Forschungsprojekt:Romy fühlt der Erde den Puls

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Eine große Laseranlage nahe Fürstenfeldbruck soll neue Erkenntnisse über Erdbeben und Geothermie liefern

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Romy musste ganz tief in Boden. Etwa ein Jahr hat es gedauert, bis alles fertig war, draußen auf dem Feld kurz vor den Toren von Fürstenfeldbruck. Jetzt sind nur noch ein paar Einstiegsluken zu erkennen, obwohl Romy so groß ist wie ein dreistöckiges Haus. In 15 Metern Tiefe soll Romy nun Einzigartiges vollbringen. Denn Romy steht für "Rotational Motions in Seismology" und ist ein weltweit einzigartiger Ringlaser. Geowissenschaftler der Münchner Universitäten sollen damit die Rotationsbewegungen der Erde weit genauer und detaillierter vermessen als bislang möglich.

Mit der Anlage, die neben dem Geophysikalischen Observatorium der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) installiert wurde, könnten Erkenntnisse gewonnen werden, die langfristig beim Bau erdbebensicherer Hochhäuser, im Bereich der Geothermie oder bei der Vorhersage von Vulkanausbrüchen helfen. Das Wissenschaftsmagazin Science würdigte die 2,5 Millionen Euro teure Anlage als "weltweit raffiniertestes Gerät" seiner Art. Entsprechend stolz ist der wissenschaftliche Leiter Heiner Igel, 53. Für ihn ging ein großer Traum in Erfüllung, ebenso wie für seinen Kollegen Joachim Wassermann und Ulrich Schreiber von der Technischen Universität München. Die Wissenschaftler stellten die Referenzanlage jüngst bei einer Feierstunde im Kloster Fürstenfeld offiziell vor. Romy soll in ein paar Wochen den Regelbetrieb aufnehmen. Sie besteht aus vier exakt gleich großen Dreiecken mit je einem Ringlaser, die zu einem Tetraeder zusammengefügt wurden. An den Kanten wird der rote Laserstrahl in Metallröhren mit Lichtgeschwindigkeit auf die Reise geschickt und mit Spiegeln umgelenkt. Auf diese Weise lassen sich nicht nur minimale Bewegungen in horizontaler oder vertikaler Richtung messen, sondern auch Drehungen und Neigungen sowie kurzfristige Veränderungen in der Erdrotation. Das Grundprinzip hat der Physiker Georges Sagnac bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg beschrieben: Schickt man Laserlicht in entgegengesetzter Richtung auf einen Rundkurs, braucht der Strahl, der mit der Erddrehung läuft, geringfügig länger - muss er doch auch eine längere Strecke zurücklegen. Daraus lassen sich Bewegungsmuster errechnen, wie dies bislang bestenfalls mit zusammengeschalteten Radioteleskopen möglich war - die dafür aber viel mehr Zeit benötigen. Gemessen werden die Achse der Erdrotation, die Richtung und die Geschwindigkeit, vor allem aber auch die Änderung im Tagesablauf. Tief im Boden liegt Romy, um etwa störende Vibrationen durch Windkraftanlagen oder Lastwagen, die auf der Bundesstraße 2 unterwegs sind, zu minimieren. In Verbindung mit tragbaren Geräten in der Nähe des jeweiligen Einsatzorts lassen sich in der Folge Erkenntnisse über die Vorgänge bei Erdbeben oder Vulkanausbrüchen gewinnen, die zu besseren Vorhersagen beitragen könnten. Zudem erhoffen sich die Wissenschaftler dreidimensionale und sehr detaillierte Abbildungen des Erdinneren.

Auch Ingenieure knüpfen große Hoffungen an Romy. Solche Daten werden für Navigationsgeräte benötigt, bei Raketenstarts oder auch bei der Konstruktion von Gebäuden in Erdbebenzonen. Es ist also mitnichten die Forschung reiner Theoretiker. Dazu passt die Antwort Igels auf die Frage, warum Romy ausgerechnet am Rande Münchens installiert worden ist. Zum einen ließen sich Erdbebengebiete "mit dem richtigen Dreh" besser aus sicherer Entfernung untersuchen, zum anderen stehe das Geophysikalische Observatorium eben seit Jahren auf der Anhöhe am Fürstenfeldbrucker Stadtrand. Vor allem aber wolle man die empfindliche Anlage "täglich streicheln", sagt der LMU-Professor für Seismologie augenzwinkernd.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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