Süddeutsche Zeitung

Frauenfußball:Gemeistert

Wie haben sich die Zeiten doch geändert. Früher war Weltmeister Gerd Müller noch überzeugt, Frauen gehörten in die Küche und nicht auf den Platz. Heute fühlt sich FCB-Managerin Karin Danner auf Augenhöhe mit den Männern

Von Kathrin Steinbichler

Wer das Büro von Karin Danner an der Säbener Straße betritt, entdeckt zunächst nichts Ungewöhnliches. Hinter einem mit Papieren beladenen weißen Schreibtisch steht ein roter Bürostuhl, wie er auch die anderen Mitarbeiterzimmer des FC Bayern München schmückt. Auf dem Boden liegt der dunkelgraue Teppich mit dem hellen Rautenlogo des Fußball-Rekordmeisters, das auch die weißen Kaffeetassen ziert. Aus dem Erdgeschossfenster sind die Trainingsplätze der Profis zu sehen, ab und zu klacken über die umlaufenden Wege die Stollen einer Jugendmannschaft, die in ihren Kabinentrakt läuft. Das Büro der 56-jährigen Frauenfußball-Managerin des FC Bayern München liegt mitten im Klubgelände, es ist ein rundum professionell ausgestattetes Büro wie jedes andere in dem riesigen Verein. Und genau das ist das Besondere daran.

"Wir werden hier inzwischen auf Augenhöhe wahrgenommen, das kann man nicht anders sagen", sagt Danner. Schließlich ist der Ehrenwimpel für langjährige Klubmitglieder, der an einer Magnetwand baumelt, längst nicht mehr die wertvollste Trophäe, die Danner in ihren 38 Jahren beim FC Bayern gesammelt hat. Das aktuelle Schmuckstück der Münchner Fußballerinnen, die Meisterschale der Frauen-Bundesliga aus dem vergangenen Sommer, ist allerdings gerade nicht zu besichtigen. "Der FC Bayern lässt ein Duplikat anfertigen", erklärt Danner, und wenn es dann graviert und poliert ist, "kommt die Schale in die Erlebniswelt des FC Bayern. Dorthin, wo jetzt auch schon unser DFB-Pokal steht. Wir Frauen haben da inzwischen unsere eigene kleine Ecke."

Die Münchner Sportlandschaft ist keine einfache, Karin Danner ist das bewusst: "Der Fußball ist die klare Nummer eins - oder besser: seine Männer. Aber ich würde sagen, wir machen uns." Andere Sportarten haben es schwer, im Dickicht der Großstadt auf sich aufmerksam zu machen, umso mehr die Sport treibenden Frauen. Die früher erstklassigen Basketballerinnen des MTSV Schwabing oder von Kickz München hatten es genauso schwer wahrgenommen zu werden, wie einst die Bundesliga-Volleyballerinnen des SV Lohhof. Auch die Hockeyfrauen des Münchner SC, die regelmäßig Nationalspielerinnen hervorbringen und auch schon Olympiasiegerinnen in ihren Reihen hatten, fristen ein Dasein als Randsportart. "So gesehen ist unsere Situation eigentlich luxuriös", sagt Danner. "Im Vergleich zu anderen Sportarten genießt der Frauenfußball einen immensen Stellenwert. Aber das war nicht immer so." Und natürlich liegt das ein bisschen auch an ihr. Sie würde das nie so sagen, aber: "Ich habe die gesamte Entwicklung mitgemacht." Erst als Spielerin, dann als Angestellte im Fanartikelladen. Und schließlich als Managerin der Fußballerinnen.

Als die gebürtige Pfälzerin 1977 beim FC Bayern anfing, war der Frauenfußball "mehr geduldet als gewünscht", erinnert sich Danner. Erst 1970 hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Spielverbot für Frauen aufgehoben, eine Nationalmannschaft gab es zunächst noch nicht. Es war eine Zeit, "in der wir froh sein durften, wenn wir vernünftige Trainingsplätze und ordentliche Bälle bekommen haben. Aber uns war das wurscht - wir wollten spielen", erzählt Danner. Weltmeister Gerd Müller machte damals mit einem Spruch von sich reden, der ihm lange nachhing: "Ich glaube nicht, dass dieser Sport genauso populär wird wie unser traditioneller Fußball. Warum sollen auch Frauen hinter dem Ball herlaufen? Sie gehören doch hinter den Kochtopf. Meiner Frau würde ich nicht erlauben, Fußball zu spielen." Heute wird Danner fast wütend, wenn man mit ihr über den Satz sprechen will. Denn "der Gerd hat das zwar mal gesagt, aber er war später auch derjenige von den Profis, der uns als einer der ersten ernst genommen hat. Das muss man auch mal festhalten".

