Sperrung von Terminal 2:Flughafen im Krisenmodus

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Im "Hub Operations Center" steuern die Mitarbeiter am Airport die Abläufe in der Luft und am Boden. (Foto: Marco Einfeldt)

Umbuchen, Flugplan ändern, Gepäck organisieren: Bei Flugausfällen wie vergangenen Samstag müssen die Lufthansa-Mitarbeiter komplizierte Probleme in kürzester Zeit lösen.

Von Andreas Schubert

Der Weg zur Schaltzentrale des Terminal 2 am Münchner Flughafen führt durch die Sicherheitsschleuse, mehrere gesicherte Türen und einen Aufzug, der sich nur mit einem Schlüssel bedienen lässt. Auf dem Flur des "Hub Operations Center" lächeln einen Mitarbeiter auf Fotos freundlich an, es gibt einen Kickerraum, eine Teeküche, Besprechungszimmer - und einen Raum, an dessen Tür "Krisenstab" steht. Hier kommen die Verantwortlichen der Lufthansa, der Sicherheitsbehörden und des Flughafens zusammen, wenn es ein Problem gibt.

Auch am Samstag vor einer Woche waren sie hier, als im Terminal 2 sieben Stunden lang nichts mehr ging, sich die Passagiermassen in der Halle stauten, Tausende Urlauber erst mit stunden-, manchmal tagelanger Verzögerung in die Ferien starten konnten. Das Herzstück des Operations Center ist ein Saal mit 70 Arbeitsplätzen, an jedem stehen mehrere Bildschirme, auf denen Wetterkarten zu sehen sind, das Rollfeld und der Flugplan, das Licht ist gedämpft, die Stimmung konzentriert.

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Von hier aus wird alles gesteuert, was im Terminal 2 vor sich geht: Ankunfts-, Abflugs- und Umsteigeprozesse, die Bodenabfertigung, die Passagier- und Gepäcktransfers, die Flotte. Der gesamte Ablauf ist eine komplexe Sache, derzeit arbeitet die Lufthansa bereits am Flugplan für den Sommer 2019, und man kann sich vorstellen, dass die Mitarbeiter im Krisenfall viel zu tun haben, wenn sie binnen eines Tages einen neuen Flugplan erstellen müssen, der sonst lange im Voraus geplant ist.

Was genau die Schwierigkeiten am Tag des großen Stillstands waren und warum es so lange gedauert hat, bis der Flugverkehr wieder lief, ist nicht so einfach zu erläutern. Christoph Leffers, der Leiter "Operations Control", sitzt im Besprechungsraum und ringt um einfache Worte: "Für einen pünktlichen Abflug brauchen Sie vier Dinge: Ein Flugzeug, eine Crew, ein Bodenereignis und einen Flugplan, die passgenau aufeinander abgestimmt sind." Zum Bodenereignis gehören der Gepäck- und Passagiertransport oder das Tanken. Und im Flugplan ist die genaue Route eines Fliegers geregelt. "Jeder dieser Faktoren kann auch Störfaktoren mit sich bringen", sagt Leffers.

Eines der größten Probleme am Samstag war bei den europäischen Flügen die Verknüpfung von Crews und Flugzeugen. Wegen der Verzögerungen konnten nicht alle Crews abheben, Grund waren die bestehenden Flugdienstzeitbeschränkungen für Piloten und Flugbegleiter. Die Maschinen sind den ganzen Tag unterwegs, bringen Passagiere an einen Ort und sammeln dort andere Passagiere auf. Zwischendurch wird nach einem lange festgelegten Plan die Crew ausgetauscht. Das Problem mit den Arbeitszeiten der Crews gibt es auch bei Langstreckenflügen. Aber am Samstag konnten alle Langstreckenflugzeuge so auf den Nachmittag verschoben werden, dass die Flugdienstzeiten passten. Da nach der Öffnung des Terminal 2 die Passagiere nur langsam die Sicherheitsschleusen passieren konnten, starteten einzelne Maschinen fast leer, um wenigstens am Zielort zur Verfügung zu stehen.

