Süddeutsche Zeitung

Schwanthalerhöhe:Ein Einkaufszentrum, das einfach nicht fertig wird

Lesezeit: 3 min

Von Sebastian Krass, München

Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, dann hätte die Schwanthalerhöhe jetzt ein richtiges großes Einkaufszentrum, mit mehr als 100 Geschäften. Ein Zentrum zwar, das viele Anwohner skeptisch sehen, etwa wegen der Dominanz von Filialen großer Ketten. Aber wenn es so ein Zentrum in Fußdistanz gibt, dann gehen viele ja doch hin. Doch der Plan ist mit einem Knall geplatzt: die eigentlich geplante Eröffnung am 21. März wurde gut eine Woche vorher wegen technischer Mängel am Bau abgeblasen.

Jetzt hoffen die Betreiber des "Forum Schwanthalerhöhe", so der offizielle Name des Zentrums, dass zumindest der nächste Plan aufgeht und sie am 6. Juni aufsperren können. Allein, sicher sind sie nicht. "Wir hätten das neue Datum nicht kommuniziert, wenn wir nicht eine echte Chance sehen würden, dass es klappt", sagt Harald Ortner, Geschäftsführer der Hamburger Immobilienfirma HBB, der der größere Teil des Einkaufszentrums gehört. "Aber in letzter Instanz ist es notwendig, dass der Generalunternehmer Züblin alles erledigt, was er versprochen hat."

Ortner drückt sich bewusst diplomatisch aus. Aber aus HBB-Sicht ist klar, dass man selbst keine Schuld an der Verschiebung trägt, sondern allein die Firma Züblin. Aus Pressemitteilungen zur Verschiebung ist herauszulesen, dass auf dieser großen Baustelle viel schiefgelaufen ist und dass es deswegen gewaltigen Ärger gibt, der über die Eröffnung hinaus andauern dürfte.

Das Einkaufszentrum entsteht in dem großen Wohn- und Handelskomplex oberhalb der Theresienwiese, der in den Siebzigerjahren nach Plänen des Architekten Ernst Maria Lang entstanden ist. Die Handelsflächen lagen weitgehend brach, seit 2013 das Möbelhaus XXXLutz und zwei Jahre später der Spielzeughändler Toys'r'us ausgezogen waren. Den Gebäudeteil, in dem das Möbelhaus war, kaufte die HBB, der andere Teil ist seit jeher im Besitz der Bayerischen Hausbau. Auf Drängen der Stadt entwickelten die Unternehmen das Konzept für ein gemeinsames, komplett neu gestaltetes und vor allem viel einladenderes Einkaufszentrum. Der Hausbau-Teil ist seit vergangenem Herbst in Betrieb. Die HBB wollte ursprünglich auch zum Weihnachtsgeschäft aufsperren. Den Termin hatte das Unternehmen aber zeitig geknickt und auf den März gesetzt.

Der HBB als Ladenvermieter entsteht durch die Verzögerungen ein Schaden in "mindestens siebenstelliger Höhe", wie Ortner sagt. Alle Mieter, von Großen wie Lidl und dem Sportausrüster Decathlon über Mittelgroße wie Vinzenz Murr bis zu kleinen inhabergeführten Geschäften, hatten mit der Eröffnung am 21. März kalkuliert, sie hatten Leute eingestellt, Ware eingeräumt, die Mietverträge ihrer alten Ladengeschäfte gekündigt. Nun geht Tag für Tag Umsatz verloren, sie werden Kompensation fordern.

Auf der Schwanthalerhöhe machen Gerüchte die Runde, Lidl habe wegen der Absage der Eröffnung Lebensmittel im Wert von 25 000 Euro wegschmeißen müssen, und auch bei Vinzenz Murr seien sie stinksauer. Lidl macht zu seinem Schaden keine Angaben, sondern gibt nur allgemeine Informationen, etwa, dass in der Filiale 30 Mitarbeiter tätig sein werden. Vinzenz Murr äußert sich gar nicht. Decathlon erklärt, die 1400 Quadratmeter große Filiale sei komplett eingerichtet gewesen, und das Personal sei bereit gewesen, "die Türen zu öffnen". Nun mache man sich bereit für den neuen Termin. "Bezüglich des entstandenen Schadens ist Decathlon zum aktuellen Zeitpunkt mit dem Eigentümer in Gesprächen", schreibt eine Sprecherin.

Der Immobilienfirma HBB ist die ganze Sache peinlich. "Es haben sich leider alle auf die Eröffnung eingestellt, dann mussten sicher auch verderbliche Sachen entfernt werden", sagt Geschäftsführer Ortner. "Wir versuchen, Schadensminimierung zu betreiben. Gerade mit den Kleinen führen wir Gespräche, uns ist ganz wichtig, dass keiner auf der Strecke bleibt." All das wird dauern, und die HBB wird auch versuchen, sich das Geld von Züblin zurückzuholen.

Aber was ist da eigentlich schief gelaufen? Zur Absage der Eröffnung schrieb die HBB, bei Testläufen zwei Wochen davor seien "völlig unerwartet diverse Fehlfunktionen der installierten Technik" aufgetreten. Fragt man Ortner, was das heißt, dann erläutert er, für den Betrieb eines solchen Zentrums müssten verschiedene technische Einrichtungen zusammenlaufen, damit etwa Lüftung und Brandschutz funktionieren. Letztlich habe es an "allen möglichen Sachen gehapert, wir hätten keine Freigabe gekriegt", sagt er.

Inzwischen gab es eine weitere Mitteilung mit der Verkündung des neuen Termins. Darin zählt die HBB Versäumnisse von Züblin auf: Die Baufirma habe erkannt, "dass die Baustelle personell aufgestockt und anders geführt werden muss, um die diversen Sicherheitsmängel sowie weitere Restarbeiten rechtzeitig zu erledigen". Ein Züblin-Vorstand wird mit den Worten zitiert: "Wir bedauern die Verschiebung sehr und wollen alle Beteiligten nicht noch einmal enttäuschen." Es sind ganz schön zerknirschte Töne von einem der größten deutschen Bauunternehmen, das in seiner Bilanz für das Jahr 2017 erbrachte Leistungen im Wert von 3,8 Milliarden Euro aufführt. Wie es zu der Malaise kam und welcher Schaden bei Züblin hängen bleiben könnte, dazu macht das Unternehmen keine Angaben. Presseanfragen zum "Forum Schwanthalerhöhe" beantworte nur die HBB.

Wenn es jetzt hinhaut mit dem nächsten Termin, dann soll es natürlich "eine Eröffnungsveranstaltung geben", wie Harald Ortner sagt. Zum geplanten Programm aber will er lieber noch nichts sagen.

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SZ vom 04.04.2019
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