Bundeswehr-Uni:Wie Forscherinnen Seltene Erden im All finden wollen

Bundeswehr-Uni: In diesem Jahr erhielten Alena Probst (links) und Graciela González Peytaví für ihre Arbeit eine Amelia-Earhart-Fellowship der Organisation Zonta.

In diesem Jahr erhielten Alena Probst (links) und Graciela González Peytaví für ihre Arbeit eine Amelia-Earhart-Fellowship der Organisation Zonta.

(Foto: Claus Schunk)
  • Zwei Wissenschaftlerinnen von der Universität der Bundeswehr wollen unbemannte Raumschiffe zu Asteroiden fliegen lassen.
  • Dort soll die Sonde Seltene Erden finden.
  • Erste Probemissionen könnten schon bald starten - doch vor allem brauchen die beiden jungen Frauen sehr viel Geduld.

Von Jakob Wetzel

Eines Tages soll eine solche Sonde von Asteroid zu Asteroid fliegen, irgendwo im All zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter. Sie soll sich selbständig steuern, und im Gepäck soll sie einen Lande-Roboter haben, der prüfen soll, ob es sich lohnt, auf den Asteroiden nach Rohstoffen zu schürfen. Drei Nuklear-Batterien sollen die Sonde mit Strom versorgen, für Solarzellen wäre das Sonnenlicht zu schwach, die Entfernung zur Sonne zu groß. Und die Maschine soll groß sein wie ein Lieferwagen: vier Meter lang, zweieinhalb Meter breit, drei Tonnen schwer, zumindest auf der Erde. Der Lande-Roboter soll weitere 400 Kilogramm wiegen.

Doch bis es so weit ist, passt die Sonde noch bequem in eine Hand. Bis jetzt existiert sie nur als Modell aus Styropor und Pappe. Ein Student hat sie gebastelt, jetzt steht sie auf einem Schreibtisch in einem Seminarraum der Universität der Bundeswehr in Neubiberg und soll eine Idee davon vermitteln, was Alena Probst und Graciela González Peytaví antreibt. Seit zwei Jahren arbeiten die beiden 28-Jährigen gemeinsam mit Forschern der Universität Bremen daran, unbemannte Raumschiffe zu Asteroiden fliegen zu lassen. Aus der Ruhe bringt sie dabei so schnell nichts.

Probemissionen sind bald denkbar

2035: Dieses Jahr steht als Starttermin in ihren Unterlagen. Aber das sei nicht besser oder schlechter als irgendein anderes Datum, sagt Probst. Bislang gehe es vor allem um eine Machbarkeitsstudie und darum, zu klären, woran noch geforscht werden muss - und darum, gründlich und präzise zu sein, um möglichst keine Schwierigkeit zu übersehen. Und es geht nicht zuletzt um Langmut.

Diese Tugend bringen beide mit. Probst und González empfangen in der Universität, die Stimmung ist aufgeräumt. Sie sprechen von Astronomischen Einheiten, von "Dynamic Isotope Power Systems" und "Potential Target Characterization Modules", und in ihren Augen ist selbst dann Begeisterung zu entdecken, wenn sie erklären müssen, worum es dabei eigentlich geht.

Über reine Science-Fiction geht die Idee bereits hinaus. In den nächsten Jahren seien bereits Probemissionen denkbar, sagt González. Man könne versuchen, einen Asteroiden anzufliegen und auf ihm zu landen, um die eigenen Berechnungen zu testen. Bereits heute mache die Forschung große Schritte nach vorne.

Die Wirtschaft hat die Raumfahrt entdeckt

Zuversichtlich stimmt die beiden nicht zuletzt, dass die Wirtschaft die Raumfahrt für sich entdeckt hat - und mit ihr die Idee, Asteroiden kommerziell zu nutzen. Vor allem in den Vereinigten Staaten sind in den vergangenen Jahren bereits Unternehmen entstanden wie die "Planetary Resources, Inc.", die von Google-Gründer Larry Page, Virgin-Gründer Richard Branson und anderen Milliardären unterstützt wird.

Die Firma nennt sich selbstbewusst "The Asteroid Mining Company". Und erst in diesem Monat billigte der US-Kongress eine "Asteroid Property Rights Bill": ein Gesetz, das US-Firmen Eigentumsrechte an im Weltraum abgebauten Mineralien zuerkennt. Dabei gehe es natürlich auch um Schlagzeilen und Werbung, sagt Probst. Aber in der Wissenschaft würden sie mit ihrem Fachgebiet längst nicht mehr belächelt, sondern ernst genommen.

Ihre Aufgaben haben sie aufgeteilt: Die Kollegen in Bremen etwa forschen unter anderem an künstlicher Intelligenz und an Computersimulationen. Graciela González arbeitet an der Navigation, daran, wie die Sonde ihre eigene Position bestimmen und sich langsam und sicher einem Asteroiden nähern kann - selbständig, denn für Funksignale aus der Erde sind die Felskörper zu weit entfernt. Bei einem drohenden Zusammenstoß käme jeder Impuls zu spät.

