Flughafen München:Söders Startbahn-Aufschub: Kritik von allen Seiten

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In Warteposition geschoben ist vorerst die Entscheidung über den Bau der dritten Startbahn für den Flughafen München.

(Foto: imago/Westend61)
  • Einen zügigen Ausbau des Münchner Flughafens wird es wohl nicht geben, nachdem der designierteMinisterpräsident Markus Söder (CSU) das Thema dritte Startbahn aus dem Wahlkampf heraushalten will.
  • Nach dem jahrelangen Streit über die Notwendigkeit fühlen sich die Betroffenen einmal mehr hingehalten
  • Die Grünen sprechen von einem "Etappensieg", die IHK zeigt sich enttäuscht.

Von Andreas Schubert

Der Festakt zum 25. Geburtstag des Münchner Flughafens im vergangenen Mai war nicht nur ein Anlass, den seit Jahren anhaltenden Aufwärtstrend mit steigenden Passagierzahlen zu bejubeln. Markus Söder, seines Zeichens Aufsichtsratschef des Airports, nutzte die Gelegenheit, um in der Allerheiligenhofkirche mit Nachdruck für die dritte Start- und Landebahn zu werben. Sie könne auf Dauer eine der Zukunftsfragen für Bayern werden, sagte Söder. Er kenne kein infrastrukturelles Projekt, das so bedeutend für Bayern sei. Und er wünsche sich deshalb, dass die Münchner bei einem Bürgerentscheid erneut über die Startbahn abstimmen.

Jetzt hat es die CSU mit der Zukunft plötzlich nicht mehr so eilig und eine Kehrtwende des bisherigen - von Noch-Ministerpräsident Horst Seehofer vorgegebenen - Kurses vollzogen. Im Landtagswahljahr soll die Debatte um einen raschen Ausbau der Startbahn ruhen, sagt nun Söder, Seehofers designierter Nachfolger in der Staatskanzlei. Dann kommt die Piste, wenn sie denn kommt, eben erst, wenn die Landtagswahl dieses Jahr, die Europawahl nächstes, die Kommunalwahl übernächstes und die Bundestagswahl im Jahr 2021 überstanden sind.

Der Bürgerentscheid, der vielleicht dieses Jahr hätte kommen können, ist deshalb wohl erst einmal nicht mehr notwendig. Dass er aber ganz überflüssig wird und die Staatsregierung das Projekt komplett kippt, das wollen die Gegner des Flughafens nicht so recht glauben. Dennoch werten sie das vorläufige Ende der Startbahndebatte als Etappensieg. Aus dem Umfeld der Gegner ist zu hören: Je länger die Piste nicht gebaut wird, desto unwahrscheinlicher wird es, dass sie überhaupt gebaut wird, weil irgendwann die Planungsgrundlagen veraltet sein und so neue Voraussetzungen für Klagen gegeben sein könnten. Aber das ist eine reine Spekulation und vage Hoffnung eines Startbahnkritikers, der damit nicht zitiert werden möchte.

Söder und seine CSU ernten für ihre Aufschiebetaktik auf jeden Fall eine Menge Kritik. Benno Zierer, Flughafenexperte der Freien Wähler im Landtag, sieht gar einen "Blindflug der CSU in der Startbahn-Frage", wie er mitteilt. "Erst will Seehofer die schnelle Lösung, jetzt macht Söder die Notlandung." Ein Flughafen-Ausbau sei mit den momentanen Zahlen nicht zu rechtfertigen und politisch nicht durchzusetzen. "Aber statt das Projekt endgültig zu beerdigen, will Söder nur für Ruhe im Wahlkampf sorgen." Für die Menschen in der Flughafen-Region bedeute dies: Nach mehr als zehn Jahren erfolgreichen Widerstands gegen den, so Zierer, "Startbahn-Gigantismus" bleibe die Ungewissheit weiter bestehen: "Es gilt, auch künftig wachsam zu bleiben."

Christian Magerl, umweltschutzpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, kommentiert hämisch: "Der neue Pilot muss seinen ersten Startvorgang mit einer Vollbremsung abbrechen." Er betrachte es als einen "Etappensieg" für die Grünen und alle Startbahngegner, so Magerl: "Schließlich sind es exakt unsere Argumente, mit denen Söder den Aufschub der Ausbaupläne am Münchner Flughafen begründet." Klar sei, dass die aktuellen Zahlen bei den Flugbewegungen eine Erweiterung des Flughafens nicht rechtfertigten.

