Freimann:Kurswechsel auf dem Campus

Die CA Immo verabschiedet sich vom einst geplanten Mobilitäts-Hotspot an der Lilienthalallee und will stattdessen einen gewöhnlichen Gewerbepark errichten. Vier Bürogebäude werden um einen zentralen Platz gruppiert

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Noch vor 20 Jahren verbanden die Freimanner große Hoffungen mit dem Areal des ehemaligen Bundesbahn-Ausbesserungswerks an der Lilienthalallee. Das Planwerk "Perspektive Freimann" wollte das Gebiet zur "neuen urbane Mitte" entwickeln, mit Wohnungen und Gewerbe rund um die riesige Lokhalle, in der sich die Bürgerschaft und ihre politischen Vertreter im Bezirksausschuss allerhand vorstellen konnten: Wohnungen vor allem, aber auch ein Kulturzentrum mit Kino und Cafés. Es kam anders: Die Lokhalle teilen sich jetzt ein Baumarkt und das bald fertige Auto-Eventensemble "Motorworld". Und auch dem südlich angrenzenden, 23 700 Quadratmeter großen Planungsgebiet ist eine andere Zukunft beschieden als gedacht: Dort wird nun kein Cluster der Automobilindustrie entstehen - der Eigentümer und Projektentwickler, die österreichische Immobilienfirma CA Immo, hat die Strategie für den Standort nun modifiziert, wie sich herausstellt.

Gut zehn Jahre lang firmierte das Projekt unter dem Namen "Campus für Innovation und Forschung"; die CA Immo stellte sich einen speziellen Gewerbe- und Forschungspark für Mobilitätstechnik vor, mit Werkstätten, Ateliers, Showrooms, Laboren - mit Synergieeffekten zur benachbarten "Motorworld" und vor allem zu den nahen Standorten von BMW. Schon vor zwei Jahren war nur noch die Rede von "gegebenenfalls Synergieeffekten" mit der Mobilitätsbranche im Umfeld. Nun sind "Innovation" und "Forschung" aus dem Projektnamen gestrichen, der Arbeitstitel laute "Campus Freimann", wie Firmensprecher Markus Diekow bestätigt. "Die Welt hat sich weitergedreht", kommentiert er den Strategieschwenk. Der Standort sei jetzt nicht nur für die Mobilitätsbranche interessant. An Anfragen von Firmen aus verschiedensten Branchen, so ergänzt Diekow, herrsche kein Mangel.

Freimann: In München boomt der Markt für Gewerbeimmobilien. Die Nachfrage ist gewaltig, der Leerstand gering. Mit dem "Campus Freimann" sollen vier Bürohäuser neu entstehen. Das rote Gebäude links hinten wird als erstes errichtet, das weiße rechts daneben als zweites.

In München boomt der Markt für Gewerbeimmobilien. Die Nachfrage ist gewaltig, der Leerstand gering. Mit dem "Campus Freimann" sollen vier Bürohäuser neu entstehen. Das rote Gebäude links hinten wird als erstes errichtet, das weiße rechts daneben als zweites.

(Foto: CA Immo (Simulation))

Der Kurswechsel dürfte dem boomenden Münchner Gewerbeimmobilienmarkt geschuldet sein. Ein sehr geringer Leerstand steht einer gewaltigen Nachfrage nach Büroflächen gegenüber. Gerade Neubauten fänden "reißenden Absatz", befand zuletzt das Immobilienberatungsunternehmen Colliers International und rechnete vor: 2019 entstanden rund 415 500 Quadratmeter neue Büroflächen in der Stadt, wobei Ende des Jahres davon bereits 97 Prozent vermietet gewesen seien.

Insofern ist kaum verwunderlich, dass sich das lange wenig beachtete Areal östlich des Euro-Industrieparks, das wegen der denkmalgeschützten Lokhalle als schwierig galt, zur "attraktiven Lage" entwickelt hat, wie Diekow bemerkt. Denn der "Campus Freimann" wird dem Münchner Gewerbemarkt vier Neubauten auf einer Bruttogrundfläche von 51 000 Quadratmetern hinzufügen. An der geplanten Campus-Struktur für das Ensemble will das Unternehmen weiter festhalten. "Die Gebäude stehen im Dialog zueinander, und wir möchten nach Möglichkeit auch in den einzelnen Gebäuden Nutzungen etablieren, die dann jeweils auch allen Mietern des Campus zur Verfügung stehen", sagt Diekow, eine gemeinsame Kantine etwa, oder auch Konferenzbereiche.

Freimann: Das Atrium des Bürogebäudes vom Düsseldorfer Büro Eller + Eller soll als öffentlicher Raum dienen, wo auch Versammlungen und Vorträge stattfinden können.

Das Atrium des Bürogebäudes vom Düsseldorfer Büro Eller + Eller soll als öffentlicher Raum dienen, wo auch Versammlungen und Vorträge stattfinden können.

(Foto: CA Immo (Simulation))

Kernstück im Zuge dieses halböffentlichen Konzepts ist dabei das erste Gebäude, für welches nun der Bauantrag zur Genehmigung ansteht: ein sechsgeschossiger Komplex mit einer Grundfläche von 12 500 Quadratmetern, entworfen vom Düsseldorfer Büro Eller + Eller, dem Sieger des Architekturwettbewerbs. Vorgesehen ist eine "Townhall", also ein Atrium als Treffpunkt, in dem auch Versammlungen und Vorträge stattfinden könnten. Das Gebäude soll ebenso wie das zweite Objekt, welches vom zweitplatzierten Büro 3XN (Kopenhagen) entworfen wurde, im dritten Quartal 2022 fertig sein, die Bürohäuser drei und vier dann 2024. Nach Vorstellung der CA Immo werden sich die vier Bürohäuser um einen zentralen Platz gruppieren, die "Campus Mitte", mit Sitzgelegenheiten, Basketballcourt, Boulderwänden, vielleicht auch einer Boulebahn.

Allerdings könnte sich der Verkehr in dem neuen Quartier mit grob geschätzt 2500 Arbeitsplätzen als Problem erweisen; denn mit dem Messecenter MOC, den Veranstaltungshallen Zenith und Kesselhaus und bald auch noch "Motorworld", stößt die Lilienthalallee wohl allmählich an ihre Belastungsgrenze. Neben Tiefgaragenstellplätzen hat die CA Immo nach Diekows Worten jedoch ein "umfassendes Mobilitätskonzept" für die künftigen Mieter in petto. Das Fahrrad stehe hier im Mittelpunkt: Es seien Leih-Pedelecs, Ladestationen für E-Bikes, Duschen und Umkleidemöglichkeiten für Radler geplant, heißt es.

Als nicht besonders wegweisend empfand der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann die Architektur für das erste Gebäude. "Banaler geht's nicht mehr. Wir vermissen die Innovation", so die Kritik des Gremiums in Anspielung an den Projektnamen "Campus für Innovation und Forschung". Aber der gilt ja nun nicht mehr.

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