Und Alena Probst analysiert die einzelnen Missionsschritte und arbeitet am konkreten Design der Sonde, an der Energieversorgung und daran, dass die Apparate nicht zu schwer sind. Sie müssen ja erst mit Raketen ins All gebracht werden.

Geld und Geduld sind gefragt

Bis dahin ist Know-How gefragt, Geld und vor allem viel Geduld. Da hilft es, dass beide, González und Probst, für ihre Forschung leben. Die Raumfahrtforschung sei vielseitig, international und interdisziplinär, schwärmt Alena Probst. Sie stammt aus Bullay in Rheinland-Pfalz, einer kleinen Gemeinde direkt an der Mosel.

Ihr Blick aber ging früh in die Ferne. Sie habe sich immer schon für die Sterne interessiert, sagt sie. An der Universität Stuttgart studierte sie Luft- und Raumfahrttechnik. Dabei war sie selbst dort eine Exotin. "90 Prozent meiner Kommilitonen wollten in die Luftfahrt", sagt sie. "Das kam für mich nie infrage."

Es gibt die Hoffnung, in Asteroiden Seltene Erden zu finden

Graciela González kommt dagegen aus der Telekommunikationstechnik: Astrophysik sei ihr zu theoretisch gewesen, sagt sie. González stammt aus Teneriffa, im Studium in Madrid beschäftigte sie sich mit Satelliten. Über einen Erasmus-Austausch kam sie an die Technische Universität München. Später arbeitete sie für eineinhalb Jahre an der Europäischen Weltraumorganisation ESA, bis sie diese Forschungsstelle an der Universität der Bundeswehr fand.

Das Projekt faszinierte sie sofort: Sie sollte das tun, was sie konnte, nämlich sich mit Navigation und autonomen Systemen beschäftigen. Aber das alles in einem völlig neuen Zusammenhang. Und man arbeite noch dazu an der Zukunft, erweitere die Perspektiven des Menschen. "Ich würde jetzt nicht mehr wechseln."

Dafür nehmen sie in Kauf, dass sie lange darauf warten müssen, dass ihre Ideen umgesetzt werden. Erst einmal müsse man herausfinden, woraus Asteroiden eigentlich bestehen, sagt Probst. Es gibt die Hoffnung, in Asteroiden Seltene Erden zu finden, also Metalle, die sich auf der Erde schwer gewinnen lassen, aber zum Beispiel für Bildschirme und Akkumulatoren benötigt werden.

Wie viel von diesen Elementen aber tatsächlich in Asteroiden steckt, das weiß niemand genau. Davon abgesehen bestehen Asteroiden zum großen Teil aus Wasser - was allerdings im All durchaus kostbar ist, sei es, um Astronauten zu ernähren, sei es, um durch Elektrolyse Wasserstoff zu gewinnen, also Treibstoff.

Eine Mission würde viel Zeit benötigen

Zwei Jahre würde allein der Hinflug zum Asteroidengürtel dauern. Und vor Ort flögen die Asteroiden dann alles andere als eng beieinander, sagt Probst: Zwar seien immerhin etwa 700 000 Asteroiden katalogisiert, und das seien auch nur die größeren ab etwa 50 Kilometern Durchmesser.

Aber diese Brocken verteilten sich auf einen so großen Bereich, dass eine Sonde eineinhalb bis zwei Jahre brauchen würde, um sparsam von einem Felskörper zum nächsten zu fliegen. Und würde eine Sonde tatsächlich etwas Wertvolles finden, würden noch einmal mehrere Jahre vergehen, bis die Erde und der Asteroid erneut in einer Position zueinander sind, in der man eine Sonde mit Abbau-Werkzeugen ins All schicken könnte.

Und bei alldem müsse man sich mehrfach gegen Ausfälle absichern: Sonst genüge eine Fehlfunktion, und alles war umsonst. Die Sonden müssen auf Schäden reagieren können, sie brauchen jeweils nicht nur einen Plan B, sondern auch einen Plan C, einen Plan D. Was passieren könne, sei schwierig vorherzusagen: Grundsätzlich seien alle beweglichen Teile störungsanfällig. Zumindest komme man ohne Solarpaneele aus, die seien sehr empfindlich.

Die Navigationssysteme kann man auch für andere Dinge brauchen

Immerhin: Ihre Forschung sei auf keinen Fall umsonst, sagt González. Selbständige Navigationssysteme könne man auch für Autos brauchen - oder zum Beispiel für unbemannte U-Boote. In der Tiefsee könne man die nur schwer per Funk von der Oberfläche aus steuern: Um das Wasser zu durchdringen, bräuchte man große Wellenlängen, also große Funkantennen, bei entsprechend niedriger Frequenz.

Einfacher sei es, wenn die Unterwasserfahrzeuge sich selbst steuern könnten. Und da wiederum eröffneten sich auch für die Weltraum-Forschung neue Perspektiven, sagt González. Man könne zum Beispiel darüber nachdenken, einen Eismond des Saturn zu besuchen und zu erforschen- mit einem unbemannten U-Boot.

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