Forschungsprojekt über Kiffer:"Der Staatsanwalt hält sich raus"

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Die Uni Würzburg sucht für ein Forschungsprojekt Drogenkonsumenten - und wendet sich an die Münchner. Leben hier die härteren Kiffer?

Martin Thurau

Stoff nehmen - und Stoff geben: Es sind schon manchmal merkwürdige Zusammenhänge, die zum Gegenstand der Forschung werden, auf einen allerersten Blick zumindest. Wissenschaftler der Universität Würzburg untersuchen das Fahrverhalten von Drogenkonsumenten. Und jetzt suchen sie ausgerechnet noch in München regelmäßige Kiffer für ihre Untersuchung. Warum, erklärt Studienmitarbeiterin Martina Walter vom Würzburger Interdisziplinären Zentrum für Verkehrswissenschaft.

"Wie fühlen sie sich dabei?": Martina Walter vom Würzburger Interdisziplinären Zentrum für Verkehrswissenschaft. (Foto: Foto: oh)

SZ: Hat München die härteren Kiffer oder die härteren Verkehrsbedingungen?

Martina Walter: Wir gehen nach München, weil dort die Notwendigkeit zu fahren eine andere ist als in einer kleineren Stadt wie Würzburg oder im Umland in Unterfranken, woher unsere Teilnehmer bisher kamen. Dort fahren die Leute mehr, weil das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel weit weniger dicht ist als in München.

SZ: Sie suchen also nicht nach dem Erbe der Kommunarden Langhans und Co?

Walter: Nein, es ist weniger der Drogenkonsum in München, der sich von dem in Würzburg unterscheidet, sondern eher das Fahrverhalten.

SZ: Was erzählen Ihnen die Cannabis-Raucher?

Walter: Wir fragen Sie zunächst nach ihrer Vorgeschichte, nach dem Drogenkonsum und Problemen damit, nach ihrem Fahrverhalten, nach Unfällen. In den vier Wochen, in denen wir die Befragung aktuell laufen lassen, sollen die Probanden uns ihre Tagesstruktur über einen mobilen Kleincomputer grob skizzieren. Wann nehmen sie welche Substanzen? Wann fahren sie welche Strecken? Wie fühlen sie sich dabei?

SZ: Was ist das Ziel der Studie?

Walter: Unsere Untersuchung gliedert sich ein in ein großes EU-finanziertes Projekt namens "Druid" (Driving under the influence of drugs, alcohol and medicines). Beteiligt daran sind mehr als 30 Institute aus 19 EU-Ländern. Unsere Aufgabe ist es, eine Aussage darüber zu machen, wie häufig Fahrten unter dem Einfluss von psychoaktiven Substanzen vorkommen.

SZ: Sind Drogenfahrten häufig?

Kommunardin Uschi Obermaier war praktizierende Konsumentin. (Foto: Foto: SZ-Archiv)

Walter: Wir haben die Würzburger Daten bislang noch nicht ausgewertet. Aber wir haben unsere Arbeitshypothesen.

SZ: Und die lauten wie?

Walter: Es gibt sicher ein paar Ausnahmen, die Hardcore-Konsumenten sozusagen, die sich unter schwerem Drogeneinfluss noch ans Steuer setzen. Doch der Großteil, so glauben wir, geht einigermaßen verantwortungsbewusst damit um.

SZ: In der Medizin ist Compliance, das Befolgen der Studienregeln, ein großes Wort. Bleiben die Konsumenten bei der Stange?

Walter: Das war anfangs auch unsere Frage. Aber sie tun es. Offenbar gelingt es uns, in zwei vorbereitenden Gesprächen einen guten Kontakt aufzubauen. Außerdem bekommen die Teilnehmer eine Aufwandsentschädigung von bis zu 300 Euro. Für viele aber ist auch Motivation, die Null-Toleranz im Verkehrsrecht als ungerecht herauszustellen.

SZ: Auch wenn die Teilnehmer zugedröhnt die Leopoldstraße rauf und runter rasen, solange sie nicht in eine Polizeikontrolle geraten, haben sie nichts zu befürchten?

Walter: Von uns nicht. Wir anonymisieren die Daten, und ohnehin sind wir zum Schweigen verpflichtet. Auch die zuständigen Staatsanwaltschaften haben erklärt, nicht auf die Daten zuzugreifen.

© SZ vom 11.09.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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