"Freaky Fukin Weirdoz":Noch drückender

Urväter des bunten Metal-Rap-Funk-Dub-Mixes: Die "Freaky Fukin Weirdoz" raufen sich wieder zusammen.

Jakob Biazza

An den Freaky Fukin Weirdoz (FFW) lassen sich zwei Dinge hervorragend dokumentieren: der Aufstieg einer Stilrichtung mit dem Verlegenheitstitel "Crossover" und der Niedergang der Musikindustrie. Ersteren haben die Münchner zumindest für Deutschland nicht nur losgetreten, sondern auch maßgeblich geprägt. Für Letzteren steht ihre Karriere - von der Gründung 1988, über die Auflösung 2001 bis zur Wiedervereinigung Anfang dieses Jahres - sehr exemplarisch.

"Freaky Fukin Weirdoz": Erst Avantgarde, dann von Nachahmern überholt: Die "Freaky Fukin Weirdoz".

Erst Avantgarde, dann von Nachahmern überholt: Die "Freaky Fukin Weirdoz".

(Foto: Foto: Rocking Ape Records)

In der Kranhalle im Feierwerk geben die Urväter des bunten Metal-Rap-Funk-Dub-Mixes am kommenden Freitag, 31. Juli, ein Reunion-Konzert, dem am 18. September das Album "Oh My God" mit dazugehöriger Tour folgen wird.

Der Büchnerpreisträger Martin Kessel hat es schon prophezeit: "Bei Erfindungen ist der Erste immer der Dumme; den Ruhm kassiert der Zweite, und das Geschäft macht erst der Dritte", warnt er in seiner "Gegengabe". Für den deutschen Crossover hieße dieses Dreigestirn wohl (traurig aber war): FFW, H-Blockx, Guano Apes. Unglücklich, denn die Band um "Commander Zdanko", mit seinem Kollegen "Gringo" bis zur Trennung abwechselnd verantwortlich für Gesang und Bass, war dem internationalen Erfolg schon beinahe tragisch nah.

Das auf einer Jam-Session eher zufällig für sich entdeckte Rezept, Metal-Riffs als Basis für gerappte Texte, außerdem noch Ragga-Gesang über zickige Funk-Gitarren zu verwenden, mag heute zum Standard gehören. 1988 war es, wenigstens in Deutschland, nicht weniger als eine Revolution. Das schlicht "FFW" betitelte Debüt (damals saß noch die Schauspielerin Katharina Müller-Elmau am Schlagzeug) löste ein entsprechend breites Szene-Echo aus. Mit dem Nachfolger "Weirdelic" (1990) folgten erste Support-Shows mit Faith No More, den Bad Brains und White Zombie.

Weil sich Majorlabels in den Neunzigerjahren noch für Undergroundbands interessierten, bekundete die BMG Interesse. Das Quartett unterschrieb und veröffentlichte beim Sublabel RCA. Schlagzeugwunder Marco Minnemann hatte zwei Jahre zuvor den Platz von Müller-Elmau übernommen und der vermutlich besten Formation in der FFW-Geschichte gelang mit "Mao Mak Maa" (1994) ein gnadenlos gutes Album.

Brettharte Gitarren, ein zum Niederknien tighter Groove und aggressive und trotzdem vergnügte Raps dominieren das Werk. Bei der Singleauskopplung, einer Coverversion des Ian-Dury-Songs "Hit Me (with your rhythm stick)", kam es außerdem zur Zusammenarbeit mit Sängerin Nina Hagen. Die Plattenfirma bezahlte einen Vorschuss und ließ ein Video drehen, das es auf MTV und VIVA in die Rotation schaffte. Und dann: nichts. "Für weitere Promo, wie Support-Tourneen oder ähnliches, war kein Geld mehr da", erzählt Commander Zdanko. "Mit dem Millionenbudget, das in die H-Blockx gesteckt wurde, konnten wir einfach nicht mithalten."

"Von unserer Musik kann man nicht mehr leben"

Davon abgesehen passten Texte über "Sticky Weed" (zu deutsch "klebriges Marihuana") auch damals schon nicht in die Fernseh- und Radiolandschaft und sowohl die Band als auch ihre Attitüde beim Songwriting waren eine Spur zu freigeistig für den Mainstream. Weder Single noch Album schafften Chartplatzierungen. Zusammenbruch auf der Zielgerade.

Die Folgen waren klassisch: Zerwürfnisse mit dem Management und immer größere Diskrepanzen zwischen Gringo und Gitarrist "Rif Kif P" über die musikalische Ausrichtung. "Hula" (1998) blieb die vorerst letzte Veröffentlichung. "1998 waren wir eigentlich schon durch", resümiert Zdanko. Dann drei Jahre Zerfall: Minnemann verließ die Band und wechselte (böse Ironie) ausgerechnet zu den H-Blockx.

2000 gingen die Münchner ein weiteres Mal ins Studio und konnten das Ergebnis sogar noch an Universal Music verkaufen, wo es bis heute -traurige Praxis -in einer Schublade liegt. Der Richtungsstreit hielt an, 2001 löste sich die Band endgültig auf.

Bis jetzt: "Die Initiative kam von einem gemeinsamen Freund, der uns zum Essen eingeladen und gesagt hat, dass die Pause jetzt lang genug wäre", erzählt Zdanko. Die Anregung stieß auf Zustimmung, allerdings nicht bei allen. Co-Frontmann Gringo bat sich Bedenkzeit aus, sagte zu, letztlich jedoch wieder ab. Zdanko und Rif Kif P schrieben die neuen Songs alleine. Das Ergebnis ist alles andere als eine Neuerfindung, aber mehr als ein schaler Aufguss. "Oh My God" klingt vertraut und doch anders, ist eine konsequente Fortsetzung mit nötigen Brüchen.

Der Funk-Anteil geht nach den Umbesetzungen leicht zurück. Dafür strahlen die Dub-Effekte sphärischer, um von noch drückenderen Gitarren verdrängt zu werden. Vielleicht ergibt das das kompromissloseste Album der Bandgeschichte, wahrscheinlich das direkteste. Das letzte Kapitel der Erfolgsgeschichte? "Das ist mit dieser Art von Musik nicht mehr möglich." Zdanko wiegelt das mit relativ wenig Groll ab. Anders als Vinyl sei die CD ein "Wegwerfprodukt". "Physikalische Verkäufe", Alben also, die über den Handel erworben werden, könne man heutzutage vergessen, sagt der mittlerweile 48-Jährige. "Von unserer Musik kann man nicht mehr leben."

Dem Vater von drei Kindern gehe es deshalb um Anderes: "Ich mache mir immer noch gerne Gedanken, die ich in Texte packen will. Das ist mir wichtig." Das und der gute Zweck. Beim Konzert wird Geld gesammelt für einen Skatepark in Afghanistan.

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