Forstenried:Erste Schritte in die Selbständigkeit

Die Arbeiterwohlfahrt eröffnet an der Herterichstraße ein Wohnprojekt für junge Flüchtlinge, die sich in Ausbildung befinden

Von Jürgen Wolfram, Forstenried

Herterichstraße 156. Das war mal eine Chiffre für heftige Kontroversen über die baurechtslimitierende Wirkung regionaler Grünzüge. Die Auseinandersetzung kulminierte damals in einer Unterschriftensammlung, die den halben Stadtteil Forstenried aufwühlte. Beim Tag der offenen Tür mit Eröffnungsfest für die neue "Junges Wohnen"-Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) mit obiger Adresse war von Zweifeln nicht mehr viel zu hören. Längst gut in Schuss präsentiert sich die einst umstrittene Anlage mit ihren 42 Einzelappartements für junge Menschen mit Migrationshintergrund, die sich in Ausbildung befinden oder Schulen besuchen. Die Unterkunft ist bereits zu 80 Prozent mit Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren belegt. Diese haben schon "Jugendhilfemaßnahmen" hinter sich und streben nach Auskunft von Einrichtungsleiter Niko Kaesler durchweg Berufe an, in denen Nachwuchs dringend erwünscht sei.

Forstenried: "Eine tolle Einrichtung": Diese Einschätzung von Frank Holzkämper (rechts) dürfte auch Niko Kaesler teilen.

"Eine tolle Einrichtung": Diese Einschätzung von Frank Holzkämper (rechts) dürfte auch Niko Kaesler teilen.

(Foto: Catherina Hess)

"Die Awo ist den richtigen Weg gegangen, wir brauchen solche Wohnplätze für Menschen, die die Mieten auf dem freien Markt nicht zahlen können", sagte Stadträtin Verena Dietl (SPD); sie vertrat bei der Eröffnung den Oberbürgermeister. Dietl sieht die Einrichtung mit den "schönen Zimmern" inzwischen "im Einklang mit der Nachbarschaft". Für 30 Jahre in Erbpacht übernommen hat sie der Awo-Kreisverband von einer städtischen Stiftung. Aus der Befristung wird nach Angaben des Geschäftsführers der Awo München, Christoph Frey, ersichtlich, dass es sich nicht um eine Dauerlösung handle und letztlich Rücksicht auf den Grünzug genommen werde. Die knapp 3,1 Millionen Euro teure Unterkunft für junge Flüchtlinge nannte Frey "gut ausgestattet und ökologisch nachhaltig". Was das heißt, präzisierte Architekt Florian Uhl (M13 Architekten): vor allem geringen Energieverbrauch dank Blockheizkraftwerk. Und wenn die Stadtwerke München endlich Stromzähler einbauen würden, könne man den Dieselgenerator abschalten, der gegenwärtig die Anwohner noch nervt.

Forstenried: Kaesler ist der Leiter der Awo-Einrichtung, die bereits zu 80 Prozent belegt ist.

Kaesler ist der Leiter der Awo-Einrichtung, die bereits zu 80 Prozent belegt ist.

(Foto: Catherina Hess)

Errichtet worden ist die zweistöckige, weitgehend eingegrünte Anlage in Holzständerbauweise. Dass man vom Holz relativ wenig sieht, sei Feuerschutzauflagen geschuldet, erläuterte Architekt Uhl bei einer Führung. Dennoch präsentiere sich hinter einem älteren Bestandsgebäude an der Herterichstraße 156 nun "eine tolle Einrichtung", wie Frank Holzkämper, Leiter des Jugendhilfereferats, befand. Neben den 18-Quadratmeter-Appartements mit Nasszelle (die barrierefreien Zimmer haben 24 Quadratmeter) gehören auch ein Bürotrakt für bis zu sieben Betreuungskräfte sowie vier Funktionsräume, unter anderem für Gemeinschaftsaktionen, zur Wohnanlage. Fertiggestellt wurde das Gebäude nach gut einjähriger Bauzeit.

Von einer Art Pforte aus, die stets 20 bis 24 Uhr besetzt ist, wollen die Sozialpädagogen der Awo den Überblick über das Kommen und Gehen behalten. "Kontrolle muss sein, aber natürlich ist das hier kein Hochsicherheitstrakt", betont Holzkämper. Was den Umgang miteinander erleichtern dürfte: Die meisten jungen Bewohner der Einrichtung in Forstenried sind schon so lange im Land, dass sie passabel deutsch sprechen. Die Verkehrsanbindung der Appartementanlage hält man bei der Awo dank der Buslinien 132 und 134 für hinreichend gut. "Klar, wer seine Ausbildung in Forstenried oder Solln absolviert, hat Glück gehabt. Wer zu diesem Zweck in den Norden der Stadt muss, lernt nebenbei das Pendeln", so Holzkämper. In jedem Fall müssen die Bewohner 75 Prozent ihrer Ausbildungsvergütung an die Awo-Betreibergesellschaft abführen. Das relativiert dann doch den Eindruck einer Gratis-Unterbringung nach hotelähnlichem Standard, den die Besucher des Tages der offenen Tür gewonnen haben könnten.

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