Jahrelang, selbst als die Bayern-Frauen einige Jahre nach der ersten Meisterschaft 1976 Probleme bekamen, abstiegen und sich aus der Bayernliga wieder hocharbeiten mussten, besuchte Gerd Müller Ligaspiele der Frauen. Erst aus Solidarität, wie er auch zu Jugendspielen ging. Schließlich auch aus Interesse. Überhaupt hat sich das mit der Unterstützung im Verein grundlegend geändert. Die Fußballerinnen haben sich einen Stellenwert erarbeitet, der sich sehen lassen kann. "Zuerst kommen die Profis, dann die Basketballer, und dahinter wir. An die ersten kommt nichts heran im Verein, ganz klar. Die zweiten bekommen jetzt die Unterstützung, die sie verdienen. Und auch wir Fußballerinnen können inzwischen auf einem Niveau arbeiten, auf dem wir die Großen angreifen und immer öfter auch besiegen können."

Der erste große Sieg gelang den Bayern-Fußballerinnen 2012 im DFB-Pokalfinale von Köln. 2:0 bezwang der damalige Außenseiter live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Rekordsieger 1. FFC Frankfurt, es war der erste Erfolg unter dem neuen Trainer Thomas Wörle, einem ehemaligen Zweitliga-Profi und "Glücksgriff", wie Danner sagt. Doch schon zuvor, im Sommer 2009, hatte Danner gemerkt, dass sich etwas verändert im Verein. Wegen eines einzigen Treffers, der im Torverhältnis fehlte, verpassten die Münchnerinnen die Meisterschaft. Kurz nach dem Schlusspfiff klingelte Danners Handy, eine ihr unbekannte Nummer leuchtete auf. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge meldete sich, um Trost und Zuspruch zu leisten. Zum Ende des Gesprächs meinte er noch: "Die Prämie bekommen die Spielerinnen natürlich trotzdem."

Spitzensporterlinnen aus der Region

Münchnerinnen, die in ihrer Disziplin Spitze sind, gibt es nicht nur im Fußball. Ein kurzer Überblick, auch über das Münchner Umland, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: American Football: Munich Cowboys Ladies (Bundesliga), München Rangers (2. Bundesliga)

Basketball: TS Jahn München (2. Bundesliga)

Eishockey: ESC Planegg-Würmtal (Bundesliga, fünfmal in Serie deutscher Meister)

Formationstanz: Boogie Magic's Hohenbrunn (mehrfach Europa- und Weltmeister), SV Anzing Rock 'n' Roll (fünfmal Weltmeister)

Fußball: FC Bayern München (Bundesliga, deutscher Meister) Golf: Münchener GC (Bundesliga), GC Eichenried, GC München-Valley, GC Olching (2. Bundesliga)

Hockey: MSC München (Bundesliga)

Judo: TSV Großhadern (deutscher Meister 2014)

Kegeln: SKK 98 Poing (Bundesliga 120 und Champions League)

Kunstradfahren: RSV Steinhöring (mehrfach Weltmeister)

Leichtathletik: Christina Hering (LG Stadtwerke München, deutsche Meisterin und WM-Teilnehmerin über 800 Meter)

Rollerderby: Munich Rolling Rebels (Bundesliga)

Rugby: München RFC (Bundesliga)

Schießen: HSG München, Der Bund München, SV Germania Prittlbach

Luftgewehr-Bundesliga, jeweils gemischte Teams; HSG München (Luftpistole-Bundesliga), BSG Ebersberg (Bundesliga Bogen)

Ski alpin: Lena Dürr (SV Germering, Slalom)

Skicross: Heidi Zacher (SC Lenggries)

Softball: Haar Disciples (Bundesliga)

Schwimmen: Alexandra Wenk (deutsche Meisterin, SG Stadtwerke München, WM- und Olympia-Teilnehmerin)

Squash: Saskia Beinhard (SC Deisenhofen)

Synchronschwimmen: Marlene Bojer (SG Stadtwerke München, deutsche Meisterin, WM-Teilnehmerin)

Tennis: GW Luitpoldpark (2. Bundesliga)

Tischtennis: TSV Schwabhausen (Bundesliga)

Volleyball: SV Lohhof, DJK Sportbund München-Ost (2. Bundesliga Süd)

Voltigieren: Voltigierverein Ingelsberg (gemischte Teams, mehrfach Weltmeister)

Es gehört zum Selbstverständnis des FC Bayern, seine Sportler und Sportlerinnen nach einem Titel mit einer Prämie zu belohnen, egal ob eine ausgehandelt ist oder nicht. In diesem Fall, nach einer Saison, in der die Münchnerinnen so viele Sympathien wie nie zuvor gewonnen hatten, kam die Belohnung für den betriebenen Aufwand, nicht für den Ertrag. Für die Mannschaft, sagt Danner, "war das ein enormes Zeichen des Zusammenhalts aus dem Verein. Spätestens jetzt hatten die Spielerinnen gemerkt, dass ihre Leistung wahrgenommen und auch honoriert wird".

