Freimann:"Es wird eine große Verbesserung"

Lesezeit: 3 min

Mit dem ganzjährig geöffneten Notquartier in Freimann wird das Hilfsprojekt für Wohnungslose zu einer festen Größe in München. Der Neubau mit weiter professionalisiertem Betriebskonzept soll 2023 fertig sein

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Es wird zwar noch gut fünf Jahre dauern, bis der Umzug ansteht. Doch Anton Auer versetzt allein die Aussicht darauf bereits in Hochstimmung. "Wir freuen uns riesig", sagt der Bereichsleiter beim Evangelischen Hilfswerk München. Die Organisation ist der Träger des Münchner Kälteschutzprogramms, und Auer der Verantwortliche. Und er ist in diesen Tagen guter Dinge, nachdem der Stadtrat die Ausweitung des Projekts auf die Sommermonate beschlossen hat. Eine gute Nachricht für die Helfer und noch mehr für die Hilfsbedürftigen: Denn für Hunderte Obdachlose und von akuter Wohnungsnot Bedrohte steht dann von 2023 an nicht nur ganzjährig ein Notquartier zur Verfügung - für das Projekt wird an der Maria-Probst-Straße in Freimann ein Neubau errichtet. "Es wird eine große Verbesserung", sagt Auer.

Damit wird das Hilfsprogramm für die Ärmsten der Armen auch baulich zu einer festen Größe in München. Das bisherige Gebäude war zwar aufwendig umgebaut und hergerichtet worden. Doch seit langem ist den städtischen Behörden klar, dass eine Alternative gefunden werden muss für das Quartier im Haus 12 auf dem Bayernkasernen-Areal. Längst läuft das Bebauungsplanverfahren für das riesige Wohngebiet, das dort im Laufe des nächsten Jahrzehnts entstehen soll. Doch die Suche nach einer geeigneten Alternativ-Bleibe verlief erfolglos, unterdessen ist im Zuge der Baufeldplanung der Abriss für Mai 2023 angesetzt. "Die rechtzeitige Errichtung des neuen Gebäudes soll verhindern, dass in den Wintermonaten vermehrt Personen im Stadtgebiet wild campieren und die Nächte im Innenstadtbereich auf öffentlichen Plätzen verbringen müssen, mit entsprechenden Gefahren für Leib und Leben", erklärt das Sozialreferat in der Beschlussvorlage.

Das Grobkonzept sieht für die kalte Jahreszeit 850 Schlafplätze für bedürftige Menschen vor, denen nächtens ein Dach über dem Kopf, dazu ein geheizter Schlafplatz mit einer Decke, Toilettenpapier und Waschmöglichkeit angeboten wird. Für den Sommer gehen die Planer von zunächst 350 benötigten Betten aus. Der Neubau entsteht auf einem 21 500 Quadratmeter großen städtischen Grundstück im Euro-Industriepark, auf dem die Regierung von Oberbayeren eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge betreibt. Die soll auch weiter dort verbleiben, allerdings etwas kleiner - damit das neue Notquartier Platz findet. Das bisherige Procedere bleibt weitgehend gleich: Die Stadt stellt keinen Wohnraum, sondern nur Notschlafplätze zur Verfügung; geöffnet ist täglich von 17 Uhr an. Spätestens um 9 Uhr morgens müssen die Betroffenen die Einrichtung mit ihrem Hab und Gut dann verlassen. Es gibt nur für eine gewisse Zeit eine Berechtigung, jedoch mit Verlängerungsoption.

Allerdings werden im Neubau einige Verbesserungen realisiert, über die sich Bereichsleiter Auer sehr freut. So soll es dort ausschließlich Vier-Bett-Zimmer geben; am bisherigen Standort schlafen die Bedürftigen in Sechser-, Achter-, Zwölfer- und sogar Zwanziger-Belegungen. Da liegen dann vielerlei verschiedene Nationalitäten und Kulturkreise quasi Kopfkissen an Kopfkissen, "da kracht es dann schon mal", umschreibt Auer die manchmal angespannte Stimmung. "Und kleinere Zimmer bedeuten weniger Unruhe", zeigt er sich überzeugt. Das Sozialreferat nennt es "Konfliktvermeidung".

Die von der Behörde vorgelegten Eckpunkte legen zudem nahe, dass die Obdachlosenhilfe in dem neuen Haus weiter professionalisiert wird: Es soll verschiedene Zugangspforten für unterschiedliche "Zielgruppen" - Frauen, Männer, Familien - geben. Und für jede dieser Gruppen sind Sanitäreinrichtungen und sogenannte Krisenzimmer vorgesehen. Dazu ist geplant, behindertengerechte Kranken- und Behandlungszimmer mit eigenen Sanitäranlagen sowie Räume für die sozialpädagogische Beratung einzurichten. "Insgesamt wird eine für die Nutzung optimale, für den Zweck funktionale Planung und Flächennutzung angestrebt", konstatiert das Sozialreferat.

Dabei kommt dem Projekt die Nähe zur Flüchtlings-Erstaufnahme zupass: Die Einrichtungen sind zwar voneinander unabhängig - vor allem deshalb, damit das Notquartier, sollte die Bezirksregierung ihre Zelte dereinst abbrechen, autonom funktioniert. Dennoch: Die Stadt ist gehalten, täglich bei mehreren Dutzend Ankömmlingen Untersuchungen nach dem Asylverfahrensgesetz durchzuführen. So werden für das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) 1500 Quadratmeter auf dem Areal reserviert - eine medizinische Einheit, die im Bedarfsfall wohl auch den meist ebenso mittellosen Menschen im Notquartier zugute kommen dürfte. Ob dies im selben oder in einem separaten Gebäude sein wird, ist allerdings noch offen.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: