Fotoserie "Pandemiclife":Die wilden Seiten der Langeweile

Lesezeit: 3 min

Nicole Giesa begeistert mit "Pandemiclife - Living On The Edge" das Netz. Erstaunliche Zufälle und Fügungen haben ihre Projekte von Anfang an begleitet

Von Evelyn Vogel

Es war am 4. 4. 2021, Ostersonntag, da tauchte Tamara zum ersten Mal auf. In Flamingopuschen und quietschbunter Kittelschürze, mit Lockenwicklern, Haarnetz und Sonnenbrille auf dem Kopf stand sie mit ihrem Bügelbrett am Pool, in dem ein aufblasbarer Flamingo schwamm. Daneben eine Wäschespinne mit hautfarbenen Strumpfhosen. Das Bild unter dem Hashtag "Pandemiclife" war herrlich lustig, setzte Ton und Ausstattung und verschaffte Nicole Giesa auf ihrem Account Gizaletta auf Instagram gleich etliche Likes.

Der Hammer kam dann ein paar Tage später: Tamara Kölbl, die eine Freundin von Nicole Giesa ist, stand wieder in derselben Aufmachung mit ihrem Bügelbrett, auf dessen Rücken nun der Schriftzug "It's My Life" zu lesen war, an der Eisbachwelle. Gelangweilt aus der Wäsche guckend, als ob es nichts Alltäglicheres geben würde. Fortan war für die Follower das Brett nicht länger Bügel- sondern Surfbrett, und alle warteten, wo es als nächstes auftauchen würde.

Nicole Giesa. (Foto: Privat)

Das tat es in der Folge auch immer häufiger: inmitten einer Brache im Werksviertel, neben einem Sprungturm am Ammersee, beim "Tatort"-Gucken in München und an anderen Orten. Mittlerweile hat Nicole Giesa weitere Protagonisten in ihre Serie "Pandemiclife - Living On The Edge" eingeführt. Unter anderem stellt die Filmproduzentin Nina Maag eine Glamour-Frau dar, die - ebenfalls mit Lockenwicklern und Flamingopuschen, aber im seidenglänzenden Luxushemdchen - sich in einem kleinen Häuschen auf dem oberbayerischen Land zu langweilen scheint.

Bekannt geworden war Nicole Giesa bei ihrer Fangemeinde durch die vorherigen Fotoserien "Lost But Found in Muc" und "Wanderlampe Wanda". Giesa vertritt mit ihrer PR-Agentur prominente Künstler wie Pasquale Aleardi, Dennis Gansel, Rick Kavanian, Wotan Wilke Möhring, Sebastian Ströbel und Franziska Weisz und war um den Jahreswechsel 2019/2020 von Berlin nach München gezogen. Neu in der Stadt zog sie im ersten Lockdown, am 4. 4. 2020, los und fotografierte das scheinbar in Agonie versunkene und um seine Lebenslust ringende München. Zunächst mit dem Mobiltelefon, dann mit einer Kamera von Möhring, die sie am 24. 4. 2020 zum ersten Mal in Händen hielt. Seit 24. 12. 2020 - die Zahl 4 scheint ihr Glück zu bringen - besitzt sie eine Fuji Mittelformatkamera. Ihr Kommentar dazu: "Sachen gibt's ..." Die oft überraschende Einblicke zeigende Fotoserie war dann im ersten Pandemiesommer in einer Ausstellung im Hofgarten zu sehen.

Im nächsten Lockdown entstand die Idee zur "Wanderlampe Wanda" und startet wieder mit einer Vier voraus: am 4. 11. 2020. Giesa ließ die rot beschirmte Tischleuchte monatelang in leeren, weil zwangsweise geschlossenen Kulturstätten und Clubs, in Freizeiteinrichtungen und Restaurants, auf und unter der Erde und auch bei der Süddeutschen Zeitung leuchten. Sogar ganz hoch hinaus schaffte es "Wanda" - auf die Zugspitze. Ein eigens für sie komponiertes Motiv hat einige ihrer digitalen Filmauftritte begleitet und mittlerweile hat "Wanda" auch eine eigene Homepage.

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(Foto: Nicole Giesa)

Tamara Kölbl mit quietschbunter Kittelschürze, mit Lockenwicklern, Haarnetz und Sonnenbrille.

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(Foto: Nicole Giesa)

Der Flamingo darf auch nicht fehlen.

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(Foto: Nicole Giesa)

Gebügelt wird auch am Pool.

Angesprochen auf ihren Erfolg als Fotografin staunt Giesa immer noch: "Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass es Menschen gibt, die sich meine Bilder zu Hause an die Wand hängen - ich hätte es nicht geglaubt. Das ist ein großes Geschenk." Und dass selbst international renommierte Stars ihr auf Instagram folgen, tut sie eher ab: "Die Namen sind mir ehrlich gesagt überhaupt nicht wichtig. Viel schöner finde ich die Kommentare, und dass es Menschen gibt, die Freude an den Fotos haben."

Die Idee zu "Pandemiclife - Living On The Edge", sei ihr schon ein Dreivierteljahr lang im Kopf herumgespukt. Auch dass Tamara Kölbl die Protagonistin sein sollte, denn niemand könne "so wunderbar belanglos, desinteressiert und gelangweilt aus der Wäsche schauen wie sie", lacht Giesa. Sorgen, dass man sie für ihre Gaga-Idee auslachen würde, schob sie irgendwann beiseite und legte los - am 4. 4. 2021. Diesen Zufall mit den vielen Vieren findet Nicole Giesa, wenn sie drüber nachdenkt, fast noch schräger als die ganze Idee. Über die sagt sie jetzt: "Es freut mich riesig, dass mein schräger Humor offenbar von dem Einen oder Anderen geteilt wird in dieser bizarren Zeit." Übrigens: Dass dieser Bericht an einem 24. 4. erscheint, ist reiner Zufall.

Mehr dazu unter www.pandemiclife.art und www.wanderlampe-wanda.de sowie auf Instagram unter @gizaletta, @wanderlampe_wanda und @lost_but_found_in_muc

© SZ vom 24.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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