Forschung:Dieser Mann kann sogar Viren aus dem Wasser filtern

Forschung: Prof. Jörg E. Drewes gilt als der Wassermann in der bayerischen Forschungslandschaft.

Prof. Jörg E. Drewes gilt als der Wassermann in der bayerischen Forschungslandschaft.

(Foto: Robert Haas)

Innerhalb von wenigen Minuten verschwinden mit Jörg E. Drewes' Technik auch Plastik und Medikamente aus dem Trinkwasser. Seine Forschung könnte den Wasserkreislauf weltweit revolutionieren.

Von Thomas Anlauf

Die braune Brühe kann der Professor gut brauchen. Sie riecht streng und sieht etwas eklig aus, aber steht unbegrenzt für seine Forschung zur Verfügung. In direkter Nachbarschaft zu Professor Jörg E. Drewes' Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft an der TU liegt die Garchinger Kläranlage, und was Drewes und seine Kollegen mit dem Abwasser anstellen, wirkt fast wie Zauberei: Ein mit Schläuchen versehener Stahltank in einem Blechschuppen verwandelt die Brühe innerhalb weniger Minuten in nicht nur sauberes, sondern reines Trinkwasser.

Drewes gilt als der Wassermann in der bayerischen Forschungslandschaft. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der 55-jährige Ingenieur mit der Frage, wie man Brauchwasser recyceln kann. Denn Wasser ist äußerst ungleich auf der Welt verteilt. Auch der Klimawandel führt dazu, dass einst wasserreiche Gegenden, die im Einzugsgebiet großer Gebirge wie dem Himalaja liegen, durch die globale Gletscherschmelzen in naheliegender Zukunft zu Notstandsgebieten werden dürften.

In Deutschland gibt es einerseits Gebiete wie Oberbayern, die "mit Oberflächenwasser gesegnet sind", in Teilen Unterfrankens dagegen sieht es schon wieder anders aus. Dort gibt es keine großen Wasserreserven, im Sommer kann es bereits heute zu Engpässen bei der Versorgung kommen.

Hier setzt Drewes mit "Trinkwave" an. Dank des bundesweiten Forschungsprojekts, das von Drewes' Institut in Garching koordiniert wird, kann bereits heute das Berliner Brauchwasser in einem Pilotprojekt gereinigt werden. Und zwar gründlich: Die neue Technologie filtert nicht nur herkömmlichen Schmutz aus dem Wasser, sondern sogar Plastik, medizinische Reststoffe und auch gefährliche Viren. Drewes ist von diesem Prinzip des Wasserrecyclings überzeugt: Einerseits sei die Anlage "Low Tech", andererseits "sehen wir das als Hochleistungssystem".

Jörg E. Drewes, ein groß gewachsener schlanker Mann, sitzt in seinem Büro, hinter ihm ein riesiges Foto einer sich brechenden Ozeanwelle. Das Bild ist Symbol für die unbändige Kraft der Natur. Mit der Kraft der Natur arbeitet Drewes, auch wenn die Helferlein, die Schmutzwasser in kürzester Zeit reinigen können, nur mit dem Mikroskop zu sehen sind. Die neu entwickelte Kläranlage "ist eigentlich ganz banal, es ist aber davor noch keiner darauf gekommen", sagt Drewes.

Im großen Stahltank des Institutsschuppens befindet sich vor allem Quarzsand, dazu aber ein Cocktail aus verschiedenen Mikroorganismen. Die Bakterien, die genau nach ihren Aufgaben ausgewählt werden, filtern das zugefügte Wasser in verschiedenen Stufen. Zunächst geschieht das auf herkömmliche Weise, dann kommt eine Zone mit viel Sauerstoff, die Mikroben verwandeln sich in Superbakterien und zersetzen alles, was sich ihnen in den Weg stellt.

Die Technik leistet viel mehr als normale Kläranlagen

Normale Kläranlagen können nicht ansatzweise das leisten, was in den Labors und mittlerweile auch im Demonstrationsprojekt bei den Berliner Wasserwerken funktioniert. Insbesondere pathogene Keime, aber auch medizinische Rückstände würden in Deutschland zunehmend zum Problem, sagt Drewes. Obwohl man seit dem 19. Jahrhundert Brauchwasser in Kläranlagen säubert, bleiben viele Schadstoffe im Wasser.

