Stadt einstimmig auf, "möglichst schnell alternative Räumlichkeiten" in der Nähe der Bayernkaserne zu finden. Noch gibt sich Tilman Haerdle zuversichtlich: "Wir geben die Hoffnung nicht auf." Auch weil es schon einmal Spitz auf Knopf stand, als der Heimatstern-Verein innerhalb von zwei Wochen eine neue Halle suchte und fand. Im Vergleich haben die Helfer also noch viel Zeit.

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