Dann gab es da noch das Problem mit dem Gepäck: Passagiere bekamen am Zielort ihre Koffer nicht. Sie hatten ihr Gepäck für Flüge eingecheckt, die nicht starten konnten. Die Passagiere kamen auf einem anderen Weg ans Ziel, entweder mit dem nächsten verfügbaren Flug, anderen Airlines oder mit der Bahn. Das Gepäck rasch den Kunden hinterher zu fliegen, war aber nicht einfach, da manche Ziele nicht so häufig angeflogen werden und auch die Frachträume vieler Maschinen wegen der Ferienzeit bereits voll sind. Diese Woche hat die Lufthansa ganze Lastwagenladungen an Koffern und Taschen nach Frankfurt gebracht, um sie von dort per Luftweg weiter zu transportieren. Dennoch: Knapp eine Woche nach der Störung waren von 20 000 Gepäckstücken 600 noch immer nicht bei ihren Besitzern.

"Schauen Sie doch aus dem Fenster"

Kommt er, oder kommt er nicht? Der Koffertransport wird zum Glücksspiel, auch - wie hier - am Münchner Flughafen. (Foto: Marco Einfeldt)

Neben den Verspätungen und dem fehlenden Gepäck haben bei vielen Passagiere vor allem die aus ihrer Sicht mangelhaften Informationen für Frust gesorgt. Zum Beispiel bei Ulrike Gruber aus Feldkirch in Österreich. Ein Satz, der sie besonders geärgert hat: "Schauen Sie doch aus dem Fenster, da haben Sie wenigstens eine schöne Aussicht." Diesen Spruch bekamen laut Gruber Flugpassagiere zu hören, die wie sie am Samstag vor einer Woche stundenlang im Sicherheitsbereich des Terminals 2 am Münchner Airport ausharren mussten, diesen nicht verlassen durften und nicht wussten, wie es weitergeht.

Ulrike Grubers Mann Wolfgang Gruber wartete derweil draußen, weil er seine Frau abholen wollte. Und Wolfgang Gruber, der lange als Kommunikationsberater gearbeitet hat, sieht in dem Spruch einen klassischen Kommunikationsfehler. "Die Intention des Senders war, etwas Positives zu bewegen, beim Empfänger kommt so etwas aber nicht positiv an." Was Gruber sagen will: Gut gedacht, schlecht gemacht, wer in einer solchen Situation so etwas zu hören bekommt, fühlt sich veräppelt.

Dass die Information besser werden müsse, hatte auch Flughafenchef Michael Kerkloh am Montag nach dem großen Feriendesaster eingefordert. Informationen an sich seien sehr wichtig, selbst wenn es nur die Information sei, dass man gerade keine Information geben kann, verbunden mit dem Hinweis, Neuigkeiten schnellstmöglich nachzureichen, sagt auch Michael Bornhausen. Er ist Leiter der Koordinierungsstelle der taktischen Kommunikation bei der Hessischen Polizeiakademie, kurz: einer, der weiß, wie man mit Ausnahmesituationen umgeht. Unter anderem gibt er auch Schulungen in Krisenkommunikation. Denn wie bei Polizeieinsätzen, etwa bei Demonstrationen, geht es auch bei einer Ausnahmesituation im Flughafen darum, eine Eskalation und Panik zu vermeiden.

Das fordert Mitarbeitern einiges an Kommunikationsgeschick und Selbstbeherrschung ab, etwa wenn sie von wütenden Passagieren beschimpft werden. "Da darf man nichts persönlich nehmen", sagt Bornhausen. Worauf müssen die Mitarbeiter bei Durchsagen also achten? Wichtig seien Dinge wie größtmögliche Transparenz, auch in den sozialen Netzwerken, die persönliche Anwesenheit von Ansprechpartnern und ein beruhigender Tonfall. Überhaupt kann es in schwierigen Situationen auf jedes Wort ankommen. Ein "Leider" gehöre auf jeden Fall dazu, wenn es etwas Unangenehmes mitzuteilen gibt, sagt Bornhausen. "Und es ist auch wichtig, viel zu reden." Dabei Floskeln zu verwenden, sei ein großer Fehler.

Aber viel falsch gemacht haben sie während des Chaos im Terminal 2 nach Bornhausens Einschätzung nicht, weder die Mitarbeiter, noch die Passagiere. Es überrasche ihn nicht, dass es weitgehend ruhig geblieben sei, sagt Bornhausen. "Ich glaube immer an das Gute im Menschen."

© SZ vom 04.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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