Forschung:Wenn Science Fiction Wirklichkeit wird

Forschung: Mit seinen Studenten und Doktoranden erfindet Florian Holzapfel unter anderem Navigationssysteme für unbemannte Flugzeuge.

Mit seinen Studenten und Doktoranden erfindet Florian Holzapfel unter anderem Navigationssysteme für unbemannte Flugzeuge.

(Foto: Robert Haas)

Florian Holzapfel glaubt, dass seine Kinder später einmal mit fliegenden Autos reisen werden. Der Luftfahrttechniker der TU München entwickelt Drohnen - vor allem für chinesische Multimilliardäre.

Von Martina Scherf

Zukunftspläne lautet in diesem Jahr das Motto der Wissenschaftstage, und wenn einer an Zukunftsplänen bastelt, die definitiv die Welt verändern, dann ist es Florian Holzapfel. Der Professor entwickelt Fluggeräte für alle Lebenslagen, und er ist überzeugt: Fliegende Autos gehören bald zum Alltag.

Man findet den Ingenieur an seinem Lehrstuhl für Flugsystemdynamik im Forschungszentrum Garching, bei den Maschinenbauern der Technischen Universität München (TUM) - natürlich inmitten lauter kleiner Flugzeuge. "Das sind alles Mitbringsel von Kollegen und Partnern", sagt er und lacht. Im Nebenzimmer stehen zwei Modellflugzeuge, an denen sie die Steuerung für unbemannte Flieger erproben. Die kleinen lassen sie am Institut fliegen, mit größeren Geräten gehen sie raus auf die Wiese oder auf einen Modellflugplatz, und ihr größtes Flugzeug, es wiegt zwei Tonnen und kann autonom starten und landen, steht in Wien.

"Wir sind hier quasi ein permanentes Start-up", sagt Holzapfel und schwärmt von seiner "begeisterungsfähigen Meute", seinen Studenten und Doktoranden, mit denen er es zu tun hat. Holzapfel ist ein fröhlicher Mensch und ein sehr kommunikativer Wissenschaftler. Seinen Schreibtisch hat er zu einem Rondell gebaut, er sitzt mitten drin, wie in einem Cockpit, allerdings einem ziemlich unaufgeräumten. Kein Wunder, der Mann ist ständig in Bewegung: Vorlesung, Labor, Meetings mit Kollegen, Besuche von Industrievertretern und Reisen in alle Welt.

Fliegende Autos, das gehörte noch bis vor Kurzem ins Reich der Science Fiction. Heute sind die ersten in der Luft, und die Einsatzmöglichkeiten reichen vom Spielzeug für Millionäre bis zum Hubschrauber-Ersatz für Polizei, Rettungsdienst und Militär. "Der Markt explodiert gerade", sagt Florian Holzapfel, "es herrscht eine unglaubliche Aufbruchstimmung." Neben den Großen wie Airbus und Boeing sind vor allem viele kleine Firmen ganz vorne dabei.

Die Münchner Firma Lilium, ein Spin-off der TUM, hat den ersten elektrischen Senkrechtstarter entwickelt, der nicht nur schick aussieht, sondern mit 300 Stundenkilometern auch jedes Auto abhängt; angetrieben wird er von 36 kleinen Motoren in den Tragflächen. Investoren haben innerhalb von zwei Jahren schon mehr als 100 Millionen Dollar in die Jungunternehmer investiert. Etliche von Holzapfels ehemaligen Studenten arbeiten inzwischen in der Firma. "Es sind so coole Zeiten wie schon lange nicht mehr", schwärmt der Professor.

Während die Aero-Taxis noch in der Entwicklungsphase stecken, fliegen Drohnen schon durch die Welt. Sie sind beliebte Weihnachtsgeschenke für Hobbypiloten und mittlerweile unentbehrlich für Filmcrews, sie werden aber längst auch kommerziell genutzt. Amazon und die deutsche Post haben den Paketdienst aus der Luft bereits getestet. In Afrika lässt ein Start-up Medikamente in entlegene Gebiete fliegen, in Norwegen bringt ein autonomes Fluggerät einen Defibrillator zu Herzpatienten in der Provinz, samt Fernanleitung durch einen Arzt. Und in Singapur gibt es Restaurants, in denen Drohnen das Essen an den Tisch bringen.

"Es gibt da natürlich eine weite Spanne zwischen sinnvoll und idiotisch übertrieben", sagt Holzapfel, der mehrmals im Jahr in Singapur ist, weil er am dortigen Ableger der TUM unterrichtet. Aber die sinnvollen Projekte überwiegen seiner Ansicht nach bei weitem. Er berichtet von Drohnen, die durch Palmöl-Plantagen auf Malaysia fliegen und Insektenlarven abwerfen, die dann Schädlinge in den Monokulturen bekämpfen sollen. In Japan werden Mini-Drohnen zur Bestäubung von Blumen eingesetzt, weil die Bienen dort ausgestorben sind.

Hochfliegende Solardrohnen sollen Internetverbindungen nach Afrika bringen, "das geht schneller und günstiger, als die Infrastruktur am Boden aufzubauen", sagt Holzapfel, "Google und Facebook wittern darin ein Riesengeschäft".

Der Münchner Ingenieur und sein Team wollen dabei sein, bei diesen Entwicklungen; sie haben vor allem Sicherheits- und Navigationssysteme beizusteuern. Sicherheit ist wohl auch die größte Herausforderung. Als im vergangenen Jahr eine zwei Kilo schwere Drohne gegen den Münchner Fernsehturm prallte und direkt neben einer vierköpfigen Familie aufschlug, wurde klar, welche Gefahren da lauern.

Immer wieder geraten auch Drohnen in die Nähe von Passagierflugzeugen. Holzapfel sieht den Markt aber weniger bei Hobbyfliegern als bei Firmen und Institutionen. In der Logistikbranche etwa, "da geht es nicht um Pizzaboten, sondern um große Lieferketten: Ein Flugzeug bringt Güter aus Asien, und ein Schwarm von Drohnen verteilt sie an Großhändler".

In Deutschland gibt es zu viele Bedenken und Vorschriften

Noch liegen die "gigantischen Märkte" vor allem in Asien. "Deswegen müssen wir dort mitspielen", sagt der Münchner. Jeweils einen Monat im Jahr unterrichtet er an der staatlichen chinesischen Universität Beihang in Peking. Bedenken, sein Wissen einer Diktatur zur Verfügung zu stellen? Hat er nicht, sagt Holzapfel: "Wir geben nicht einfach unser Know-how her, die Chinesen investieren und produzieren ja auch hier bei uns."

In diesem Moment ruft ein chinesischer Unternehmer an; Holzapfel kennt ihn seit vielen Jahren. Der Investor hat in China schon sehr früh Elektroflieger entwickelt, die Firma gehört jetzt seiner Ex-Frau, und nun sucht er nach neuen Herausforderungen: Lasten-Drohnen will er produzieren, Holzapfel soll ihm dabei helfen. Deshalb kündigt er seinen Besuch in Garching für die kommende Woche an. "Sehr viele meiner Auftraggeber sind chinesische Multimilliardäre", sagt Holzapfel.

Seine Forschung wird zum überwiegenden Teil aus Drittmitteln finanziert. Die kommen von öffentlichen Förderprogrammen, vor allem zur Wirtschaftsförderung, aber zu einem Großteil von Industriepartnern, und dabei zu etwa 80 Prozent aus dem Ausland, sagt Holzapfel. Die Deutschen seien für ihre Akribie und ihre Sicherheitskonzepte bekannt, und die Start-up-Szene, die sich gerade im Großraum München entwickelt habe, stoße weltweit auf Interesse, stellt der Ingenieur fest. "Ausländische Firmen investieren hier aktuell mehr als 100 Millionen Euro in die Entwicklung des autonomen Fliegens."

Die Fördergelder der Bundesregierung würden dagegen immer noch vor allem an die Großindustrie gehen, beklagt er: "Airbus bekommt 60 Millionen - nur für eine Studie. Da habe ich den Leuten im Wirtschaftsministerium gesagt: Für dieses Geld stellen wir euch ein komplettes Flugzeug hin."

Deshalb tut er sich lieber mit den Chinesen zusammen. Er habe inzwischen gute Freunde dort, sagt er. Und es spornt ihn an, in dem "heißen Wettbewerb" um Investitionen mitzuspielen. Vor Kurzem ist er nur für einen 20-Minuten-Vortrag nach China geflogen. "Da saßen lauter potente Investoren aus Asien und den USA", sagt er, "und der Einsatz hat sich gelohnt: Als ich wieder hier war, hatte ich innerhalb von zwei Wochen vier High-Level-Meetings" - also Treffen mit Top-Managern.

In Deutschland sei es nun mal nicht möglich, "einen großen Wurf zu machen". Zu viele Bedenken, zu viele Vorschriften. Eine Drohne darf man hier zum Beispiel nicht aus dem Sichtbereich des Piloten hinausfliegen lassen. In einem Riesenland wie China gibt es so viel Platz, da spielen solche Gedanken keine große Rolle. "Der Fortschrittsglaube ist dort halt noch nicht gebremst, da wird einfach investiert."

Flugzeuge haben den gebürtigen Dachauer von klein an fasziniert. "Meine Eltern haben das nicht gefördert, ich musste fünf Jahre lang betteln, damit ich den Segelflugschein machen durfte", erzählt er. Den Motorflugschein hatte er dann noch vor dem Autoführerschein, und selbstverständlich hat er an der TUM Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Mehrere Jahre arbeitete er in der Industrie, bevor er 2007 den Ruf auf den Lehrstuhl für Flugsystemdynamik annahm.

Seine Fluglizenz hat er inzwischen zurückgegeben; es fehlt die Zeit zum Fliegen. "Meine größte Leidenschaft sind jetzt meine beiden kleinen Kinder. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal so sehen würde", sagt er. Wenn die beiden erwachsen sind, in 15 oder 20 Jahren, dann, so stellt er sich vor, werden sie mit wasserstoffbetriebenen Fliegern in zwei Stunden nach Amerika reisen. Und wenn sie ein Lufttaxi brauchen, werden sie sich eines per App bestellen.

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