MünchenVor NFL-Premiere: Übernahme der Innenstadt

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Selfies erwünscht: die Helm-Parade aller Klubs der National Football League auf dem Odeonsplatz.
Selfies erwünscht: die Helm-Parade aller Klubs der National Football League auf dem Odeonsplatz. (Foto: Florian Peljak)

Die Punktspiel-Premiere der amerikanischen Football-Profiliga in Deutschland hinterlässt ihre Spuren auch jenseits der Arena in Fröttmaning. Nur die Superstars sucht man vergeblich: Tom Brady und seine Sportkameraden werden perfekt abgeschirmt.

Von Joachim Mölter

Am Freitagmorgen ist dann auch der sagenhafte Tom Brady in München eingeschwebt, der nach Meinung vieler Fachleute beste American-Footballspieler, den die Welt je gesehen hat. Der Mann wird von Fans als "GOAT" vergöttert, als "Greatest Of All Time", weil er so viele Titel geholt und so viele Rekorde aufgestellt hat wie kein anderer in der Geschichte der amerikanischen Profiliga NFL. Und weil der Größte aller Zeiten und selbstredend aller Globen und Galaxien seine Spielkameraden von den Tampa Bay Buccaneers mitgebracht hat, steht dem gigantischsten Football-Spektakel, das Deutschland je gesehen hat, nichts mehr im Weg: Am Sonntagnachmittag (15.30 Uhr) treffen Bradys Buccaneers in der Fröttmaninger Arena auf die Seattle Seahawks. Nach ein paar Testpartien während der Saisonvorbereitung zu Beginn der Neunzigerjahre ist das nun das erste richtige, ernsthafte Punktspiel der National Football League auf deutschem Boden. Drei Millionen Tickets hätte sie dafür verkaufen können, ließ die Liga wissen.

Hauptquartier aller Fans der Seattle Seahawks: das Augustiner-Stammhaus.
Hauptquartier aller Fans der Seattle Seahawks: das Augustiner-Stammhaus. (Foto: Florian Peljak)
(Foto: Florian Peljak)

Viel mehr als 67 000 Plätze gibt die Arena zwar nicht her, trotzdem scheinen deutlich mehr Anhänger in die Stadt geströmt zu sein. In den vergangenen Tagen haben die NFL, ihre beteiligten Klubs und deren Fans jedenfalls zunehmend das Stadtbild geprägt und die City warm- und heißlaufen lassen für das seit Langem hochgejubelte Ereignis. Bereits am vorigen Sonntag war das Augustiner Stammhaus in der Neuhauser Straße als "Seahawks Haus" ausgewiesen und mit Bannern des Klubs beflaggt. Wenig später prangte Tampas Piraten-Logo über dem Eingang zum Hofbräuhaus, das die Buccaneers kurzerhand geentert und zu ihrem vorübergehenden Hauptquartier erklärt hatten.

Herrschaftszeiten - New England Patriots
Herrschaftszeiten - New England Patriots (Foto: Florian Peljak)

In der Altstadt wurden weitere Gaststätten von der NFL "gebranded", quasi gebrandmarkt, wie das in der Marketing-Sprache genannt wird. Aufkleber mit NFL-Logo, einem eigens für das Münchner Spiel kreierten Wappen oder auch nur dem Schriftzug "2022 NFL Munich Game" pappen seitdem an Türen und Fenstern und signalisieren, dass Fans dort willkommen sind. Es gibt außer Tampa und Seattle auch noch andere NFL-Klubs, die "Hot Spots" eingerichtet haben, obwohl ihre Mannschaften gar nicht hier spielen: Die Kansas City Chiefs haben zum Beispiel den Klosterwirt okkupiert, die Carolina Panthers den Hochreiter am Markt und die New England Patriots das "Herrschaftszeiten" im Tal. Das sind Klubs, die sich bei der NFL bereits Marketingrechte für Deutschland gesichert haben und die Gelegenheit nun auch nutzen, sich zu vermarkten.

