Frauenförderung:Schluss mit Seilschaften im Musik-Business

Eine von zwölf Frauen, die zeigt, dass es auch anders geht: Musikberaterin Julia Viechtl.

  • Im "Datenreport zur Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München 2016" wurde erstmals auch die Frauenquote in den einzelnen Bereichen ausgewertet.
  • Eines der Ergebnisse: Speziell in der Pop-Branche haben Frauen wenig zu sagen. Eine ungleiche Rollenverteilung, die von den Chefs bis zu den Charts reicht.
  • Die städtische Fachstelle Pop hat begonnen, Frauen verstärkt zu unterstützen.

Von Rita Argauer und Michael Bremmer

Ein Münchner Orchester bei einem Gastspiel: Der Veranstalter begrüßt die Leitungsriege, eine Frau und einen Mann. Zielsicher steuert er auf den Mann zu, um ihn als Intendanten willkommen zu heißen. Nur vertut er sich in diesem Fall in der Hierarchie. Denn bei den Münchner Symphonikern ist der Mann der Orchestermanager, die Frau - Annette Josef - aber ist Intendantin.

Das sei ihr schon oft passiert, erzählt Josef, in Deutschland wie im Ausland. Wo genau, will sie nicht verraten. Aber es illustriert: Eine Frau auf der obersten Chefposition ist immer noch die Ausnahme im Musikgeschäft. Es ist ein Männergeschäft, Frauen sind in der Unterzahl, in den Büros, aber auch auf den Bühnen.

Julia Viechtl, 31, heute Mitarbeiterin der Münchner Fachstelle Pop, hat acht Jahre bei Fertig, Los! gespielt. Die Indie-Pop-Band war bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag, die vier Musiker tourten durch ganz Deutschland. Bei der Konzerthalle angekommen, wurde Viechtl nicht auf die Bühne zum Soundcheck geschickt, sondern in die Küche, wie sie erzählt: Füll doch mal den Käse nach. Catering statt künstlerische Anerkennung. "Popmusik ist immer noch von Männern dominiert", sagt Viechtl. "Dagegen muss so lange gearbeitet werden, bis die gesamtgesellschaftliche Verteilung von mindestens 50 Prozent auf allen Ebenen erreicht ist."

Im "Datenreport zur Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München 2016" wurde erstmals auch die Frauenquote in den einzelnen Bereichen ausgewertet. Dies mache deutlich, schreiben die Autoren, dass in Teilen der Kultur- und Kreativwirtschaft noch Nachholbedarf sei. So könnten die Frauen bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen unter anderem in der Musikwirtschaft deutlich zulegen. Hier liegt die Frauenquote bei 41 Prozent. Nur im Games-Bereich ist sie (in der Kreativwirtschaft) noch schlechter, während sie in der Gesamtwirtschaft 46 Prozent beträgt.

Was freiberuflich beziehungsweise selbständig tätige Frauen in der Musikbranche angeht, liegt die Frauenquote ebenfalls bei 40 Prozent. Tendenz: steigend. Frauen kommen zwar zunehmend im Musikbusiness an. Doch die meisten davon arbeiten noch immer in Frauen-typischen Berufen: Sie machen PR, organisieren Meetings, sind Assistentinnen - sind also für Öffentlichkeitsarbeit oder das Umsetzen von Beschlüssen zuständig. Die Entscheider-Positionen besetzen immer noch mehr Männer.

Die Gründe für die Männerdominanz sind vielfältig

Woran das liegt? Darüber können selbst die Frauen, die im Musikgeschäft arbeiten, nur Vermutungen anstellen: Seilschaften unter Männern, Bescheidenheit bei den Frauen, ein Arbeitsumfeld mit Nachtschichten, das für Frauen mit Familie nur schwer zu vereinbaren ist. Hinnehmen wollen sie es trotzdem nicht.

"Da auch die Popkonsumenten zur Hälfte weiblich und männlich sind, macht es durchaus Sinn, die Rollen in der Musikindustrie gleichmäßig zu verteilen", sagt Ina Jedlicka, 30, die als Senior-A & R-Manager bei Sony Music Germany in München Künstler unter Vertrag nimmt. Eine ungleiche Rollenverteilung, die von den Chefs bis zu den Charts reicht. "Rund die Hälfte der Bevölkerung ist weiblich. Also kann es nicht sein, dass für die Hälfte der Bevölkerung die Texte von Männern geschrieben werden", ergänzt Natascha Augustin, Mitte 40. Sie ist Creative Director im Münchner Außenbüro des Hamburger Musikverlags Warner/Chappell Music Germany und veranstaltet Songwriter-Camps. Dort sollen Texter und Komponisten Songs für Interpreten kreieren, die ihre Lieder nicht selbst schreiben.

Immer wieder lade sie Musikerinnen ein, sagt Augustin, aber die Frauenquote liege maximal bei einem Fünftel. Und das zeigt sich letztendlich dann auch in den Charts. Der Zündfunk, ein Pop-Format des Bayerischen Rundfunk, hat gemeinsam mit der Gema die Top-100-Singlecharts in Deutschland der Jahre 2000 bis einschließlich 2016 untersucht. 26 Prozent der Songs, so das Ergebnis, werden von Frauen gesungen, 74 Prozent von Männern. Texterinnen und Komponistinnen haben hier noch eine schlechtere Quote, Frauen im gehobenen Management erst recht. "Bei keinem Majorlabel oder -verlag in Deutschland gibt es eine Frau als Geschäftsführer", sagt Augustin.

Frauen im Musikgeschäft quälen Zweifel

Mancherorts findet ein Umdenken statt. Patrick Mushatsi-Kareba, 43, ist seit wenigen Monaten neuer Deutschland-Chef bei Sony Music. Vier Frauen hat er für Führungspositionen eingestellt, unter anderem Alexandra Falken und Katie Kirk für die Sony-Plattenfirmen Columbia und Epic. Insgesamt sind es sieben weibliche Spitzenkräfte bei Sony. Ein Sonderfall.

Die Fachstelle Pop fördert insbesondere Frauen, überhaupt Zugang zum Musikgeschäft zu finden. Zu normalen Workshops kommen nur wenige, wie Julia Viechtl von der Popstelle berichtet, die übrigens auch von einem Mann geleitet wird. Workshops speziell für Frauen sind hingegen voll besetzt. Viechtl sieht sich daher in ihrer Ansicht bestärkt, "dass viele Frauen einen Schutzraum brauchen, um mit Dingen anzufangen". Und dann seien sie auch noch perfektionistischer. "Ich habe das Gefühl, dass Frauen tendenziell eher denken, sie müssen Dinge hundertprozentig beherrschen, um überhaupt mitmachen zu können. Bei Männern reicht da häufig zehn Prozent gefährliches Halbwissen aus."

Männer trauen sich alles zu, Frauen im Musikgeschäft quälen Zweifel. Sophie Raml, 53, unter anderem Managerin von Jesper Munk, hatte vor Jahren das Angebot, Geschäftsführerin eines der größten Verlage in Deutschland zu werden - sie hat abgesagt. "In gewisser Weise tut es mir heute noch leid, dass meine Zweifel da die Oberhand gewonnen haben", sagt sie. Raml war alleinerziehend mit einem Kleinkind - "und ich wollte weiter mit Musik zu tun haben, nicht mit Personalfragen oder Firmenstrategien". Es habe viele Jahre gedauert, sagt sie heute, "bis ich verstanden habe, dass auch ein bestimmtes Maß an Eigenpromotion und Selbstinszenierung zum Beruf dazu gehören".

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