Bogenhausen:76-Jährige versucht, demenzkranken Ehemann zu töten

Lesezeit: 1 min

  • Eine 76-Jährige hat ihren demenzkranken Mann mit einer Fasche schwer am Kopf verletzt.
  • Sie selbst rief einen Notarzt und gab an, keinen weiteren Ausweg mehr gewusst zu haben.
  • Nach Angaben der Polizei befindet sich der Mann nicht in akuter Lebensgefahr.

Von Günther Knoll

Die Verzweiflung muss groß gewesen sein. Am Donnerstag gegen 8.30 Uhr erreichte die Münchner Polizei der Notruf einer 76-jährigen Frau, die mitteilte, sie habe gerade versucht, ihren demenzkranken Mann mit einer Flasche zu erschlagen. In der Wohnung in Bogenhausen fanden die Beamten die Frau und auch den Ehemann, der erhebliche Kopfverletzungen aufwies. Ein Notarzt versorgte ihn und ließ in ins Krankenhaus bringen. Dort stellten die Ärzte einen Schädelbruch und eine Gehirnblutung fest. In akuter Lebensgefahr befindet sich der Senior lauf Polizei aber nicht.

Die Polizisten stellten eine zerbrochene Glasflasche sicher, mit der die Frau wahrscheinlich zugeschlagen hatte. Und sie trafen auf eine Ehefrau, die mit von ihrer Lebenssituation schlicht überfordert schien. Sie habe einfach keinen anderen Ausweg mehr gesehen. Ihr dementer Ehemann, der über 80 Jahre alt sei, habe ständig versucht, wegzulaufen oder sogar mit dem Auto wegzufahren, berichtet die Rentnerin.

Es ist ein Spagat, den viele pflegende Angehörige jeden Tag absolvieren. Nach einer Untersuchung der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München im Auftrag der Deutsche Alzheimer Gesellschaft gibt es bundesweit derzeit 1,5 Millionen Demenzkranke, zwei Drittel davon sind älter als 80 Jahre. Deutschlandweit würden drei Viertel aller Pflegefälle zu Hause versorgt, sagt die Gerontologin Renate Köp von der Fachstelle für pflegende Angehörige bei der Johanniter Unfallhilfe München.

Zwar sei das Angebot für Demenzkranke und ihre Angehörigen, was Beratung, Schulung und Hilfe angeht, "sehr gut". Doch gerade ältere Angehörige nähmen es nicht immer in Anspruch, aus Unwissenheit, aus Scham, aus Angst. Spätestens dann, "wenn man merkt, dass man bei der Pflege mit der Geduld am Ende ist", sollte man sich unbedingt beraten lassen, sagt Köp. Eine solche Verzweiflungstat wie sie jetzt in Bogenhausen passiert sei, sei die große Ausnahme. Viel öfter komme es vor, dass ein Demenzkranker gegenüber seinem pflegenden Angehörigen aggressiv oder auch gewalttätig werde.

Immerhin ermittelt die Polizei gegen die 76-Jährige nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Weil sie von sich aus alle Maßnahmen zur Rettung ihre Ehemanns eingeleitet hat, muss sie sich wohl wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten.

© SZ vom 25.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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