Freimann:Gegen die Strömung

Seit den Neunzigerjahren liegt das Floriansmühlbad im Dornröschenschlaf. Hartnäckig fordern die Freimanner die Wiedereröffnung. Die Stadtverwaltung lehnt das ab - mit fadenscheinigen Argumenten, wie die Lokalpolitiker finden

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Der Stadtteil Freimann hat in seiner langen Geschichte viele Zumutungen über sich ergehen lassen müssen. Brachial fräste sich die Industrialisierung durch dieses einstige Bauerndorf und hinterließ von Verkehrsadern umspülte Siedlungsinseln. Als eine der härtesten Zumutungen gilt den leidgeprüften Freimannern jedoch, dass 1994 das Floriansmühlbad dichtgemacht hat. Alle Forderungen bei zahllosen Bürgerversammlungen, das Bad wieder zu eröffnen, sind unerhört geblieben. Und für eine geradezu ungeheure Zumutung hält der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann die Argumente, mit denen sich die Stadtverwaltung in einem Beschlussentwurf für den Stadtrat gegen eine Wiedereröffnung des Floriansmühlbades wendet. "Es macht den Eindruck, dass die Stadtverwaltung das nicht will und mit an den Haaren herbeigezogenen Gründen das Bad verhindern will", sagt der BA-Vorsitzende Patric Wolf (CSU).

Freimann: Das Floriansmühlbad war in den Sechzigerjahren eine beliebte Anlage.

Das Floriansmühlbad war in den Sechzigerjahren eine beliebte Anlage.

(Foto: privat)

Das Floriansmühlbad, zwischen Freisinger Landstraße, Floriansmühlstraße und Sondermeierstraße gelegen, war 1932 als Flussbad - ähnlich wie heute das Bad Maria Einsiedel - eröffnet worden; es zählte zu Münchens bekanntesten Bädern. Das 2000 Quadratmeter große Becken wurde vom Garchinger Mühlbach gespeist. Nach dem Verkauf an einen Privateigentümer wurde das Gelände, 4,6 Hektar groß, sich selbst überlassen. Inzwischen sind aus dem Beckenboden Bäume gesprossen, als letzte Relikte halten noch das Kassenhäuschen und die Duschen die Stellung, vor der Öffentlichkeit verborgen von einem zwei Meter hohen Bretterzaun. Seit der Schließung hat der Bezirksausschuss etliche Initiativen für eine Wiederbelebung an die Stadt gerichtet, alle vergeblich. Zuletzt trug die SPD-Stadtratsfraktion der Verwaltung auf, zu prüfen, ob das ehemalige Floriansmühlbad "ertüchtigt und wieder eröffnet werden" könne. Das städtische Planungsreferat nahm sich der Sache an, zumal westlich und nördlich angrenzend die Planungen für ein Wohnungsbauprojekt der Bayerischen Hausbau laufen. Im Zuge dessen ist der Bereich des ehemaligen Bades als Erholungsfläche vorgesehen. Das "Aufgreifen des Elements Wasser" sei "grundsätzlich positiv zu bewerten", urteilt die Behörde - ein Naturfreibad aber nicht, wie in dem Papier deutlich wird.

Floriansmühlbad, Floriansmühlstraße 21

Heute liegt das Gelände brach, nur Relikte wie Leitern sind übrig.

(Foto: Florian Peljak)

Die Behörde führt dabei eine schalltechnische Stellungnahme bezüglich der künftigen Wohnbevölkerung an. Ein Freibad auf der möglichen Teilfläche von rund zwei Hektar "erscheint aus lärmschutzfachlichen Gründen sehr problematisch". Die Prüfung habe ergeben, dass westlich, östlich und nördlich um die Liegefläche eine sechs Meter hohe Schallschutzwand errichtet werden müsse. Dies schätzt das Planungsreferat als "nicht verträglich für das Landschaftsbild" ein, überdies stelle diese Wand "ein Abflusshindernis für Luftströme" dar. Denn: Die Fläche liegt im regionalen Grünzug, der als Frischluftschneise dient. Ferner wird ein Freibad als Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet gewertet, was den Zielen des Arten- und Biotopschutzprogramms widerspreche. Außerdem: Der Garchinger Mühlbach komme "aus Sicherheitsgründen" nicht als Bademöglichkeit in Betracht. Der Grund: Die Stadtwerke München (SWM) betreiben nicht weit entfernt ein Wasserkraftwerk. Dieses "führt hier zu Strömungsgeschwindigkeiten und möglichen Wasserstrudeln, die lebensgefährlich sein können". Das Bachwasser habe außerdem "nicht die notwendige Qualität, dass hier ein Baden zugelassen werden kann". Die SWM, die das Bad betreiben würden, winken ebenfalls ab: Es stehe zu befürchten, dass die Auslastung schwach, das Defizit erheblich, die Wirtschaftlichkeit also nicht gegeben sei. Zudem stünde das Floriansmühlbad "in starker Konkurrenz zu den bestehenden Schwimmbädern und Badegewässern".

Floriansmühlbad, Floriansmühlstraße 21

Auch Schilder erinnern vereinzelt an vergangene Badezeiten.

(Foto: Florian Peljak)

Alle diese Ablehnungsgründe hält der Bezirksausschuss für nicht schlüssig. BA-Vorsitzender Wolf spricht von "völlig übertriebenen und aufgeblasenen Gegenargumenten". In der einstimmig beschlossenen Stellungnahme führt das Gremium etwa einen Auszug aus dem Lärmbelastungskataster des Bayerischen Landesamtes für Umwelt an, wonach das Areal schon jetzt eine Lärmbelastung von bis zu 60 Dezibel aufweise, ein Badebetrieb nach Ansicht des BA also "im Grundrauschen der Freisinger Landstraße untergehen" werde. Wobei es den Politikern auch nicht einleuchten mag, weshalb eine sechs Meter hohe Wand als einzige Lösung in Frage kommen soll. Ebenso werten sie die Lage im Landschaftsschutzgebiet nicht als zwingenden Ausschlussgrund, denn Ausnahmen seien zwar erlaubnispflichtig, aber möglich.

Als nicht plausibel wertet der BA auch die Angaben zur Wasserqualität. Die Stadt habe am Schwabinger Bach in Höhe Grasmeierstraße einen "Schwimm- und Planschstrand" für Kleinkinder eingerichtet. "1,5 Kilometer weiter nördlich soll dasselbe Wasser nicht mehr ausreichende Badequalität haben?" Falls dem so sei, dann sei schon unter ökologischen Gesichtspunkten die Wasserqualität zu verbessern. "Möglicherweise gefährliche Strudel und Probleme mit der Wasserkraft lassen sich ebenfalls technisch lösen", finden die BA-Politiker. Als am wenigsten stichhaltig beurteilen sie den wirtschaftliche Aspekt. Mit dem Baugebiet Bayernkaserne wachse die Bevölkerung Freimanns um 15 000 Einwohner - das Naturfreibad werde somit keine Auslastungsprobleme haben. Konkurrenz zum Ungererbad will der BA nicht erkennen, da es im Sommer überlastet sei. Fazit: "Der BA begrüßt die Einrichtung eines Fitnessparcours und auch Wasser-Spielbereiche für Kinder, aber die Ablehnung eines Naturschwimmbads ist aus den oben aufgeführten Gründen nicht nachvollziehbar."

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