Forscher in München:Paradies für Geistesgrößen

Lesezeit: 5 min

Die Wichtigsten der Wissenschaft? Klar, die Präsidenten der Universitäten und der Max-Planck-Gesellschaft. Doch die forschen nicht, in den Laboren stehen andere: jede Menge exzellenter und preisgekrönter Wissenschaftler, die in München beste Voraussetzungen vorfinden.

Von Sebastian Krass

Reinhard Genzel tat sich nicht leicht, nach München zu gehen. Er lebte damals, 1986 war das, mit Frau und zwei Kindern in Kalifornien und hatte mit Anfang 30 schon eine Professur an der Uni in Berkeley. Man kann es schlimmer treffen als junger Wissenschaftler. Kalifornien war ihm schon zur Heimat geworden, erzählt Genzel. Aber dann kam das Angebot, Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching zu werden. Nach einigem Überlegen nahm er es an, und im Rückblick kann man wohl sagen: Es war schon richtig so.

Genzel ist nicht nur privat glücklich. Mit seiner Basis am Forschungsstandort München hat er es auch beruflich so weit nach oben geschafft, wie ein Astrophysiker es nur schaffen kann. Im vergangenen Jahr zeichnete die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften Genzel mit dem Crafoord-Preis aus, dem Pendant für Bereiche, die der Nobelpreis nicht abdeckt, unter anderem die Astronomie. Genzel bekam die Auszeichnung dafür, dass er mit seinem Team eine schon lang existierende Vermutung so weit bestätigt hat, dass es keinen vernünftigen Zweifel mehr daran gibt: In der Mitte der Milchstraße existiert ein schwarzes Loch.

Macher in der Forschung
:Münchens Wissenschaftler

Sie forschen in Physik und Medizin, gehören zu den Größen in der Informatik, haben wichtige Entdeckungen gemacht und sogar den Nobelpreis gewonnen: In den Hochschulen und Forschungszentren Münchens finden sich zahlreiche bekannte Namen.

Raum für Grundlagenforschung

Wenn es um die Macher des Wissenschaftsstandorts München geht, denken viele zunächst an Bernd Huber und Wolfgang Herrmann, die seit Ewigkeiten den zwei großen Universitäten am Platze, LMU und TU, vorstehen. Natürlich legen diese beiden und auch die Chefs der in München ansässigen Forschungsinstitutionen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und Fraunhofer-Gesellschaft, Peter Gruss und Reimund Neugebauer, mit ihrer Arbeit wichtige Grundlagen. Aber sie forschen nicht mehr selbst. Und in diesem Text soll es um Forschung gehen.

Reinhard Genzel ist zweifellos einer, der etwas bewegt in der Forschung in München. Und weil er immer noch eine Teilzeitprofessur in Berkeley hat und zweimal im Jahr länger in den USA ist, kann er auch ganz gut beurteilen, wie die Lage hier im internationalen Vergleich einzuschätzen ist. "Paradiesische Möglichkeiten" habe er hier, erzählt Genzel. 400 Leute arbeiten in seinem Institut, der Etat liegt bei etwa 20 Millionen Euro.

"Bei Max Planck kann man über Zeiträume von 20 Jahren planen, das ist unerreicht", sagt Genzel. Die auf Grundlagenforschung ausgerichtete MPG unterhält zwölf Institute im Raum München, so viel wie in keiner anderen deutschen Region. Es gibt eines für Psychiatrie, eines für Sozialrecht - und in Seewiesen, zwischen Starnberger See und Ammersee, auch eines für Ornithologie.

Direktor des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching, Teilzeit-Professor in Berkeley: Reinhard Genzel. (Foto: Florian Peljak)

Die Vielfalt ist riesig

Aber die Vielfalt der Forschung in und um München ist auch abseits von Max Planck gewaltig. Die Fraunhofer-Gesellschaft, die angewandte Forschung betreibt, hat nicht nur ihren Sitz in München, in einem stattlichen Hochhaus an der Hansastraße. Fraunhofer hat auch fünf Forschungsinstitute und -einrichtungen in der Region.

Außerdem unterhält die Helmholtz-Gemeinschaft in München-Neuherberg das Deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Dazu kommen Einrichtungen wie das Deutsche Museum, das Institut für Zeitgeschichte, die zur Leibniz-Gemeinschaft gehören. Alle großen deutschen Forschungsverbünde haben also eine starke Präsenz in der Stadt. Und sie alle haben unzählige Querverbindungen zu den großen Hochschulen: Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Technische Universität (TU) mit ihren Kliniken, Hochschule für angewandte Wissenschaften (die frühere Fachhochschule) und Bundeswehr-Uni in Neubiberg.

Diese Kumulation macht München nicht nur zur Forschungshauptstadt Deutschlands. Sie macht die Stadt vor allem attraktiv für Wissenschaftler, die auch in anderen Ländern schon ziemlich gute Bedingungen haben. Der internationale Wettbewerb um die besten Köpfe ist beinhart. Wenn man ganz oben mitspielen will - und das ist der Anspruch der großen Münchner Forschungseinrichtungen -, "dann braucht man nicht Leute aus den besten zehn Prozent eines Bereichs weltweit, sondern das beste Prozent", sagt Reinhard Genzel. Und das lässt sich durchaus hierher locken.

