Fotografie:Von Paul McCartney bis Roy Black - er kennt sie alle

Fotografie: Um zu verstehen, welche Rolle der Fotograf Didi Zill in der Branche gespielt hat, muss man nur ansehen, wen er alles fotografiert hat.

Um zu verstehen, welche Rolle der Fotograf Didi Zill in der Branche gespielt hat, muss man nur ansehen, wen er alles fotografiert hat.

(Foto: Catherina Hess)

Didi Zill hat sein Leben lang berühmte Musiker fotografiert, sehr gute und weniger gute. Sein vielleicht bestes Bild hat er aber nie veröffentlicht.

Von Gerhard Fischer

Didi Zill spricht erst mal über Neil Diamond, den er Neil nennen darf. Zill redet über Diamonds Konzert bei einer Wahlparty der US-Demokraten 1972 in Rockville, Maryland. Die Familie Shriver, eng verknüpft mit den Kennedys, hatte eingeladen. Zill, der mit Diamond befreundet war, hatte vom Secret Service einen Ausweis bekommen, mit dem er "überall auf dem Landsitz" fotografieren konnte.

Zill machte das spektakulärste Foto dieser Wahlparty. Die Gastgeberin, Frau Shriver, deren Vornamen Zill vergessen hat, erbat von Neil Diamond ein Lied; und Ethel Kennedy wünschte sich auch eins. Der Musiker begann mit dem Song für Shriver, und Ethel Kennedy war darüber so erbost, dass sie Diamond einen Becher Bier über den Kopf kippte. Er habe die Szene zwar fotografiert, sagt Zill, aber das Bild nie veröffentlicht. "Aus Anstand."

Didi Zill, 74, hat sein Leben lang berühmte Musiker fotografiert, sehr gute und weniger gute, von Tina Turner bis Rex Gildo. Um wirklich zu verstehen, welche Rolle Zill in der Branche gespielt hat, muss man vielleicht noch ein paar Musiker und Gruppen aufzählen, von denen er Bilder gemacht hat: Jethro Tull, Pink Floyd, Ringo Starr, Paul McCartney, Queen, Peter Fonda, Bellamy Brothers, Depeche Mode, John Mayall, Duran Duran, Boy George, Culture Club, Chris Roberts, Roy Black, Roland Kaiser, Bernd Clüver, Peter Maffay, Udo Jürgens, David Hasselhoff, Nena, Nina Hagen, Modern Talking, Kraftwerk. Er habe sie oft auch zu Hause fotografiert, erzählt Zill. "Ich habe immer gesagt: Auf der eigenen Couch hast du einen anderen Gesichtsausdruck als auf der Couch im Hotel."

Mit Chris Roberts und Roy Black hat er mal Silvester gefeiert. "Es war eines meiner schönsten Silvester", sagt Zill. "Roy Black hat so viele Witze erzählt, dass er fast nicht bemerkte, als es 12 Uhr wurde."

Didi Zill ist schlagfertig, er beschäftigt sich mit Musik, er trägt immer noch halblange Haare, und vielleicht denkt man deshalb, der Typ müsse lässig sein; der müsse doch eine ironische Distanz zu den Dingen haben. Aber so ist es nicht. Er ist schon auch eitel. Da ist die Sache mit "We are the world". Didi Zill hat Fotos für diese Platte gemacht, die zu den berühmtesten der Welt gehört. Aber sein Name wurde nicht erwähnt. "300 Leute stehen da drin, aber ich nicht", sagt er, "das ist meine größte Niederlage." Meint er das ernst? "Da war ich sauer", bekräftigt er, "richtig sauer." Er meint es ernst.

Didi Zill, der aus Berlin stammt, hat selbst einmal als Musiker angefangen, als Sänger und Gitarrist der Band Didi & his ABC Boys. Sie wurden "die deutschen Beatles" genannt und spielten als Vorband bei berühmten Gruppen, etwa bei den Rolling Stones. "In einer AZ-Kritik hieß es, wir seien die beste Band des Abends gewesen", sagt Zill. Er grinst. Natürlich hat er das selbst nicht geglaubt, jugendlicher Größenwahn hin oder her.

Ende der Sechzigerjahre löste sich die Band auf, und Zill ging als Discjockey nach Garmisch-Partenkirchen. Eines Tages kam ein Mann der Zeitschrift Bravo vorbei. "Ihr von der Bravo habt ja keine Ahnung", sagte Zill damals. Er lässt offen, ob es eine Frotzelei war oder eine ernsthafte Aussage, vielleicht war es eine Mischung von beiden. Er habe dagegen Ahnung, sagte Zill zu dem Mann; er sei zum Beispiel mit den Stones unterwegs gewesen.

Zwei Wochen später rief der Bravo-Mann in Garmisch an: Ob er, Zill, nicht in der Fotoredaktion anfangen wolle. Didi Zill hat dort erst mal Bilder sortiert und bestellt. "Und ich habe gesehen, dass die Fotografen viel reisten und viel verdienten", erzählt er. Das wollte er auch.