Klar sei aber auch, dass über der Region weiter "das Damoklesschwert eines künftigen Ausbaus schwebt", teilt Magerl mit. Er fordert deshalb die Rücknahme des gültigen Planfeststellungsbeschlusses. "Ohne diesen formalen Akt wird es Söder nicht gelingen, das Thema dritte Startbahn aus dem Wahlkampf herauszuhalten", so Magerl, "mit halben Sachen geben wir uns nicht zufrieden." Der Bund Naturschutz vertritt, wenig überraschend, dieselbe Position und fordert ein endgültiges und rechtsverbindliches Ende der Ausbaupläne. "Wir würden es begrüßen, wenn Söder einsehen würde, dass es die Zahlen nicht hergeben und der Widerstand zu groß ist", sagt BN-Sprecherin Christine Margraf.

"Unser Wirtschaftsstandort braucht ein leistungsfähiges Drehkreuz"

"Wahltaktische Spielchen" werfen die Startbahngegner der Bündnisse "Aufgemuckt" und "München gegen die dritte Startbahn" Söder vor. Das Thema betrachten die Bündnisse, in denen mehrere Bürgerinitiativen, Vereine und Parteien gegen den Flughafenausbau kämpfen, noch nicht als erledigt. Ebenso der Bund Naturschutz Bayern. "Wenn Söder es wirklich ernst meint, dann soll er sich rechtsverbindlich von der Startbahn verabschieden."

Herbert Knur, stellvertretender Vorsitzender der Fluglärmkommission des Flughafens, früherer Bürgermeister der Gemeinde Berglern im Landkreis Erding und früheres CSU-Mitglied, meint ebenfalls: "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben". Er sei überzeugt, dass die CSU nach einem Wahlsieg diesen als Auftrag für den Bau der Startbahn betrachte.

So falsch liegt er da wohl nicht, wie der Münchner Bürgermeister und Wirtschaftsreferent Josef Schmid (CSU) anklingen lässt. "Die Startbahn wird im Wahlprogramm drinstehen. Mit der Wahl erhält sie auch eine Legitimation", sagt Schmid. Er halte die dritte Bahn "von den Daten und Fakten her" nach wie vor für notwendig. Weiter will Schmid keinen Kommentar dazu abgeben, die Besprechung mit Söder, bei der die Kehrtwende in der Startbahnfrage Thema war, sei vertraulich gewesen.

Auch die IHK für München und Oberbayern fordert seit Jahren einen Ausbau des Flughafens und kann es nicht nachvollziehen, dass die Entscheidung zum Bau der Startbahn vertagt wird. Peter Kammerer, stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer, zeige sich enttäuscht über diese jüngsten Entwicklungen, teilt die IHK mit. "Alle Rechtsmittel gegen das Projekt sind ausgeschöpft, die Flugbewegungen nehmen konstant zu", so Kammerer. "Unser Wirtschaftsstandort braucht weiterhin ein leistungsfähiges Drehkreuz." Mit einem weltumspannenden Netz an Flugverbindungen sei der Airport im Erdinger Moos einer der wichtigsten Standortfaktoren der IHK-Mitgliedsunternehmen. "Für den prosperierenden Wirtschaftsraum München und Oberbayern führt an einem Ausbau auch in Zukunft kein Weg vorbei", erklärt Kammerer.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hält sich in der ganzen Debatte mit einem Pro oder Kontra zur Startbahn zurück. Er bleibt bei seinem bereits oft wiederholten Standpunkt, dass mit ihm eine Entscheidung über die dritte Startbahn nur mit einem erneuten Bürgerentscheid zu machen sei. Wie dringend diese Entscheidung ist, solle im Dialog der Gesellschafter geklärt werden, auf Basis der Entwicklung der Zahl der Starts und Landungen in den vergangenen Jahren und auf Basis einer Prognose für die folgenden Jahre, sagt Reiter: "Eine hohe Dringlichkeit, die manche gesehen haben, war und ist für mich nicht nachvollziehbar."

Die Flughafengesellschaft FMG will sich zur Startbahn gar nicht äußern. Man habe alle Zahlen und Fakten vorgelegt, so ein Sprecher. Jetzt liege der Spielball bei der Politik.

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