Freimann:Ausgezeichnet leben

Entwurf Bayernkaserne

Trotz der hohen technischen Anforderungen: Auch in den Straßenräumen sollen sich die Menschen wohl fühlen. Simulation: Hilmer Sattler Architekten Ahler

Das Mammutprojekt auf dem Gelände der Bayernkaserne gilt als "Nationales Projekt des Städtebaus". Das reicht den Lokalpolitikern nicht. Sie fordern einen Planentwurf, der Straßenräume zu Plätzen mit Aufenthaltsqualität macht

Von Stefan Mühleisen, Freimann

In Freimann wird die nächsten zehn Jahre eine kleine Stadt mitten in die Großstadt gepflanzt - und schon bevor die ersten Fundamente gelegt sind, gilt dieses Mammutprojekt auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne für gut 15 000 Bewohner als eine Art Leuchtturm der Münchner Stadtentwicklung. Es soll architektonisch vielfältig, mit reichlich urbanem Flair und einem ausgefuchsten Mobilitätskonzept ausgestattet sein. Den Stempel des Mustergültigen hat das Großvorhaben ohnehin, indem es vom Bundesbauministerium als "Nationales Projekt des Städtebaus" ausgezeichnet wurde - doch der Bezirksausschuss (BA) Schwabing-Freimann befürchtet, dass da in weiten Teilen des Gebiets womöglich ganz und gar nichts Mustergültiges entstehen wird.

Das Lokalgremium wird seit vielen Jahren nicht müde, sich zu dem Bayernkasernen-Projekt zu Wort zu melden, es gilt als wegweisend für die Zukunft des Stadtteils. Und die Schwabinger und Freimanner Politiker erwarten dabei nicht nur Ambitioniertes für die Baufelder, sondern auch für die Flächen dazwischen: die Straßenräume. Nach bisher vergeblichem Mahnen, verschärft der Bezirksausschuss jetzt die Tonlage - und verlangt nun eine detaillierte Planung. "Ein ,wir machen es so wie immer' kann es in diesem neuen Quartier angesichts der sich rasant verändernden technischen und klimatischen Entwicklungen sowie Nutzeranforderungen nicht geben", konstatiert der BA nun in einem fraktionsübergreifenden Antrag an die Stadt.

Soll heißen: Wegweisend wird's nur, wenn auch beim Konzept für die öffentlichen Straßen und Wege ganz genau hingeschaut wird. Der BA fordert deshalb: Die relevanten Behörden - Baureferat, Kommunalreferat, Kreisverwaltungsreferat und Stadtwerke - sollen eine Art Muster-Planentwurf für einen 150 Meter langen Straßenabschnitt erstellen, und zwar "beispielhaft mit sämtlichen relevanten Details in allgemein verständlichen Plänen". Zudem wird darauf gedrungen, dass dieses Exempel dem BA vorgestellt wird, bevor sich die Stadträte damit befassen. "Die besten Kompromisse können nur gelingen, wenn die Planungen mit öffentlicher Beteiligung durchgeführt werden, im Vorfeld gründlich nachgedacht wird und die widerstreitenden Fakten sorgfältig gewertet und abgewogen werden", heißt es zur Begründung in der von Dagmar Föst-Reich (FDP), Ekkehard Pascoe (Grüne) und Werner Lederer-Piloty (SPD) formulierten Initiative.

Gründlich nachgedacht haben ihrerseits die Antragsautoren, was die Behördenstellen alles beherzigen sollen. Es ist ein Katalog mit 18 Punkten. Gezeigt werden sollen demnach Informationen etwa zu Straßenbelägen und Straßenbreiten, zu Parkbereichen für Autos und Fahrräder, dazu die Lage von Hausmüll-Unterflurcontainern, Stromtankstellen, Wertstoff-Sammelstellen, ferner die Überlegungen zu unterirdischen Leitungsschächten ("Sparten"), Grünstreifen und Baumpflanzungen sowie "sonstiger Möblierung" wie Sitzbänken oder Abfallbehälter. "Ziel muss es dabei sein, für die öffentlichen Räume zwischen den Gebäuden ein Höchstmaß an Aufenthaltsqualität zu schaffen, trotz der komplexen funktionalen und technischen Anforderungen", heißt es in dem Papier. Die Müll-Logistik ist dem Gremium sogar einen gesonderten Antrag wert: Die soll die Stadt auf dem Bayernkasernen-Gelände gleich in die Straßenprofilplanung einbeziehen; zudem fordert das Gremium in einem gesonderten Antrag, dass bei den unterirdischen Leitungsschächten die Ladeinfrastruktur für E-Mobilitiät bedacht wird.

Dieser Vorstoß kommt nicht aus heiterem Himmel, er ist der Erfahrung aus dem Neubaugebiet Domagkpark geschuldet, ebenfalls eine zum Wohngebiet konvertierte, einst militärisch genutzte Fläche (Funkkaserne). Das Quartier hat den "ULI Germany Award for Excellence 2017" erhalten, ein Preis für zukunftsorientierte Stadtumbaumaßnahmen. Etliche Bewohner befanden allerdings ein Jahr später die Straßenräume als nicht gerade ausgezeichnet sondern als übermäßig versiegelt, von einer "Asphaltwüste" war die Rede. Es zeigte sich, dass sich die Zielvorgaben für die Straßenräume als nicht realisierbar erwiesen hatten, wegen Tiefgaragen- und Feuerwehrzufahrten oder unterirdischen Leitungen zum Beispiel - also jene Faktoren, von denen sich etliche in dem 18-Punkte-Katalog des BA wiederfinden. "Domagkpark-Effekt" nennen das die Lokalpolitiker, wenn, wie im diesem Fall geschehen, im Nachhinein nachgebessert werden muss.

Unterdessen wird der Bauausschuss des Stadtrates an diesem Dienstag, 6. Oktober, über den Projektauftrag für die provisorisch befestigten Fahrbahnen und Gehwege (Baustraßen) zur Erschließung der Baufelder auf dem Bayernkasernen-Gelände beraten. Eine Art Behelfsstraßennetz für all die Bagger und Baumaschinen, jedoch bereits mit Anlagen für Entwässerungskanäle und Fernwärmeleitungen. Der Baubeginn ist für das zweite Quartal 2021 angesetzt. Gemäß der Verwaltungsvorlage will das Baureferat einen Koordinator beziehungsweise eine Koordinatorin "für alle Belange im öffentlichen Straßenraum" auf dem Areal einsetzen.

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