Serie: Frauen machen Politik:Warum müssen Frauen härter kämpfen als Männer?

Lydia Dietrich von den Grünen engagiert sich in den Frauenorganisation ihrer Partei.

Lydia Dietrich von den Grünen engagiert sich in den Frauenorganisation ihrer Partei.

(Foto: Robert Haas)

Die Frauenorganisationen der Parteien versuchen, Politik für Frauen attraktiver zu machen. Drei Beispiele zeigen, wie das klappen kann.

Von Isabel Bernstein

Bettina Messinger war es irgendwann leid. Leid, in ihrer Arbeit immer wieder ihre Zuständigkeit für den Computerbereich verteidigen zu müssen, gegen Männer, die wie selbstverständlich davon ausgingen, dass sie als Frau von Technik ja keine Ahnung haben kann. Also schleuderte sie dem Nächsten, der ihr Wissen anzweifelte, ein paar Sätze entgegen, gespickt mit Fachausdrücken, "die haben so aneinandergereiht gar keinen Sinn ergeben", sagt die SPD-Stadträtin und lacht. Aber der Auftritt zeigte Wirkung. "Da hat sich niemand getraut zu widersprechen."

Dass bei Frauen viel häufiger die Kompetenz-Frage gestellt wird, die Erfahrung hat auch Ulrike Grimm gemacht. Zwar nicht persönlich, aber die CSU-Stadträtin nennt Michaela Kaniber als Beispiel, bei der es anfangs auch geheißen habe: Landwirtschaftsministerin - kann die das überhaupt? "Haben Sie schon mal erlebt, dass das bei einem angehenden Minister gefragt wird?" Grimm schüttelt den Kopf.

Bei Lydia Dietrich haben die Rollenklischees die Berufswahl bestimmt. Aufgewachsen in einem Dorf in Rheinland-Pfalz, sei immer klar gewesen, dass sie als Mädchen maximal Realschulabschluss machen und dann Krankenschwester werde. "Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt", erzählt die frühere Grünen-Politikerin, "aber ich hatte keine Chance." Erst mit Ende 20, als sie längst in München lebte, kündigte sie ihren Job als Krankenschwester, holte ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und begann ein Studium der Politischen Wissenschaften und Sozialpsychologie. "Das war wie ein Stachel, das war mir wichtig."

Drei Frauen, drei politische Ausrichtungen, eine Erfahrung. "Frauen müssen härter kämpfen als Männer", fasst es Grimm zusammen. Dass sich das ändert, dass die Politik attraktiver wird für Frauen, dafür engagieren sich die Politikerinnen seit Jahren. Einen wichtigen Rückhalt finden sie dabei in den Frauenorganisationen ihrer Parteien. Hier diskutieren sie über Themen, bereiten Anträge für den Stadtrat vor, knüpfen Kontakte mit anderen Frauenvereinigungen in München. Im Arbeitskreis Feminismus der Grünen können auch Männer mitarbeiten, die meisten Mitglieder sind aber weiblich. Die Frauen-Union (FU) und die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) stehen dagegen ausschließlich Frauen offen.

Doch warum sind Frauenverbünde im Jahr 2019 überhaupt noch wichtig? Sollten Themen wie Erziehung, häusliche Gewalt, gendergerechte Bezahlung oder Frauenförderung nicht längst in der Mitte der Gesellschaft und damit der Parteien angekommen sein? Für Bettina Messinger ist die Antwort klar: "Wer persönlich betroffen ist, setzt sich mehr ein." Die 50-Jährige ist seit 1997 Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in München und seit 2014 deren Vorsitzende.

Manches sei in den vergangenen Jahren selbstverständlich geworden: "Aber in vielen Punkten tun wir uns noch schwer mit Gleichberechtigung." Bei Themen wie gleiche Bezahlung, gerechte Aufstiegschancen oder paritätische Listenaufstellung brauche es den Anstoß der Frauen. Sexistische Werbung etwa wurde in München im vergangenen Jahr verboten, treibende Kraft hierbei: die Frauenorganisationen der Parteien, die ihre Positionen vor dem Beschluss abgestimmt hatten.

Bettina Messinger (rechts, mit Petra Reiter) von der SPD.

Bettina Messinger (rechts, mit Petra Reiter) von der SPD.

(Foto: Privat)

Für Lydia Dietrich, die in 16 Jahren Stadtrat viele Gleichstellungsduelle gefochten hat, war der Grünen-Arbeitskreis Feminismus immer eine wichtige Bastion. Zwar seien die Listen abwechselnd mit Mann und Frau besetzt, auch werde in der Grünen Jugend heute kein großer Unterschied mehr zwischen den Geschlechtern gemacht. Dennoch sei der Arbeitskreis heute genauso wichtig wie in den Achtzigerjahren. "Es gibt eine ganz starke antifeministische Bewegung in Deutschland", sagt sie mit Blick auf das von rechten Strömungen propagierte Frauenbild.

"Es ist unglaublich wichtig, in diesen Netzwerken zusammenzuarbeiten und sich dem entgegenzustellen." Dietrich war auch zwölf Jahre lang Gleichstellungsbeauftragte der Stadt München, bis sie vergangenes Jahr dieses Amt und ihr Stadtratsmandat niederlegte, um Vorsitzende der Frauenhilfe zu werden. Sie setzte sich unter anderem dafür ein, dass München die Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern unterzeichnet und mittels Aktionsplänen aufzeigt, wie die Stadt mehr Gendergerechtigkeit erreichen möchte.

Geschlechtergerechter Haushalt? "So ein Aufwand!"

Ein zweites Thema, für das sie lange gekämpft hat, war ein geschlechtergerechter Haushalt - ein Begriff, der, wie Dietrich weiß, erst einmal fürchterlich abstrakt klingt. Entsprechend waren die ersten Reaktionen auf den ersten Antrag 2005 auch: "Was soll das denn?" "So ein Aufwand!" Da habe sie sie schon gemerkt, die subtilen Diskriminierungen, "es ist sehr schnell persönlich geworden". Dabei gebe es durchaus Gründe, den Haushalt unter dem Geschlechter-Blick zu betrachten, sagt sie: Spielplätze werden mit Bolzplätzen eher auf die Bedürfnisse von Jungs ausgerichtet, bei der Gesundheit fallen dagegen eher Männer durchs Raster, weil sie tendenziell seltener zur Vorsorge gehen. Zwölf Jahre hat es gedauert, bis Dietrich auf dem Feld Erfolge verzeichnen konnte.

Den Rückhalt nennt auch Ulrike Grimm als großes Plus der Frauenorganisationen. "Ohne die Frauen-Union wäre es für manch eine Frau schwieriger in der Politik", glaubt sie. Dabei gilt die CSU auch mit der FU im Rücken nicht gerade als Hort des glühenden Feminismus.

Im bayerischen Landtag sind nur 21,2 Prozent der CSU-Abgeordneten weiblich, nach Berlin entsendet die Partei drei Minister und eine Staatsministerin. Grimm, die seit fast 20 Jahren in der FU aktiv ist, kennt diese Zahlen, sie weiß, dass die CSU auf viele Frauen nicht attraktiv wirkt. Doch für München stimme dieses Image nicht, im Stadtrat sind zehn der 24 Mandatsträger weiblich, und mit Kristina Frank bewirbt sich eine Frau um das Oberbürgermeisteramt bei der nächsten Kommunalwahl.

Damit auch außerhalb der Stadt mehr Frauen die Parteigeschicke mitgestalten, spricht sich Grimm für eine Quote aus: Je 40 Prozent aller Listenplätze sollen an Männer und Frauen und nur die restlichen 20 Prozent frei vergeben werden. "Wir sehen, dass sich auf freiwilliger Basis wenig ändert", sagt die 56-Jährige. Die Frauen in der CSU seien nun mal konservativer geprägt, "wir schießen nicht nach vorne, wir wollen gefragt und gebeten werden". Mit einem anderen Vorstoß hatte sie 2017 sogar bayernweit Erfolg: Auf Antrag der Münchner FU wurde das Prostituiertenschutzgesetz verschärft.

Auch für die Zukunft haben die Politikerinnen eine Menge vor. Messinger schwebt ein Paritätsgesetz nach französischem Vorbild vor, wonach Parteien nur bei Wahlen antreten dürfen, wenn sie die Plätze abwechselnd an Männer und Frauen vergeben. Grimm möchte beim Thema Verkehr und Infrastruktur die Frauenperspektive mehr einbringen, denn eine Mutter, die ihr Kind zum Arzt fahren muss, habe ganz andere Probleme als der Vater auf dem Weg in die Arbeit.

Und Dietrich? Sie wird in ihrer neuen Arbeit weiter für Frauenrechte kämpfen. Sie hofft, dass die Diskriminierungen, die auch sie als Frau erleben musste, irgendwann ganz der Vergangenheit angehören. "Die Stadt München hat viel gemacht und viel Engagement beim Thema Gleichstellung gezeigt", sagt sie und macht eine kurze Pause, "aber ein gleichstellungspolitisches Paradies ist sie nicht."

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