Serie: Frauen machen Politik:Diese Frauen gestalteten die Stadtpolitik nach 1945

Centa Hafenbraedl

Konservativ und sittenstreng war die CSU-Politikerin Centa Hafenbrädl, die von 1946 bis 1970 dem Münchner Stadtrat angehörte. Für traditionelle Vergnügungen wie Kegeln war sie aber durchaus zu haben.

(Foto: Franz Hug/Munichpress/SZ-Photo)

Resolute Konservative, aufmüpfige Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen - nach dem Zweiten Weltkrieg erkämpfen Frauen sich ihren Platz in der Politik.

Von Wolfgang Görl

Die Menschen waren einfach erschöpft vom Hungern und Frieren. Aber es fielen keine Bomben mehr auf sie herab. Jetzt sollte eine neue Zeit beginnen. Der Krieg war aus, man hatte ihn überlebt, das war die Hauptsache."

So schrieb der Schriftsteller Walter Kolbenhoff in seinem Erinnerungsbuch "Schellingstraße 48" über das Ende des Zweiten Weltkriegs in München. Ja, eine neue Zeit sollte beginnen, aber dazu waren erst einmal die Trümmer wegzuräumen, die die Akteure der alten Zeit hinterlassen hatten: der Schutt auf den Straßen und der Unrat in den Köpfen. Neue Werte brauchte das zerstörte Land, eine neue Ordnung und neue Institutionen. Und selbstverständlich ging es darum, die materielle Not zu lindern, den Mangel an Wohnungen, Lebensmittel, Kleidung und Energie.

Dazu war auch eine funktionierende Verwaltung nötig. Am 4. Mai 1945, wenige Tage nachdem die US-Truppen in München einmarschiert waren, ernannte die amerikanische Militärregierung den katholisch-konservativ geprägten Karl Scharnagl - er stand bereits vor der NS-Zeit an der Spitze der Stadt - zum Oberbürgermeister. Scharnagl berief am 1. August einen provisorischen Stadtrat ein, der 36 ehrenamtliche Mitglieder hatte, darunter zehn ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau. In dem Gremium saß lediglich eine Frau: Zita Zehner.

Wäre es nach den Chefs der Parteien gegangen, die die Vorschlagslisten zusammengestellt hatten, wäre der Stadtrat gänzlich frauenlos geblieben. Das aber war nicht nach dem Geschmack der US-Militärregierung, die zwar nicht dezidiert feministisch war, jedoch immerhin bestrebt, die NS-Ideologie aus den Köpfen der Leute zu entfernen. Die Frau hatte in der Nazizeit vor allem Mutter und Hüterin des heimischen Herds zu sein, eine Rolle im öffentlichen Leben sollte die Ausnahme bleiben.

Eine Fortsetzung dieser Art des Patriarchats widersprach auch deshalb den Interessen der Amerikaner, weil Frauen zwangsläufig ein wichtiger Part beim Wiederaufbau und den Reeducation-Programmen zufiel. In Bayern gab es nach dem Krieg etwa 900 000 Frauen mehr als Männer, ähnlich war es in München. So schreibt die Historikerin Marita Krauss in ihrem Buch "Trümmerleben": "1945/46 war beispielsweise München überwiegend eine Stadt der Frauen.

Deutlich wird dies anhand einiger Zahlen: So lebten 1946 (legal) in München 751 967 Personen; von diesen waren 341 538 männlichen, 410 429 weiblichen Geschlechts, Kinder und Jugendliche eingeschlossen." Diese Mehrheit im Stadtrat komplett außen vor zu lassen, widerstrebte der amerikanischen Militärregierung. Sie bestand darauf, dass Scharnagl wenigstens eine Frau in das Gremium berief. Und damit kam Zita Zehner ins Spiel.

Geboren im November 1900 im unterfränkischen Rannungen, hatte Zehner nach dem Ende des Ersten Weltkriegs eine Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin absolviert und später, da war sie Mitglied des Katholischen Frauenbunds, Weiterbildungskurse für Landfrauen veranstaltet. 1928 schloss sie sich der Bayerischen Volkspartei (BVP) an. Den Nationalsozialismus lehnte sie ab, weshalb sie nach 1933 rasch ins Visier der Nazis geriet. Sie verlor ihre berufliche Existenz, und 1935 kam sie für kurze Zeit ins Gefängnis. Doch Zita Zehner wusste sich zu helfen. In München baute sie eine Lebensmittelgroßhandlung samt Teigwarenfabrikation auf, mit der sie während der Kriegsjahre auch hungernde Menschen versorgte.

Als im Frühjahr 1946 nun wieder die Bürger selbst ihre kommunalen Gremien wählen durften, gelangte Zehner, die sich mittlerweile der neugegründeten CSU angeschlossen hatte, erneut in den Münchner Stadtrat. Sie gehörte dem Wohlfahrts- und Schulausschuss an und setzte sich besonders für die städtischen Speiseanstalten und den Bau bezahlbarer Wohnungen für Familien ein. Gleichzeitig bastelte sie an ihrer politischen Karriere. Im Dezember 1946 zog sie für die CSU in den Landtag ein, in dem es unter 180 Abgeordneten gerade mal drei Frauen gab.

Straßennamen als späte Anerkennung

Wegen ihrer Arbeit im bayerischen Parlament, dem sie bis 1970 angehörte, legte sie ihr Stadtratsmandat nieder, dafür forcierte sie ihr Engagement für die Partei. 1959 rückte Zehner in den CSU-Landesvorstand auf, daneben stand sie insgesamt 16 Jahre an der Spitze der christlich-sozialen Landesarbeitsgemeinschaft Frauen. Zita Zehner, die 1959 mit dem bayerischen Verdienstorden geehrt wurde, starb 1978 in Birkenstein im Landkreis Miesbach.

Die Namen der sechs Frauen, die im Juni 1946 bei der ersten Kommunalwahl nach dem Krieg in den Stadtrat einzogen, kennen heute nur noch wenige. Ein - allerdings nicht vollständiges - Nachschlagwerk gibt es: das Münchner Straßenverzeichnis. Nach vier dieser Politpionierinnen der frühen Nachkriegszeit sind mittlerweile Straßen, Wege oder Plätze benannt. Zita Zehner gehört dazu, aber auch die SPD-Stadträtinnen Paula Breitenbach und Franziska Reindl sowie Centa Hafenbrädl von der CSU.

"Frauen machen Politik" - alle Folgen

Eine späte Anerkennung für die Frauen, die zu ihrer Zeit von den männlichen Kollegen mitunter belächelt oder auf die Hinterbänke komplimentiert wurden. Hildegard Hamm-Brücher, die ihre imponierende politische Karriere 1948 als FDP-Stadträtin begann, erinnerte sich später in einem Interview mit dem Tagesspiegel: "Die Männer haben sich ja in den 50er-Jahren noch haushoch, was sage ich, turmhoch überlegen gefühlt. Sie dachten, Frauen seien nur für den Sex da und dass sie den Haushalt in Ordnung halten. Die Männer haben damals zwar Handküsse gegeben und Türen aufgehalten, aber sie achteten die Gleichwertigkeit der Frau nicht."

Centa Hafenbrädl, Jahrgang 1894, ist eine der per Straßennamen verewigten Frauen, die 1946 in den Stadtrat gewählt wurden. Sie stammte aus Übersee am Chiemsee, war nach dem Ersten Weltkrieg in der freien Wohlfahrt tätig und arbeitete von 1921 an als Referentin für Frauenarbeit im Sozialministerium. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie Leiterin der Münchner Nothilfe. Hildegard Hamm-Brücher beschrieb sie in ihrem Buch "Freiheit ist mehr als ein Wort" als "gestandene CSU-Frau, die sich während der Nazijahre mit einem kleinen Reisebüro tapfer und selbständig über Wasser gehalten hatte".

"Gestanden" bedeutet wohl auch, dass Hafenbrädl sehr christkatholisch und sehr konservativ war und eine Politik betrieb, in der Sittenstrenge und Antikommunismus zu den Leitlinien gehörten. Als 1969 eine Straße in Neuperlach nach Kurt Eisner benannt werden sollte, wetterte sie selbstverständlich dagegen: Sie erinnere sich noch gut daran, sagte Hafenbrädl laut einem Bericht des Magazins Der Spiegel, wie Eisners Truppen ins katholische Leohaus eingedrungen seien und alles zerstört hätten. Tatsächlich hatten Revolutionäre das Leohaus am 22. Februar 1919 besetzt - aber zu diesem Zeitpunkt war Eisner schon tot, ermordet von einem nationalistischen Fanatiker. Hafenbrädl aber prophezeite: "Wenn wir eine Straße nach diesem Mann benennen, wird man uns eines Tages das Rathaus einrennen."

