Freimann:Die Stunde der Profi-Vernetzer

Auf dem Areal der ehemaligen Bayernkaserne entsteht quasi eine Kleinstadt für 15 000 Einwohner. Weil das Projekt zukunftsweisend und von internationaler Strahlkraft sein soll, geht die Stadt beim Management der Quartiersentwicklung ehrgeizige Wege

Von Stefan Mühleisen, Freimann

In früheren Zeiten agierten Stadtplaner ähnlich wie Feldherren: Sie beugten sich über Reißbretter, schoben Gebäude hierhin und dorthin; doch was die Menschen in eben diesen Häusern wollen, welchen Ansprüchen das Stadtquartier gerecht werden soll, wie also gute und tragfähige Nachbarschaften entstehen - darauf wurden kaum Gedanken verschwendet. Es mussten Trabantenstädte mit sozialen Problemen entstehen, bis sich die Idee durchsetzte: Schon vor und während der Bauarbeiten sollte mit der baulichen auch die soziale und kulturelle Architektur des Quartiers mitgedacht, sprich ein "Quartiersmanagement" installiert werden. In München ist das bei der Stadtentwicklung inzwischen gelebte Praxis - doch soll es beim Mammutbauprojekt auf dem Areal der ehemaligen Bayernkaserne in Freimann noch ein Stück professioneller ablaufen.

Rathausgalerie, Marienplatz: Ausstellung Entwürfe für die Bayernkaserne

Stationen eines Mammut-Projekts: Stadtbaurätin Elisabeth Merk stellt 2014 die Entwürfe zum Areal vor.

(Foto: Florian Peljak)

Die Idee des Quartiersmanagements ist es, das neue Stadtviertel und seine Bewohner nicht sich selbst zu überlassen, sondern die einzelnen Akteure - Bewohner, Firmen, Vereine, Schulen, Politiker, Verwaltung, Bauträger - zu vernetzen, ihr Zusammenwirken zu "managen", bestenfalls dadurch Fremde zu Freunden zu machen, die sich mit ihrer neuen Heimat identifizieren, sich vielleicht sogar für ihre Nachbarn engagieren. Solcherlei Schaltstellen gab und gibt es bei der Umwandlung von Kasernenflächen in die Neubauviertel Domagkpark und Prinz-Eugen-Park. Jedoch hat sich die Stadt da organisatorisch herausgehalten und die Federführung den Bauherren-Konsortien überlassen. Als "wertvolle Pionierarbeit" wertete dies das städtische Planungsreferat im November 2019 in einem Beschlusspapier. Beim "Großvorhaben Bayernkaserne muss eine einheitliche Koordinierung bzw. Betreuung frühzeitig übergeordnet durch die Stadt erfolgen." Das Quartiersmanagement könne nicht mehr, schon wegen der Größe und Komplexität des neuen Stadtteils, in privater und ehrenamtlicher Verantwortung geleitet werden.

Der Bund fördert das Vorzeige-Projekt mit 1,47 Millionen Euro

In der Tat ist das Projekt eine große Nummer: Auf gut 48 Hektar entsteht quasi eine Kleinstadt mit 15 000 Einwohnern. Ein vorbildliches, zukunftsweisendes Quartier soll es werden, auch und vor allem was Konzepte für Mobilität, Gewerbeflächen, soziales Miteinander angeht - mit internationaler Strahlkraft sogar, weshalb das Bundesbauministerium das Vorhaben als "Nationales Projekt des Städtebaus" auszeichnete und 1,47 Millionen Euro an Fördergeld springen ließ.

Städtisches Recycling in der ehemaligen Münchner Bayernkaserne, 2019

2019 erfolgt die Entkernung der Kasernengebäude nach einem neuen Recycling-Konzept, das Abbruchmaterial soll wieder verwendet werden.