Für Hannes Leitgeb war das "exzellente Umfeld", wie er sagt, ein entscheidender Grund, vor drei Jahren nach München zu kommen. Der 41 Jahre alte Österreicher ist Philosoph und ausgezeichnet mit einer Humboldt-Professur. Das ist der höchstdotierte internationale Forschungspreis, den es in Deutschland gibt. Mit ihm sollen weltweit führende Wissenschaftler aus dem Ausland an eine deutsche Uni geholt werden. Dass die Ausgezeichneten den Preis auch annehmen, ist nicht gesagt. Sie haben dann zunächst einmal eine starke Verhandlungsposition gegenüber der deutschen Uni, aber auch gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber und ganz anderen Interessenten. Leitgeb war vorher in England, an der Universität in Bristol. Dort wollte man ihn halten, erzählt er, und er hatte auch "schöne andere Angebote aus den USA, darunter aus Stanford".

Aber letztlich habe er hier ein "größeres Potenzial" gesehen, auf seinem Feld führend zu forschen. Leitgeb arbeitet an der Schnittstelle der Philosophie zu Naturwissenschaften. Es geht um Logik und die Anwendungen mathematischer Methoden in der Philosophie. Leitgeb ist ein umtriebiger Mensch, er hat seine drei Jahre in München genutzt, um sich bestens zu vernetzen. So berichtet er vom steten Kontakt mit den Wissenschaftstheoretikern an der TU, mit den Statistikern an der LMU. Und zusammen mit dem LMU-Zentrum für Neurowissenschaften besetzen er und seine Leute eine neue Professur - "für Philosophie des Geistes".

Exzellenz-Initiative
:Das sind Deutschlands Elite-Unis

Ein Rennen um Renommé und sehr viel Geld: 16 deutsche Unis kämpften um den begehrten Status einer Elite-Universität. Jetzt gibt es elf strahlende Sieger. Fünf neue Hochschulen steigen in die Königsklasse auf. Auf der Verliererseite gibt es eine dicke Überraschung.

Vorteil Eliteuni

Ganz so paradiesisch wie bei der Max-Planck-Gesellschaft geht es an der LMU vielleicht noch nicht zu. Aber es hat sich für die Forscher in den vergangenen Jahren viel getan. Und das liegt ganz wesentlich auch an der Exzellenzinitiative, jenem milliardenschweren Förderprogramm, mit dem der Bund und die Länder den Unis mehr Wettbewerbsfähigkeit verschaffen wollten. Sowohl die LMU als auch die TU haben schon in der ersten Runde den begehrten Status als Exzellenz-Uni, oder noch griffiger: als Elite-Uni, erlangt und diesen im vergangenen Jahr verteidigt.

So können die Unis in Kooperation miteinander, aber auch mit den zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen große Forschungsschwerpunkte aufbauen - und zugleich fachübergreifend zahlreiche Förderprogramme finanzieren. "Dass die LMU eine Exzellenz-Uni ist, merkt man auch im täglichen Forschen", erzählt Leitgeb, "da sind einfach Reserven da."

Die Dynamik des Forschungsstandorts München ist im Moment auch ein sich selbst verstärkendes System. So folgte auf die Humboldt-Professur für Hannes Leitgeb gleich eine weitere für die Philosophie-Fakultät der LMU. Die Uni nominierte Leitgebs alten Weggefährten Stephan Hartmann. "Dass dann auch noch Empfehlungen der TU und vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik dabei waren, das hat vermutlich Eindruck gemacht bei Humboldt", meint Leitgeb. Hartmann arbeitet nun seit einem Jahr an der LMU.

Die Experten kommen zurück

Wie die LMU hat auch die kleinere TU bisher vier Humboldt-Professoren für sich gewonnen, 2012 etwa kamen der Informatiker Hans-Arno Jacobsen aus Toronto und der Diabetes-Experte Matthias Tschöp aus Cincinnati. Zuletzt gab es allerdings auch einen Rückschlag für München. Eine potenzielle Humboldt-Professorin entschied sich, in der Schweiz weiter zu forschen. "Das Gegenangebot von IBM war gigantisch", sagt TU-Präsident Wolfgang Herrmann. Im Moment verhandelt die TU mit einem neuen Kandidaten.

Es ist ohne Zweifel ziemlich gut bestellt um den Forschungsstandort München. Allerdings, und da sieht der hochdekorierte Astrophysiker Reinhard Genzel dann doch Grund zu warnen, sei das nicht selbstverständlich. "Man darf nicht schläfrig werden, man muss ehrgeizig bleiben." Und jemand in seiner Position kann sich auch einen Hinweis an die Politik erlauben: "Exzellente Forschung ist ein bisschen wie Champions League. Wenn man sie sichern will, dann ist das nicht billig."

© SZ vom 14.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: