Freimann:Lok-Stoffe aus dem Labor

Im Haus der Systemtechnik an der Völckerstraße wird jedes neue Fett oder Öl getestet, das die Bahn einsetzt

Von birte bredow, Freimann

Der ursprünglich weiße Kittel von Gerhard Gensler ist mit dunklen Flecken übersät. Sie sind Spuren seiner täglichen Arbeit. Neben ihm stehen in einem Glaskasten zahlreiche kleine Becher mit Ölen. Der chemisch-technische Assistent testet mit seinen Kollegen in der Tribologie-Abteilung Schmierstoffe für Züge und Weichen. Ungefähr 8000 Proben untersuchen sie jährlich. Gensler ist einer von etwa 200 Mitarbeitern, die im Haus der Systemtechnik der Deutschen Bahn (DB) an der Völckerstraße arbeiten. Bis 1995 befand sich in Freimann das Eisenbahnausbesserungswerk, wo Lokomotiven und S-Bahnen instandgehalten wurden. Mit der Privatisierung des Unternehmens entstand 1997 die heutige DB Systemtechnik mit Standorten in ganz Deutschland. Das Haus in Freimann ist ihre zweitgrößte Niederlassung nach Minden. Sie gehört der DB, ist aber nicht ausschließlich für sie tätig. Ungefähr 30 Prozent der Aufträge kommen von anderen Firmen.

Freimann: Welche Schmiere den hohen Belastungen gewachsen ist, wird in den Freimanner Laboren getestet. Echte Züge rollen dort sehr selten, nur im Foyer steht ein Modell des IC-x.

Welche Schmiere den hohen Belastungen gewachsen ist, wird in den Freimanner Laboren getestet. Echte Züge rollen dort sehr selten, nur im Foyer steht ein Modell des IC-x.

(Foto: Robert Haas)

Repariert wird dort nichts. Vielmehr entwickeln die Männer und Frauen Lösungen für Probleme, die immer wieder auftreten, oder entwerfen Pläne für große Umbaumaßnahmen, zum Beispiel die Installation von Klimaanlagen im ICE. Ein zweiter großer Aufgabenbereich ist die Prüfung von Produkten, Zügen und Strecken - das können die Fette in den fünf Laboren der Tribologie ebenso sein wie der neue ICE. Anders als beim Auto gibt es für den Ölwechsel bei Lokomotiven keine festen Intervalle. Da eine Diesellok mit ungefähr 1000 Litern eine große Menge Motoröl braucht, ist es laut Abteilungsleiter Thomas Köhler sinnvoll, es erst auszutauschen, wenn es wirklich notwendig ist. "Das ist gut für die Umwelt und spart Geld", sagt der Maschinenbauingenieur. Die Fachleute testen etwa, ob der Wasseranteil in der Probe zu groß geworden ist oder ob sie mit Ruß, Alkohol oder anderen Substanzen angereichert ist. Verunreinigungen können dazu führen, dass Metallteile rosten oder die Schmierfähigkeit schlechter wird. Vor allem aber untersuchen Köhler und sein Team Substanzen, die noch gar nicht im Einsatz sind. "Jedes neue Fett oder Öl, jeder neue Kraftstoff, den die Bahn einsetzt, wird bei uns getestet", sagt Marketingleiter Alfred Hechenberger. Die Aufträge kommen dann von den Herstellern, die ihr Produkt verkaufen wollen, und nicht von der DB.

Freimann: Heinz-Georg Thies, Leiter Antriebstechnik, prüft einen Stromabnehmer.

Heinz-Georg Thies, Leiter Antriebstechnik, prüft einen Stromabnehmer.

(Foto: Robert Haas)

Ein Stockwerk tiefer schlägt ein Hammer in regelmäßigen Abständen auf ein gelbes Metallgehäuse. Direkt daneben wird ein knapp einen Meter hohes Rad des ICE 1 mit Öl besprüht, was später an der vordersten Achse des Triebkopfes das Quietschen verhindern soll. Es muss dünn sein, damit es die Düse nicht verstopft, aber trotzdem haften. Ob die Qualität geeignet ist, wird mit dieser "Spurkranzschmierung" getestet. 300 Kilometer pro Stunde ist die maximale Geschwindigkeit, die die Mitarbeiter an dem kleinen schwarzen Knopf an der Testeinrichtung einstellen können. Die Maschinen sollen die praktische Nutzung nachahmen, allerdings testen sie im Vergleich zur Realität im Zeitraffer mit höherer Belastung - sie drehen sich also schneller, länger am Stück oder werden heißer. In wenigen Wochen simulieren sie so den mehrjährigen Gebrauch.

Freimann: Auch eine Lokomotive muss mal zum Ölwechsel.

Auch eine Lokomotive muss mal zum Ölwechsel.

(Foto: Robert Haas)

Auch in einer Maschinenhalle auf dem Werksgelände führen Mitarbeiter Tests durch. Hier ist das Untersuchungsobjekt allerdings größer. In einer fast deckenhohen Konstruktion aus blauen Stahlpfeilern hängt ein Stromabnehmer. Diese Vorrichtung befindet sich normalerweise an den Lokomotiven und überträgt die Elektrizität von den Oberleitungen auf die Triebfahrzeuge. Physiker Jörg Heland und seine Kollegen prüfen unter anderem, ob der Stromabnehmer elastisch genug ist und wie stark er gegen den Fahrdraht drückt - eine Information, die Hinweise darauf geben kann, ob die richtige Menge Strom fließen kann. Ein paar Schritte weiter in einem anderen Gebäude hat Sascha Deppe hat den Überblick: Auf seinem Bildschirm zeigen weiße Linien und Zugnummern auf schwarzem Untergrund an, wo in Deutschland gerade ein Testfahrzeug im Auftrag der Münchner unterwegs ist. Die Abteilung Betriebsplanung organisiert die Probefahrten, auf dem Schienennetz der DB AG. "Wir lassen fahren", sagt der Disponent. Sieben Lokführer gehören zum Team. Sie müssen besonders gut ausgebildet sein, denn sie testen auch noch nicht zugelassene Züge und Strecken.

Im Haus der Systemtechnik wird entwickelt, organisiert und getestet. Direkten Kontakt mit Zügen haben die Mitarbeiter kaum. Darauf, dass sie hier für die Bahn arbeiten, weist auf den ersten Blick das ICE-Modell im Foyer hin. Daran, dass über das Gleis auf dem Werksgelände doch ab und zu ein Zug einrollt, erinnert noch am ehesten die Sicherheitsweste in Neonorange über der Stuhllehne von Sascha Deppe.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: