Süddeutsche Zeitung

Buchpräsentation:Ganz lieb morbid

Der Slammer, Literat und Kabarettist Frank Klötgen hat einen Gedichtband zum Thema Tod geschrieben.

Von Oliver Hochkeppel, München

Es ist ungerecht, aber auch Kulturschaffende finden oft eher durch ihre Stellung als durch ihre Werke Aufmerksamkeit. Dass der Gedichtband "Lebhaft im Abgang" von Frank Klötgen nun also hier wie anderswo einige Beachtung findet, verdankt sich nicht zuletzt der Tatsache, dass Klötgen Mitglied des neuen Ensembles der Lach- und Schießgesellschaft ist. Als ob der 53-jährige Essener, der in Hamburg und lange in Berlin wohnte und seit 2014 im München lebt, nicht schon zuvor genug geleistet hätte, das gesteigertes Interesse verdiente.

Spannend genug ist ja bereits, dass man hier einen ehemaligen deutschen Vizemeister im Skateborden und langjährigen Webmaster für etliche Band-Homepages (von Element of Crime und Tokio Hotel bis zu Eminem und Marilyn Manson) bei der Plattenfirma Universal vor sich hat. Aus seiner punkigen Jugend bis in die Gegenwart zieht sich auch seine Rolle bei der Band Marilyn's Army, deren Sänger und Texter er seit über 30 Jahren und 15 Alben ist. Klötgen hat außerdem 2004 den ersten "Hyperfiction"-Roman "Spätwinterhitze" veröffentlicht, später auch den Roman "Der Fall Schelling". Vor allem aber ist er ein Poetry Slammer der ersten Stunde: Gut 2000 Auftritte in 19 Ländern auf vier Kontinenten hat er absolviert und wohl so etwa 100 Slams gewonnen, bis er diese Karriere 2016 mit einer einjährigen "Poetry-Slam-Abschiedstour" (festgehalten im Buch "Slammed! - 1 Jahr, 149 Poetry Slams zwischen Hawaii und Madagaskar") beendete.

Seither konzentriert sich Klötgen auf seine Lesebühnen-Tätigkeit in Berlin und München, wo er bei "Poetry & Parade" in der Seidlvilla, mit den "Stützen der Gesellschaft" im Fraunhofer und in der "Westend-Bohème" im Stragula Co-Gastgeber und zum Beispiel in den Vereinheim-Mixed-Shows regelmäßig zu Gast ist. Auch da hat sich reichlich angesammelt, was bereits in Gedichtbänden veröffentlicht und unter anderem ins Englische, Arabische, Italienische, Tschechische oder Bulgarische übersetzt ist. Beste Referenzen also für sein jüngstes Werk "Lebhaft im Abgang", ein im Berliner Satyr-Verlag erschienener Band mit "Tödlichem & Tröstlichem in 200 Gedichten", mit Illustrationen von Jussi Jääskelainen und zehn von Klötgen eingesprochenen Audiolinks.

Das Morbide liegt Klötgen irgendwie. "In den meisten meiner Geschichten oder auch jetzt im Lach- und Schießstück gibt es Leichen," sagt er. Da lag es nahe zu sammeln, was ihm zu Tod, Sterben und Abschied seit 2016 eingefallen ist und mit ein paar einschlägigen Texten aus vergriffenen Büchern zu kombinieren. In zehn Kapiteln thematisch unterteilt und bekömmlich gemacht, von "Unglücksfälle" und "Fremdverschulden" über "Geliebtes" und "Trauer" bis zu "Auslese" und "Schlussnummern", bietet Klötgen nahezu alles zum Thema. Vom aphoristischen Dreizeiler bis zu langen End- und Paarreim-Gedichten wie dem dreiseitigen "Kleid für Frau Eleanor", von lustigen Sprachspielereien ("Aua! jault der Kabeljau/Als die Gabel ich genau/ Ihm in seinen Nacken hau") bis zu ausgewachsenen Literatur-Parodien (wunderbar etwa die auf Gustav Schwabs Ballade vom Bodensee-Reiter oder auch das "Mörike reloaded"-Frühlingsgedicht). Von Hochkunst bis zu Alltagsgedanken, vom Kalauer bis zu ernsthaft Tiefsinnigem und von der Trauerarbeit übers Altersleiden bis zum Nachruhmgedanken.

Die Texte kombinieren deutsche Gründlichkeit mit undeutscher Leichtigkeit; das kunstvoll aus der Hüfte geschossene eines Robert Gernhardt mit dem Schwarz britischer Komiker und der Morbidität der Wiener Melancholiker. Wenn man Klötgen schon auf der Bühne gesehen hat, stellt man ihn sich sofort vor bei diesen Texten. Warum also nicht gleich zur Buchpräsentation ins Vereinsheim gehen, passenderweise am Totensonntag zu Kaffee und Beerdigungskuchen.

Frank Klötgen: "Lebhaft im Abgang", Satyr-Verlag, 192 Seiten; Präsentation am Sonntag, 21. November, 15.30 Uhr, Vereinsheim, Occamstr. 8

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