Was die Natur an Reinigungsmechanismen für Wasser bereithält, ist bis heute noch nicht einmal vollständig geklärt. Man weiß nur, dass es etwa 50 Tage dauert, bis Oberflächengewässer auf natürliche Weise gereinigt wird. Die Filteranlage mit dem wohl dosierten Bakteriencocktail hingegen schafft eine nahezu vollständige Säuberung in wenigen Minuten.

Forschung: Hightech im Wellblechschuppen: Ein großer Tank (rechts) reinigt Wasser, das aus der nahegelegenen Kläranlage stammt.

Hightech im Wellblechschuppen: Ein großer Tank (rechts) reinigt Wasser, das aus der nahegelegenen Kläranlage stammt.

(Foto: Robert Haas)

Das Verfahren nennt sich Smart 1.0 beziehungsweise Smart plus und wird bislang hinter eine biologische Abwasserreinigungsanlage geschaltet. In einem weiteren Reinigungsschritt kann das Wasser auch noch mit UV-Strahlen behandelt werden.

Das Ergebnis ist so gut, dass Drewes das Wasser bedenkenlos trinken würde. "Wir kriegen quasi pathogenfreies Wasser", sagt er. Dabei entstehe kein Abfall wie bei normalen Filtern, Energie kostet es auch kaum. Die neue Filtermethode ist für ihn deshalb "in der Tat ein Paradigmenwechsel". Gerade auch in Entwicklungsländern könnte das Prinzip problemlos angewendet werden.

Dass Drewes nicht nur in Deutschland als ausgewiesener Experte in Sachen Wasserrecycling gilt, hat natürlich auch mit seiner Biografie zu tun. Der Vater von zwei Töchtern und einem Sohn hat an der TU Berlin Technischen Umweltschutz studiert und promovierte dort im Jahr 1997. Anschließend ging er in die USA, wo er zunächst an der Arizona State University arbeitete und später an der Colorado School of Mines Professor wurde. Auch in Saudi Arabien und in Australien forschte und arbeitete er jeweils ein Jahr lang. 2013 wurde Drewes an die TU München berufen.

Trotzdem muss der Wasserexperte nach wie vor viel reisen, in die USA, nach Spanien, wo immer sein Rat gefragt ist. Im kommenden Jahr, wenn das auf drei Jahre befristete und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung großzügig geförderte Projekt ausläuft, wird er jedoch ein Heimspiel haben. Dann findet in Berlin zum ersten Mal in Deutschland die Internationale Konferenz IWA (International Water Association) statt. Drewes wird den Fachleuten dann sein großes Wasserprojekt vorstellen können. Und er hofft jetzt schon, dass seine Reinigungsanlage eine große Zukunft haben wird: "Ich sage meinen Studenten immer: 'Das wird der Stand der Technik sein, wenn ihr im Berufsleben seid.'"

Über die SZ-Serie "München forscht"

Münchnen wächst und wächst. Die Infrastruktur ist chronisch überlastet, die Mieten steigen ins Unbezahlbare, der Stromverbrauch ist enorm, die Belastungen für Umwelt und Mensch sind es auch.

Doch weil es nicht hilft, nur zu jammern, haben sich Wissenschaftler auch an den Münchner Hochschulen und Forschungseinrichtungen vorgenommen, die Probleme anzugehen und an Lösungen zu arbeiten. Aus unterschiedlichen Perspektiven stellen sie alle letztlich dieselbe Frage: Wie kann das Leben in der Großstadt besser funktionieren?

Die SZ stellt in einer Serie im Lokalteil elf dieser Forschungsprojekte vor. Sie kommen aus unterschiedlichen Disziplinen: Soziologíe, Verkehrsforschung, Fahrzeugbau, Umweltsensorik und weiteren. Eine interdisziplinäre Forschergruppe an der Ludwig-Maximilians-Universität untersucht beispielsweise Konflikte darüber, wie man in einer Großstadt ethisch gut und richtig lebt, und zwar am Beispiel acht internationaler Metropolen, darunter Singapur, Moskau - und München. SZ

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