Auch Rosa Aschenbrenner bevorzugte eine deftige, mit wunderbar hinterfotzigem bayerischen Humor gespickte Sprache, doch stand sie politisch auf einer ganz anderen Seite als Hafenbrädl. Aschenbrenner kam 1948 für die SPD in den Stadtrat, zwei Jahre zuvor war sie Mitglied der verfassungsgebenden bayerischen Landesversammlung gewesen. Betrachtet man ihre politische Biografie, dann scheint die Frau auf verschlungenen Pfaden unterwegs gewesen zu sein. Aber vielleicht ist es zutreffender, wenn man sagt: Rosa Aschenbrenner verfolgte geradlinig ihren Weg, ins Schlingern gerieten eher die Genossen, mit denen sie zusammen für eine sozialistische Zukunft kämpfte.

Aschenbrenner, geboren am 27. April 1885, war das Kind einer armen Familie in Beilngries im Landkreis Eichstätt. 1906 zog sie nach München, arbeitete dort zunächst als Dienstmädchen und trat bald in die Gewerkschaft der Hausangestellten und schließlich in die SPD ein. 1909 heiratete sie den Arbeiter Hans Aschenbrenner, mit dem sie ein Friseurgeschäft in Neuhausen eröffnete, das aber bei Kriegsbeginn schließen musste.

1917 schloss sich Aschenbrenner der USPD an, und während der ersten Räterepublik saß sie als Beisitzerin im Revolutionstribunal. Kurz vor dem Einmarsch der konterrevolutionären Truppen verhandelte sie noch mit einem Vertreter der Regierung Hoffmann, um zumindest die Besetzung Münchens durch preußische Truppen zu verhindern. Der Versuch scheiterte. Nach Niederschlagung der Revolution wurde sie verhaftet, kam jedoch nach kurzer Zeit wieder frei.

Im ersten gewählten Münchner Stadtrat saß auch eine Kommunistin

Anfang der Zwanzigerjahre engagierte sich Aschenbrenner in der "Frauenhilfe für politische Gefangenen", die sich um die inhaftierten Revolutionäre kümmerten. Etwa zur selben Zeit wurde sie auf der USPD-Liste in den Landtag gewählt. Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit war der Kampf gegen Militarismus und Aufrüstung. Auch gegenüber ihren Parteigenossen blieb sie aufmüpfig: Streit mit der USPD-Fraktion, danach schloss sie sich der KPD an, wo die resolute Politikerin wieder aneckte und wegen mangelnder Linientreue in die Kritik geriet. Vorübergehend machte sie bei der abgespaltenen "Kommunistischen Partei-Opposition" (KPO) mit, bis sie 1930 zur SPD zurückkehrte. Während der Nazi-Herrschaft wurde Aschenbrenner mehrmals inhaftiert.

In den Fünfzigerjahren kam die Sozialistin und Pazifistin - ähnlich wie ihre pazifistische Fraktionskollegin Editha Hoereth-Menge - erneut in Konflikt mit ihrer Partei, der SPD. In ihrem Buch "Sozial bis radikal" schreibt Adelheid Schmidt-Thomé über Aschenbrenner, "die gusseiserne Stadtmutter": "Ihr 70. Geburtstag wurde 1955 von den Genossen noch groß gefeiert. Zehn Monate später, im Januar 1956 fiel sie wegen ihres Widerstands gegen die Aufrüstung und wegen ihrer dezidiert linken Haltung der antikommunistischen Stimmung der 1950er Jahre zum Opfer: Die SPD stellte sie nicht wieder auf." Bei ihrer Abschiedsrede im Rathaus, die sie, wie die Presse berichtete, "mit Tränen in den Augen" hielt, verließen ihre Fraktionskollegen mit einer Ausnahme aus Protest den Sitzungssaal. "Opposition wird in dieser Partei nicht geduldet", klagte Aschenbrenner - und: "Eigenes Denken ist strengstens verboten."