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Gegen die friedliche Übernahme der Altstadt durch das Unternehmen NFL hat nicht einmal die Polizei viel einzuwenden. "Wir gehen davon aus, dass es ein schönes Familien-Sportevent wird, ähnlich wie im Sommer bei den European Championships", sagt Roland Helmig, der Einsatzleiter, im Zusammenhang mit allen NFL-Aktivitäten an diesem Wochenende. Seinen Ermittlungen zufolge "gibt es im Football nicht diese klassischen zwei Lager, die sich nicht grün sind", so wie man es hierzulande aus dem Fußball kennt. Während es da angesichts mancher Rivalitäten zwischen Vereinen diverse Einstufungen bis hinauf zu Hochrisikospielen gibt, sieht Helmig das NFL-Duell als "No-Risk-Veranstaltung". Er glaubt: "Die Fans wollen nur ihren Spaß haben."

Kritik an der Präsenz des Football in der City ist bisher nicht bekannt geworden

Den sollen sie kriegen, dafür hat die geschäftstüchtige NFL schon gesorgt. Seit Donnerstag gibt es eine Ausstellung auf dem Odeonsplatz, dort wurden großformatige Helme aller 32 NFL-Klubs enthüllt sowie ein weiteres, eigens für das "Munich Game" gestaltete Exemplar. Fans können Selfies machen neben den Helmen ihrer bevorzugten Mannschaft, sie können aber auch drunterschlüpfen und die Fotos von emsigen Helfern knipsen lassen, welche die Liga zur Seite gestellt hat. Wem die Bilder nicht reichen als Souvenir, der kann in einem Container allerlei Fanartikel erstehen. Kritik an der Inbesitznahme der öffentlichen Fläche ist nicht bekannt geworden, ganz anders als im vorigen Jahr, als bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) ein monumentaler Mercedes-Pavillon auf dem Platz für Protest gesorgt hatte.

Diesmal fragen die Passanten eher: "Kommen die Spieler auch hierher?" Das tun sie natürlich nicht, die werden während ihres Aufenthalts in München abgeschirmt in ihren Luxushotels und trainieren auch nur unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, so wie Tom Brady und seine sogenannten Bucs am Freitagnachmittag auf dem Campus des FC Bayern. Die Fans sollen sich die Zeit bis zum Kickoff am Sonntag woanders vertreiben.

Am Samstagabend gibt es diverse Partys in der Stadt, die fast alle schon ausverkauft sind. Der TV-Sender Pro 7, der hierzulande seit Jahren sonntags NFL-Spiele überträgt, feiert beispielsweise mit 2000 Gästen im Löwenbräukeller die NFL-Punktspiel-Premiere in Deutschland. Der deutsche Fanklub "Seahawkers" hat für rund 800 Gleichgesinnte das Bräuhaus im Tal reserviert. Und die deutsche Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift Sports Illustrated lädt ins schicke P1 ein. Und viele, die keine Karten fürs Stadion bekommen haben, haben sich Tickets für die Rudi-Sedlmayer-Halle gesichert, wo es am Sonntag ein Public Viewing des Spiels gibt.

Football-Herz, was willst Du mehr?

Nun, wer schon in London ein NFL-Spiel besucht hat, wird etwas vermissen. In der britischen Hauptstadt gibt die NFL ja seit Jahren schon Gastspiele, bis zu vier pro Jahr, und dort nimmt sie durchaus ganze Prachtstraßen in Beschlag - wie die Regent Street, Londons Äquivalent zur Maximilianstraße - oder schlägt ihre Zelte an der South Bank auf, an der Uferpromenade der Themse. Und dort gab und gibt es auch immer allerlei Mitmachaktionen, wo die Menschen mal ausprobieren können, wie es ist, den eiförmigen Football zu werfen, zu fangen oder zu kicken. In München gibt's das auch, aber bloß am Sonntag direkt vor dem Stadion. In der Innenstadt war offensichtlich kein Platz mehr dafür. Den Marienplatz hat die Stadt jedenfalls erfolgreich verteidigt gegen eine Übernahme durch die NFL. Dort wird gerade der Christkindlmarkt aufgebaut.

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