Flughafen München:Atemnot am Arbeitsplatz

Sicherheitskontrollen am Flughafen

Sicherheitskontrollen am Flughafen in München.

(Foto: dpa)
  • Am Flughafen München wurden 2015 so genannte Itemiser und Sniffer zur Sicherheitskontrolle angeschafft. Mit diesen Geräten sucht man nach Sprengstoffspuren im Handgepäck.
  • Zahlreiche Mitarbeiter der Sicherheitsfirma bekamen gesundheitliche Probleme. Zum Teil sind sie immer noch krank.
  • Dass die Geräte sie krank machen, können die Luftsicherheitsassistenten allerdings nicht beweisen.

Von Elisa Britzelmeier

Sie hat ihren Job gern gemacht, 25 Jahre lang. Am Flughafen fing sie an, kaum dass er ins Erdinger Moos gezogen war. Es war ein guter Job, sagt sie, das Geld stimmte, die Arbeitszeiten waren familienfreundlich, die Stimmung war gut. Heute darf sie dort nicht mehr arbeiten. Weil sie krank ist. Sie sagt: Weil ihr Job sie krank macht. Sie sagt: Weil die Geräte sie krank machen, sie und viele andere.

Silvia Müller war Luftsicherheitsbeauftragte am Flughafen München. Jeder Passagier muss an ihnen vorbei, Handgepäck aufs Band, Jacke dazu, den Beutel mit den Flüssigkeiten extra. Ab und an ziehen die Mitarbeiter Wasserflaschen oder Deos aus dem Gepäck, ab und an wischen sie mit einem Plastikstreifen darüber, stichprobenartig. Die Streifen kommen in Kontrollgeräte, damit sollen mögliche Sprengstoffspuren entdeckt werden. Im Spätsommer 2015 wurden neue Geräte angeschafft, sogenannte Itemiser und Sniffer. Damit fing es an. Kopfschmerzen, Übelkeit, Taubheit, ein Gefühl wie im Vollrausch - am Ende meldeten sich innerhalb kurzer Zeit etwa 200 Mitarbeiter der Sicherheitsfirma SGM, die für die Kontrollen zuständig ist, krank.

Die Staatsanwaltschaft Landshut ermittelte gegen unbekannt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Ein erstes Gutachten ergab, dass die neuen Geräte Formaldehyd und andere gefährliche Gase ausstießen. Ein weiteres Gutachten widerlegte das, "keine Grenzwertüberschreitung", hieß es. Das Institut für Arbeitsmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität kam zu dem Ergebnis, dass die Krankmeldungen aus einer "Verkettung unglücklicher Umstände" resultierten. Damit schien der Fall erledigt, die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein. Aber einige Mitarbeiter fühlten sich immer noch und immer wieder krank, zum Teil bis heute.

Sie klagen über Atemnot und Halsschmerzen, Lungen-, Magen- und Kreislaufprobleme. Mehrere SGM-Beschäftigte haben fleckige, rötliche Hautausschläge, das ist festgehalten in Arztberichten, dokumentiert auf Fotos. Immer wieder brechen Kollegen am Arbeitsplatz zusammen, so berichten das aktuelle und ehemalige SGM-Mitarbeiter. Etwa 1500 Menschen arbeiten dort. Einige haben sich zusammengetan und die Vorfälle notiert.

Im Juli, August und September, wenn besonders viel los ist am Flughafen und viele Sprengstoff-Tests gemacht werden, steht alle paar Tage ein Vorfall auf der Liste: "Kolleginnen brechen ohnmächtig zusammen", "sehr starker Husten", "Kollege fühlt sich schlecht, geht nach Hause und wird krankgeschrieben". Sie melden Arbeitsunfälle und berichten von ihrem Verdacht mit den Sprengstoffgeräten. Auch dann, als die Vorfälle der Anfangszeit längst als geklärt gelten.

Der Arbeitgeber sieht nur Einzelfälle

Der Süddeutschen Zeitung liegen Unfallanzeigen und Arztberichte vor, die das für einzelne Mitarbeiter belegen. Die SGM sieht darin Einzelfälle. Als Gesellschaft des Freistaates Bayern untersteht sie der Regierung von Oberbayern. Deren Sprecherin teilt auf Anfrage mit, dass in den vergangenen eineinhalb Jahren "lediglich eine niedrige einstellige Zahl von Mitarbeitern" gesundheitliche Beschwerden im Zusammenhang mit den Sprengstoffsuchgeräten genannt habe. Auch die Bayerische Landesunfallkasse kann nicht sagen, wie viele Anzeigen gemacht wurden.

Das Problem ist: Die Mitarbeiter wissen selbst nicht sicher, was sie krank macht. Sie verdächtigen die Geräte - deren Hersteller sich auf SZ-Anfrage nicht äußerten. Aber beweisen können sie es bisher nicht.

Aktuell, heißt es von der Regierung von Oberbayern, lägen laut SGM "keine solchen Fälle" vor. Mitarbeiter berichten anderes. Doch wie viele betroffen sind, ist unklar. Inzwischen, sagt eine, die nach wie vor bei der SGM angestellt ist, trauen viele sich nicht mehr, von ihren Beschwerden zu berichten: "Jeder, der sich als krank zu erkennen gibt, steht vor der Entlassung." Bei der Arbeit tragen viele jetzt langärmelige Hemden oder Blusen, sagt die Mitarbeiterin, um die Ausschläge zu verstecken.