Im ersten gewählten Münchner Stadtrat saß auch eine Kommunistin, die 1913 als Tochter einer Münchner Schlosserfamilie geborenen Adelheid Liessmann. Sie hatte Buchhalterin gelernt, engagierte sich in der Weimarer Zeit in der Gewerkschaft und war Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands. Mit ihrer Neuhausener Gruppe, zu der auch der damals noch jugendliche Schriftsteller Alfred Andersch gehörte, beteiligte sie sich an Aktionen gegen die Nazis. Bereits am 10. April 1933 wurde Liessmann, ebenso wie ihr Vater, verhaftet. Nach einiger Zeit kam sie frei, fand Arbeit, aber schon im November 1934 saß sie wieder im Gefängnis; später deportierte man sie ins Konzentrationslager Moringen, aus dem sie nach einem halben Jahr aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde. Die Schikanen gegen die junge Frau dauerten bis zum Kriegsende an.

Nach der Befreiung fand Liessmann eine Anstellung bei der Stadt, ja sie avancierte zur Leiterin des städtischen Leihamts. Gleichzeitig engagierte sie sich wieder in der Kommunistischen Partei, für die sie bis 1953 im Stadtrat saß. In einem vor Ressentiment und antikommunistischen Furor strotzenden Artikel beschrieb sie der Spiegel 1948 als "eine grobknöchige, einheimische Münchener Jungfrau, Tochter eines Schlossermeisters und gläubige, fanatische, aber naive Leninistin". Mit dem maliziös intonierten Wort "Jungfrau" spielte der Autor offenbar darauf an, dass Liessmann, so steht es jedenfalls auf der Webseite des Münchner Forums Homosexualität, mit einer Freundin zusammenlebte - unerhört im Land der braven Deutschen, die gerade die schlimmsten Menschheitsverbrechen begangen hatten.

Hildegard Hamm-Brücher spricht in ihren Erinnerungen hingegen von der "dem KZ entronnenen, hochanständigen, klugen und fähigen Kommunistin Adelheid Liessmann". Unter anderem hat diese sich dafür eingesetzt, dass die bei der Stadt arbeitenden Männer und Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen - vergeblich. Mit welchen Widerständen politisch ambitionierte Frauen in jenen Jahren zu kämpfen hatten, ist auch bei Hamm-Brücher, diesmal in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau, nachzulesen: "1945 waren wir am Nullpunkt. Die Nazis hatten den Frauen nur die Rolle der Mutter zugestanden.

Viele Frauen waren Nazis, aber dennoch durften sie keine Funktion in Partei und Staat übernehmen. Nach dem Krieg, wir hatten noch gar kein Grundgesetz, waren es die Amerikaner, die die Frauen ermutigt haben, sich einzumischen. Doch es gab nur ganz wenige, die daran Interesse hatten und den Männern mal Paroli bieten wollten. Als ich im Münchener Stadtrat versucht habe, Frauen in eine mittlere Beamtenlaufbahn zu bekommen oder als Musikerinnen in die Orchester der Stadt oder in die Leitung der Schulen, da wurde ich wüst beschimpft - von meinen CSU-Kollegen im Stadtrat, aber auch von Frauen auf dem Land."

Als Liessmann 1953 ihren Rücktritt als Stadträtin erklärte, sagte Oberbürgermeister Thomas Wimmer (SPD): "Ich kann nur sagen, dass ich die Arbeitsweise und die rührige Tätigkeit der Kollegin Liessmann, auch wenn sie einer bestimmten Weltanschauung gehuldigt hat, gebührend zu würdigen weiß." Liessmann starb im April 1992. Sie war von den Nazis verfolgt worden, und sie war eine der ersten Frauen in München, die sich sowohl im Stadtrat als auch in der Verwaltung bemüht haben, eine neue, eine bessere Zeit zu gestalten. Sie, die Kommunistin, mit einem Straßennamen zu ehren, dazu hat sich die Stadt bislang nicht durchringen können.

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Anita  Augspurg, 1899

Serie: Frauen machen Politik
:Vorkämpferinnen der Freiheit

Während des Ersten Weltkriegs begannen sich in München die Frauen zu politisieren. Mit der Einführung des Wahlrechts zogen etliche von ihnen in die Parlamente ein.

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