Danach begann Danner, die Mannschaft und vor allem das zugehörige Umfeld nach und nach um- und auszubauen. "Mir war von Anfang an wichtig, die Strukturen zu professionalisieren. Das war mir immer wichtiger, als noch ein zusätzliche Spielerin zu verpflichten", sagt Danner. Wann immer es geht, fliegen die Spielerinnen jetzt zu Auswärtsspielen, um ausgeruht zu sein. Die physiotherapeutische Versorgung der Münchnerinnen gehört zum Besten, was die Liga zu bieten hat, und wird inzwischen hauptamtlich geleistet. Mittags essen die Spielerinnen in der Kantine an der Säbener Straße - wie die Profis auch. Und anders als in Danners Fußballjahren besteht der Bundesligakader der Bayern-Fußballerinnen inzwischen komplett aus festangestellten Profispielerinnen, was keine Selbstverständlichkeit ist, auch nicht im Frauenfußball.

Spitzensportlerinnen in der Region

Münchnerinnen, die in ihrer Disziplin Spitze sind, gibt es nicht nur im Fußball. Ein kurzer Überblick, auch über das Münchner Umland, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

American Football: Munich Cowboys Ladies (Bundesliga), München Rangers (2. Bundesliga)

Basketball: TS Jahn München (2. Bundesliga)

Eishockey: ESC Planegg-Würmtal (Bundesliga, fünfmal in Serie deutscher Meister)

Formationstanz: Boogie Magic's Hohenbrunn (mehrfach Europa- und Weltmeister), SV Anzing Rock 'n' Roll (fünfmal Weltmeister)

Fußball: FC Bayern München (Bundesliga, deutscher Meister)

Golf: Münchener GC (Bundesliga), GC Eichenried, GC München-Valley, GC Olching (2. Bundesliga)

Hockey: Münchner SC (Bundesliga)

Judo: TSV Großhadern (deutscher Meister 2014)

Kegeln: SKK 98 Poing (Bundesliga 120 und Champions League)

Kunstradfahren: RSV Steinhöring (mehrfach Weltmeister)

Leichtathletik: Christina Hering (LG Stadtwerke München, deutsche Meisterin und WM-Teilnehmerin über 800 Meter)

Rollerderby: Munich Rolling Rebels (Bundesliga)

Rugby: München RFC (Bundesliga)

Schießen: HSG München, Der Bund München, SV Germania Prittlbach (Luftgewehr-Bundesliga, jeweils gemischte Teams); HSG München (Luftpistole-Bundesliga), BSG Ebersberg (Bundesliga Bogen)

Ski alpin: Lena Dürr (SV Germering, Slalom)

Skicross: Heidi Zacher (SC Lenggries)

Softball: Haar Disciples (Bundesliga)

Schwimmen: Alexandra Wenk (deutsche Meisterin, SG Stadtwerke München, WM- und Olympia-Teilnehmerin)

Squash: Saskia Beinhard (SC Deisenhofen)

Synchronschwimmen: Marlene Bojer (SG Stadtwerke München, deutsche Meisterin, WM-Teilnehmerin)

Tennis: GW Luitpoldpark (2. Bundesliga)

Tischtennis: TSV Schwabhausen (Bundesliga)

Volleyball: SV Lohhof, DJK Sportbund München-Ost (2. Bundesliga Süd)

Voltigieren: Voltigierverein Ingelsberg (gemischte Teams, mehrfach Weltmeister)

19 Nationalspielerinnen verschiedener Nationalitäten laufen inzwischen für den FC Bayern auf. Kapitänin Melanie Behringer, eine erfahrene Welt- und Europameisterin, durfte denn auch zusammen mit Männer-Spielführer Philipp Lahm auf den Rathausbalkon treten, als die Frauen des FC Bayern mit den Männern im vergangenen Sommer das historische erste Meisterschafts-Double feierten. Da die Nationalspielerinnen bereits in der WM-Vorbereitung waren, ließ der Verein sie per Helikopter einfliegen, rund 20 000 Menschen jubelten den Mannschaften zu. "An dem Tag hat uns die ganze Stadt wahrgenommen, auch das Internet ist regelrecht heiß gelaufen", sagt Danner. Sie ist überzeugt: "Die Mädels sind für den Verein in der Außendarstellung ein Gewinn, weil wir anders rüberkommen als die Profis und auch andere Zielgruppen ansprechen. Inzwischen haben das auch alle gemerkt."

Regelmäßig schaut Danner für einen kurzen Plausch im Büro von Uli Hoeneß vorbei. Einfach, um den Manager über neueste Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten und Meinungen auszutauschen. Das hatte Danner schon so gehalten, als Hoeneß noch Präsident des FC Bayern war. Seit der 63-Jährige seinen Steuerprozess hinter sich hat und für die Jugendarbeit in den Verein zurückgekehrt ist, hält Danner es erst recht so. "Der Uli war und ist unser größter Förderer", sagt Danner, "er hat als einer der ersten gesehen, welcher Gewinn für den FC Bayern im Frauenfußball liegen kann." Die Sicht hat er jetzt nicht mehr exklusiv.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2015
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