Franz Ferdinand in München:Erdbeermund der Jugend

Paul Thomson und Alex Kapranos von Franz Ferdinand live im Docks Hamburg 11 03 2014 Foto xI xSchif

Alex Kapranos (rechts) und Paul Thomson von Franz Ferdinand hier während des Konzerts in Hamburg Mitte März

(Foto: Imago Stock&People)

Franz Ferdinand holen im Zenith in München die Studentenzeit zurück - und zeigen, dass sie die ganz wichtigen Rockstar-Dinge hervorragend beherrschen: Hüpfen etwa, ohne dass es kindisch aussieht.

Von Kathleen Hildebrand

Wenn Franz Ferdinand in Deutschland spielen, dann ist das immer etwas Besonderes. Nicht nur, weil Gitarrist Nick McCarthy in München aufgewachsen ist und hier studiert hat. Auch, weil keine andere englischsprachige Rockband so viele deutsche Sprachfetzen und Unsinnzeilen in ihre Songs einbaut wie Franz Ferdinand: "Ich heiße Superfantastisch/ ich trinke Schampus mit Lachsfisch" hieß es in ihrem Debüt "Darts of Pleasure". "Auf Achse" nannten sie einen Song, die B-Seite ihrer neuen Single heißt "Erdbeermund".

Auf der Bühne im Zenith erscheint die Band ganz plötzlich und undramatisch. Hinter den dünnen Männern flackern ein paar konstruktivistische Geometrieelemente in Schmutzrot und Dunkelgrau: Auch die Ästhetik von Franz Ferdinand ist irgendwie deutsch, eine Mischung aus Bauhaus und Ruhrgebiet. Ins Zenith mit seinem Industriecharme passt das perfekt.

Los und gleich gut nach vorne geht es mit "Bullet", einem neuen Stück. Doch der treibende Beat, die schlenkernd exaltierten Kurvenmelodien, klingen ganz wie auf dem ersten Album, damals vor zehn Jahren: als Franz Ferdinand die Popmusik durchpusteten, bis kein Stäubchen mehr auf dem guten alten Gitarrenrock lag. Frische reinbrachten und diese trockene Entschlossenheit, einfach loszutanzen. Despotisch fast, man darf gar nichts anderes: Musik, zu der die Mädchen tanzen. Und das klappt noch immer.

Auch wenn das Publikum auf die alten Sachen wartet. Denn auf diesem Konzert hier geht es nicht nur um sehr gute Gegenwartsmusik, sondern, ja, so weit ist es schon, um Jugenderinnerung. Für die meisten wird Franz Ferdinand der Soundtrack der eigenen Studentenpartys gewesen sein, der Abifeier vielleicht - jünger ist niemand hier.

Die ganz wilden Zeiten sind erst mal vorbei

Völlig ungewohnt ist auch, dass die Sicht auf die Bühne überraschend smartphonefrei ist. Vielleicht sind Franz Ferdinand die letzte Band des jungen Jahrtausends, deren Gefolgschaft auf Konzerten keine Mobiltelefone in die Luft streckt, weil sie ganz knapp zu alt dafür ist. Gelegentlich drängelt sich ein Eastpak-Rucksack vorbei. Männer wie Frauen tragen dickrandige Brillen, aber eher solche, die man auch jenseits der Kreativbranche im Büro aufhaben kann. Die ganz wilden Zeiten sind erst mal vorbei.

Und auch Franz Ferdinand haben sich verändert. Sänger Alex Kapranos stampft nicht mehr nur stur wie ein Rocksoldat mit dem rechten Bein auf den Boden. Er lächelt, breitet die Arme aus, trabt über die Bühne und hält dabei seine Gitarre wie ein Ritter beim Turnier seine Lanze. Trotzdem: Die zackigen Zuckungen am Mikrofon sind noch da und gelegentlich fährt er sich ziemlich sexy mit der Hand durch die Haare. Aber alles ein bisschen lockerer mit 42.

Und auch souverän: Die Band zieht nicht lange das immer auch pädagogische Programm des Neue-Songs-Spielens durch (wir haben uns weiterentwickelt, nehmt das gefälligst zur Kenntnis), sondern erlöst das Publikum schon beim dritten Stück. "Dark of the Matinee" hebt an und schon fühlt man sich wieder wie ein Erstsemestler. Verführerisch schlängelt sich die Melodie durch die Halle, "come on you must follow/leave this academic factory". So war das: Seminare schwänzen, flirten, "accidentally I charm you and tell you..."

Rührende Sätze auf Deutsch

Franz Ferdinand haben nie Lieder gemacht, die die Liebe versprachen. Die Faszination ihrer Musik bestand immer eher in dem Versprechen, dass diese Zeit vor dem großen Ernst nie aufhören würde - das Tanzengehen, der regelmäßige Rausch, die verschmierte Mascara nach einer langen Nacht. Und in dem sanft mitschwingenden, aber verleugneten Wissen, dass doch jedes Mal der Morgen wieder graut.

Der Brit-Pop von Franz Ferdinand ist sicher nicht mehr die Avantgarde-Musik der Stunde, auch wenn sie bei "Ulysses" - in Gold-Magenta-Licht getaucht mit Elektroklängen experimentieren. Aber jemand wie Alex Kapranos kann einfach die wichtigen Rockstar-Dinge: Hüpfen, ohne dass es kindisch aussieht. In der perfekten Balance von Ironie und Ernst "München, it's good to see you!" rufen. Und im richtigen Moment mit dem Singen aufhören, so dass die ganze Halle die Liedzeile ergänzt und brüllt: "Take me out!" - ohne sich von der falschen Seite agitiert zu fühlen.

Zum Schluss sagt Nick McCarthy noch ein paar rührende Sätze auf Deutsch und kündigt an: "Wir haben ein ganz besonderes Lied für euch vorbereitet." Das von dem Dichter François Villon inspirierte "Erdbeermund" ist es und McCarthy singt es, ausnahmsweise, selbst. Derweil fabriziert Kapranos am Keyboard Neue-Deutsche-Welle-Klänge. Das ist sehr freundlich von ihm: Solche Zitate länger vergangener Zeiten geben der Generation FF gleich das Gefühl, doch noch ganz jung zu sein.

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