Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:"Ich habe schlechte Nachrichten für Sie"

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Von Kassian Stroh, München/Freising

Im Erdinger Moos stranden die ersten Urlauber um Punkt 9.20 Uhr am Montagmorgen. Da kommt der Unglücksbote, ein Mann in grauem Anzug, der sich eine gelbe Warnweste übergeworfen hat. "Condor Ground Operator" steht auf seinem Rücken. Wer denn bitte bei folgenden Reiseveranstaltern gebucht habe, ruft er in die Warteschlange vor dem Condor-Check-in am Münchner Flughafen: Bucher, Öger und noch ein paar. Sieben Hände gehen in die Höhe. "Dann kommen Sie bitte raus zu mir", sagt der Mann, "ich habe schlechte Nachrichten für Sie."

Die Nachrichten kurz gefasst: Die Reisenden dürfen nicht fliegen. Sie sind betroffen von der Insolvenz des Reisekonzerns Thomas Cook, der unmittelbar auch die Tochtergesellschaften betrifft: Thomas Cook, NUR Reisen, Öger Tours, Air Marin und Bucher. Auch die Fluggesellschaft Condor gehört zum Konzern, sie fliegt aber zumindest vorerst weiter. Die Airline hofft auf einen Überbrückungskredit der Bundesregierung. So können auch die allermeisten in der Schlange bleiben und auf ihren Urlaubsflug hoffen. Teneriffa und Hurghada, so lauten an diesem Morgen die Destinationen der beiden nächsten Maschinen von München aus. Nur die Kunden jener erwähnten fünf Reiseveranstalter, die nimmt Condor ab sofort nicht mehr mit, so sagt es der Ground Operator. "Es tut mir leid."

Robert Hinrainer schnappt sich seinen Koffer und geht. Er ist gefasst. Mit einem Freund wollte der Münchner eine Woche nach Teneriffa. "Ich hab extra in der Früh die Portale im Internet noch geprüft", sagt er, "da war noch alles in Ordnung." Auch wenn Hinrainer das mit der Insolvenz in der Nacht natürlich mitbekommen hat. Er hat seine Reise über die Thomas-Cook-Tochter Bucher gekauft, von der war da im Netz noch nichts zu lesen. Und jetzt? Jetzt schauen er und sein Freund auf dem Flughafen rum, "ob wir noch irgendein Last-Minute-Ding kriegen. Oder wir fahren nach Hause."

Immer wieder winkt der Mann in der Warnweste Leute zu sich, um ihnen das Ende ihrer Urlaubspläne zu verkünden, zumindest das vorläufige, im Laufe des Vormittags sind es insgesamt einige Dutzend. Die Betroffenen nehmen es verhältnismäßig ruhig und gefasst zur Kenntnis. Ein Pärchen aus Basel beschließt, wieder nach Hause zu fahren; ein anderes kauft sich erst einmal Weißbier und Kaffee und schweigt sich bald eine halbe Stunde lang frustriert an. Zwei andere befreundete Ehepaare stehen eher ratlos neben ihren Rollkoffern, telefonieren viel herum, ob denn auch die Hotelzimmer jetzt wegen der Insolvenz gestrichen seien. Weil, wenn nicht, dann könne man sich ja noch einen Flug so buchen. Angeblich gehe das, bekommen sie als Antwort. Ratlos schauen die vier einander an. Ob das stimmt? Irgendwann fängt einer der beiden Männer leise zu weinen an, seine Frau nimmt ihn in den Arm.

Sie haben ja auch Pech gehabt. In der Früh um sechs hoben fünf Condor-Flieger am Münchner Flughafen ab. Da durften noch alle mit, egal, bei wem sie gebucht hatten. Jetzt nicht mehr. "Ois is gecancelled", ruft ein älterer Österreicher in sein Handy, "auch des Hotöi, ois is weg, ois storniert und aus!" Nein, umbuchen, das werde er nicht, sagt er. Einfach nur wieder heimfahren und die Episode verbuchen unter: ein unschöner Ausflug nach München. Eine der beiden Frauen, die ihn begleiten, protestiert. Der Mann winkt ab. Die andere Frau hat einen Alternativvorschlag: Aufs Oktoberfest könne man doch gehen. Das überlegen sie jetzt mal.

Die beiden Ehepaare indes haben sich entschieden. Sie gehen das Risiko ein und kaufen sich auf eigene Faust Ersatztickets; auf ihren Urlaub auf der Insel La Gomera wollen sie nicht verzichten. Der Condor-Mann mit der Weste hat jemanden aufgetrieben, der nun einen extra Schalter aufmacht, wo die Gestrandeten, die möchten, einen Flug kaufen können. Aber das dauert, irgendwann haben die Vier das Ticket, nur windet sich die Schlange vor den Sicherheitskontrollen inzwischen mehrfach durch den Bereich D im Terminal 1. Der Westen-Mann schnappt sich die Passagiere, er lotse sie jetzt an der Schlange vorbei, sagt er, direkt zur Kontrolle. Wenigstens eine gute Nachricht an diesem Morgen.

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