(Foto: Robert Haas)

Das Geld fließt nun, unter anderem, in das "Management der Quartiersentwicklung", wie Natalie Schaller die Aufgabenbeschreibung nennt. Sie ist geschäftsführende Gesellschafterin der Stattbau München, einer GmbH, die sich auf Beteiligungsverfahren bei Bauprojekten spezialisiert hat und nun, im Auftrag der Stadt, für die nächsten drei Jahre ein Netzwerk-Konzept zur Bayernkaserne entwickeln soll. Sie und ihr Kollege Christian Stupka, der auch im Vorstand der genossenschaftlichen Immobilienagentur GIMA sitzt, waren schon beim Domagkpark und Prinz-Eugen-Park als Profi-Vernetzer am Werk. "Wir können daran anknüpfen und das Quartiersmanagement in der Bayernkaserne auf eine neue Stufe heben. Es ist ein integrierter Ansatz", sagt Stupka.

Freimann: Kasernen-Konversion: Wo früher Soldaten zu Hause waren, sollen einmal 15 000 Münchner wohnen.

Kasernen-Konversion: Wo früher Soldaten zu Hause waren, sollen einmal 15 000 Münchner wohnen.

(Foto: Robert Haas)

Heißt: Möglichst von Anfang an sollen alle Beteiligten, von der Projektleitung über die Bürger in den Nachbarquartieren bis zum Bezirksausschuss, eingebunden sein - und auch bleiben. Die erste Aufgabe wird es sein, dafür die geeigneten Strukturen zu entwickeln, also den Kooperationsmodus und die Entscheidungsprozesse zu organisieren, kurz gesagt: Ein Konzept, wer wie mit wem und wie oft in Workshops und Arbeitskreisen zusammensitzt sowie dafür, wie mit den Ideen umzugehen sein wird, die dort beraten werden. Das ist alles andere als trivial. Schon mittelgroße Firmen tun sich mitunter schwer, sich eine Konferenzstruktur zu geben, die allen gerecht wird. "Wir verstehen uns als Stadtteilkoordinator, um die vielfältigen Wünschen, Belange, Ideen zusammenzuführen und zu begeistern, sich für das Quartier zu engagieren", formuliert es Schaller.

Hinzu kommt, dass es im Bayernkasernen-Quartier auch ein Gewerbeflächen- und Mobilitätsmanagement geben und dies mit der Beteiligungsorganisation verzahnt werden soll. Die Verfahren müssen dabei flexibel sein, weil immer mehr Akteure hinzukommen. Noch gibt es, außer den städtischen Wohnungsbaugesellschaften, keine Bauherren, die Vergabe der Grundstücke wird wohl erst Mitte 2021 anlaufen. Viele davon werden Genossenschaften sein, deren Mitglieder also sukzessive die Bühne betreten, ebenso die zukünftigen Mieter. "Wir werden zuerst eine Bürgerbeteiligung im benachbarten Umfeld anregen, um dann so bald wie möglich Neubürger und Alteingesessene zusammenzubringen", sagt Stupka. Er lässt ferner erkennen, dass die Stattbau die Gründung eines Bauherren-Konsortiums anregen und befördern wird. Denn das Ziel sei eine stabile Quartiersmanagementstruktur, die - unter welcher Trägerschaft auch immer - über die einzelnen Bauabschnitte hinweg (und darüber hinaus) "Verlässlichkeit und Beständigkeit" garantiert.

Als Schlüsselstelle in Sachen Bürgerbeteiligung hat die Stattbau den örtlichen Bezirksausschuss Schwabing-Freimann im Auge, dem sie zuletzt ihre Überlegungen bereits dargelegt hat. Da ging es bereits darum, wie Anträge aus dem Gremium eingespeist werden können und sollen. Schaller und Stupka versprachen eine transparente Zusammenarbeit und kündigten an, schon bald in der Mohr-Villa eine Art Anlaufstelle einrichten zu wollen. "Wir freuen uns darauf", fasste BA-Vorsitzender Patric Wolf (CSU) die Haltung des Gremiums zusammen. "Das wird eine runde Sache."

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