Wie Zill sich das Fotografieren beibrachte

Fotografie: Mick Jagger und Nina Hagen sind zwei der unzähligen Musiker, die Zill fotografiert hat.

Mick Jagger und Nina Hagen sind zwei der unzähligen Musiker, die Zill fotografiert hat.

(Foto: Catherina Hess)

Zill, der zuvor nichts mit Fotografie zu tun hatte, kaufte sich eine Kamera und machte ein paar Testfotos für die Bravo; mal knipste er einen Orang Utan, mal den britischen Musiker Peter Sarstedt, der nach München gekommen war. Ein Fotograf gab ihm ein einziges Mal einen technischen Tipp, ansonsten war Didi Zill Autodidakt. "Ich kann bis heute nicht begreifen, welches Selbstbewusstsein ich da hatte", sagt Zill. Er war halt jung, um die 30, und die Zeiten boten fast unbegrenzte Möglichkeiten.

Schon im Dezember 1969 machte der Bravo-Fotograf Didi Zill die erste USA-Reise. Zunächst traf er Sonny Bono und dessen Frau Cher in Beverly Hills, kurz: das Duo Sonny and Cher. "Ich war wahnsinnig nervös", erzählt Zill, "aber die waren ganz cool, und sie haben mich nett behandelt." Als er ihnen sagte, dass er am nächsten Tag zur Band Creedance Clearwater Revival gehen würde, meinte Sonny: Oh, that's my favourite group.

"In den Augen von Sonny war ich da gleich drei Klassen höher eingestuft", sagt Zill. Mit den Musikern von CCR war er später gut befreundet, sagt er. "Ihr Drummer, Doug Clifford, hat mich vergangenes Jahr angerufen, weil er ein Foto für eine Ausstellung in Houston brauchte." Er sei der Fotograf, der die meisten Fotos von Creedance Clearwater Revival gemacht habe, sagt Zill. Er steht auf und holt Bilder, Bildbände und CDs von CCR aus dem Regal in seiner Wohnung in Unterföhring. "All time greatest hits", solche Sachen.

Es ist witzig, wie Didi Zill Englisch redet. Neil Diamond spricht er nicht "Daiamond" aus, sondern "Diamond". Zill verbringt mittlerweile einige Monate des Jahres in den USA. In Florida geht er zum Beispiel mit dem Musikproduzenten Frank Farian Golf spielen. Als er neulich aus den USA zurückkehrte, freute er sich auf ein bayerisches Brot. Also biss er am Tag nach seiner Ankunft herzhaft in ein Leberwurstbrot - und machte damit seine Brücke kaputt. "Ich habe jetzt drei Zahnarzttermine", sagt er. Aber er jammert nicht. Er sagt es und lacht - über seinen Heißhunger und über den Zeitpunkt des Missgeschicks: gleich nach seiner Rückkehr. Dass er darüber lacht, sagt viel über ihn aus.

Didi Zill legt die CCR-Sachen auf den Tisch und holt noch ein paar Platten, für die er das Cover gemacht hat; Platten von Boney M., mit denen er nach Indonesien, Thailand und Hongkong gereist ist, oder Deep Purple, die er auf Mallorca und in New York fotografiert hat. Man fühlt sich in die Achtzigerjahre zurückversetzt, in denen Menschen noch Platten in ihren Regalen hatten; als man beim Besuch guckte, wer was hat. Genauso wie man schaute, welche Bücher einer im Regal hat.

Didi Zill blieb fast 20 Jahre bei der Bravo, dann machte er sich selbständig. Er fotografierte, komponierte, produzierte Platten und sang, etwa bei Dieter Thomas Hecks Hitparade und Ilja Richters Disco. Aber in Erinnerung blieb er doch als Fotograf.

Der 74-Jährige ist nach wie vor gefragt. Er hält Vorträge, und wenn Fernsehsender Dokus über Queen, Tina Turner, die Rolling Stones oder Deep Purple machen, fragen sie Zill. Er erzählt dann vor der Kamera Geschichten zu seinen Bildern, die da gezeigt werden. Fotos macht er heute keine mehr. Keine Lust mehr? "Ich hatte eigentlich nie Lust dazu", sagt er. "Ich bin nie ständig mit der Kamera rumgelaufen." Er macht eine Pause. Man wartet auf eine Fortsetzung, auf eine Erklärung, was ihm das Ganze dann gebracht habe. "Ich bin um die Welt gereist, habe Musiker getroffen und konnte mitreden", sagt er, "das hat mir am meisten Spaß gemacht."

Dann denkt er noch einmal darüber nach. Doch, sagt er schließlich, er habe schon ganz gerne fotografiert, aber bloß beruflich. Privat nicht.

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