Sie haben Angst, dass es ihnen geht wie Silvia Müller, die hier nicht mit ihrem richtigen Namen stehen möchte. Nachdem sie oft gefehlt hatte, wurde sie zu ihren Vorgesetzten zitiert. Dann kamen die Schreiben: Sie sei von der Arbeit freigestellt, "aus Fürsorgegründen", unbezahlt, dann die Kündigung, fristlos, nach 25 Jahren. Außer Silvia Müller wurde weiteren Mitarbeitern gekündigt, nachdem sie über die Geräte geklagt hatten, mehrere sind der SZ namentlich bekannt. Begründet wird das damit, dass das Luftamt Südbayern und damit die Regierung von Oberbayern ihre Beleihung widerrufen hat - weil sie gesundheitlich nicht geeignet seien.

Auch Bundespolizisten sollen zusammengebrochen sein

Einige Mitarbeiter haben die Firma im Zusammenhang mit den Krankheitsfällen freiwillig verlassen, anderen wurden Abfindungen angeboten, wenn sie gehen. Mehrere Fälle kamen vor Gericht. Die Regierung von Oberbayern will sich zu Personalangelegenheiten nicht äußern, teilt aber mit, die Zahl der Fälle von fehlender medizinischer Eignung sei "immer sehr niedrig gewesen und in den vergangenen Jahren nicht gestiegen".

Die Luftsicherheitsassistenten machen am Flughafen eine Arbeit, die in Zeiten von Terror-Angst wichtiger geworden ist. Doch sie fühlen sich nicht ernst genommen. In der Stellungnahme der LMU zu den Vorfällen 2015 hieß es, das Unternehmen müsse "das Vertrauen der Mitarbeiter wiedergewinnen", und weiter: "Den Mitarbeitern sollte eine Brücke für die Rückkehr an den Arbeitsplatz angeboten werden." Silvia Müller hat immer wieder gefragt, ob sie probeweise in einem anderen Bereich arbeiten könnte. Dort, wo keine Geräte sind, wo nur das aufgegebene Gepäck kontrolliert wird und auch schwangere Kolleginnen eingesetzt werden. Darauf habe sich die SGM nicht eingelassen. Für manche fühlt es sich inzwischen so an, als würden Mitarbeiter vorsätzlich krank gemacht.

Ob es auch bei Passagieren gesundheitliche Probleme gab, ist nicht bekannt. Aber am 23. September 2017 sollen nicht nur SGM-Mitarbeiterinnen, sondern auch zwei Bundespolizistinnen zusammengebrochen sein. So stand es in einem internen Schreiben der SGM und in einem Aushang des Betriebsrates. Die Bundespolizei steht routinemäßig an den Schleusen in zweiter Reihe. Eine Bestätigung des Vorfalls zu bekommen, ist schwierig: Ein Ansprechpartner verweist an den anderen.

Letztlich teilt die Staatsanwaltschaft Landshut mit, dass seit September 2017 untersucht werde, ob gesundheitliche Probleme, die bei Beschäftigten aufgetreten sind, eine strafrechtlich relevante Ursache haben könnten. Wer und wie viele Menschen betroffen waren, dazu könne man sich nicht äußern. Immer wieder haben SGM-Mitarbeiter Anzeige erstattet, wie viele, kann die Staatsanwaltschaft aber nicht sagen. Sie verweist an die zuständige Aufsichtsbehörde - im Fall der SGM ist das wiederum das Innenministerium und damit die Regierung von Oberbayern, die auch für den Arbeitgeber spricht.

Der weist darauf hin, dass die Geräte weltweit eingesetzt werden. Von anderen Flughäfen seien keine Probleme bekannt. Die betroffenen Mitarbeiter erklären das damit, dass die Geräte laut ersten Gutachten Frischluft brauchen, um richtig zu funktionieren - Fehler in der Belüftung seien am Flughafen München aber schon lange ein Problem. Die Regierung von Oberbayern widerspricht: Die Anlage funktioniere, Störungen seien immer schnell behoben. Ein Problem sehen die Beschäftigen auch darin, dass die Geräte in München stark beansprucht würden. Gleich am Anfang habe es Verschmorungen gegeben, immer wieder rauche es. Die Gutachten sind laut den Mitarbeitern daher auch nicht unter Realbedingungen erstellt worden.

Keine Veranlassung für eine neue Untersuchung

Wenn es andere Erklärungen für die Beschwerden der Mitarbeiter in den vergangenen Jahren gibt - die SGM hat nicht versucht, sie zu finden. Auf Anfrage verweist sie auf das LMU-Gutachten von 2015, in dem von "gesundheitlichen Folgen auch auf psychosomatischer Ebene" die Rede ist - die gleichwohl "ernst zu nehmen sind". Mitarbeiter berichten hingegen, dass sie sich vor Vorgesetzten für Krankentage rechtfertigen mussten. Dabei sollen die Worte gefallen sein: "Wenn Sie mit den Geräten nicht arbeiten können, müssen Sie sich eben etwas anderes suchen."

Der Umweltrechtler Wilhelm Krahn-Zembol, der von mehreren Geschädigten beauftragt wurde, sagt, er erlebe immer wieder, dass Beschwerden "als psychosomatisch abgetan" werden. Allzu oft seien das "Verlegenheitsdiagnosen". Um nachzuweisen, woher ihre Probleme kommen, würden die SGM-Mitarbeiter die Geräte gern erneut untersuchen lassen, auch auf eigene Kosten. Die Regierung von Oberbayern sieht aber keine Veranlassung und Rechtfertigung dafür.

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