Die Schlangen vor den Schaltern am Münchner Flughafen wurden immer länger an diesem Samstagvormittag - was zu erwarten war am ersten Tag der bayerischen Pfingstferien, an dem viele Menschen in den Urlaub aufbrechen. Mit etwa tausend Flügen und 140 000 Passagieren hatten die Flughafen-Betreiber an diesem Tag gerechnet. An der Störaktion von Klimaaktivisten der sogenannten "Letzten Generation" lag es jedenfalls nicht allein, dass sich die Reisenden stauten - aber sie trug dazu bei.
Die Aktivisten hatten am frühen Morgen versucht, den Flughafen-Betrieb lahmzulegen, indem sich ein halbes Dutzend von ihnen auf Rollbahnen festklebten. So wollten sie die Maschinen am Starten und Landen hindern. Letztlich mussten aber nur 60 Flüge gestrichen werden. Die Reaktionen von betroffenen Fluggästen fielen erstaunlich gemäßigt aus.

Protestaktion zu Ferienbeginn:"Letzte Generation" stört den Flugbetrieb in München - Scharfe Kritik aus der Politik
Klimaaktivisten kleben sich am frühen Samstagmorgen auf dem Airport-Gelände fest. Rund 60 Abflüge werden annulliert, ankommende Maschinen teils umgeleitet. Erste Forderungen nach höheren Strafen werden laut.
In der Schlange vor dem Service-Schalter der Lufthansa im Terminal 2 wartet der Münchner Raphael Latzel auf seine Umbuchung. Der 38-Jährige wollte am Samstag mit seiner Freundin für eine Woche ins italienische Brindisi fliegen; nun heben sie wohl erst am Sonntag ab, "dadurch fällt ein Tag Urlaub weg", sagt er. Trotzdem versichert Latzel: "Ich bin nicht sauer auf die Leute. Ich habe großes Verständnis für die Proteste, auch wenn es für die Betroffenen ärgerlich ist."
Er habe tatsächlich ein schlechtes Gewissen, dass er fliege, sagt er. Aber mit Auto oder Zug dauere die Reise an die Südspitze Italiens zu lange oder sei zu kompliziert. Deshalb der zeitsparende Flug. Er verstehe das Anliegen der Klimaaktivisten, "es sieht schon so aus, dass wir mehr unternehmen müssten, um die Erde langfristig bewohnbar zu erhalten." Die Form des Protestes halte er zwar nicht für richtig, "aber ich verstehe auch den Frust der Aktivisten", sagt er: "Sie haben jahrelang normal demonstriert und sind nicht wahrgenommen worden. Dann greifen sie halt jetzt zu drastischeren Mitteln."
Die Sorgen der Aktivisten teilen viele Fluggäste
Ähnlich äußert sich Claudia Herdrich aus Penzberg, die mit Mann und Tochter nach Costa Rica fliegen wollte. "Ich glaube, dass der Schuss nach hinten losgeht und die Leute in erster Linie verärgert sind", sagt sie, "das finde ich schade." Denn im Grunde teile sie die Sorgen der Aktivisten ums Klima. "Ich fliege sehr selten, weil ich's nicht so in Ordnung finde", sagt sie. Zuletzt sei sie vor fünf Jahren geflogen, auf die Fernreise nach Costa Rica habe sich die Familie trotzdem gefreut.
Auch ein Geschäftsreisender steht in der Schlange, ein angegrauter Mann aus der Finanzbranche, der nur seinen Vornamen nennen mag: Marco. Er ist aus New York gekommen, sein Anschlussflug in seine Heimat Luxemburg ist gestrichen worden. Seit zweieinhalb Stunden warte er darauf, dass etwas vorwärtsgehe, erzählt er: Über die App sei keine Umbuchung möglich gewesen, die habe ihn nur zum Serviceschalter geschickt.
Dort ärgert sich Marco aus Luxemburg eher über den Service der Fluglinie als über die Klimakleber. "Es hätte ja auch ein Unfall passieren können, dann stünden wir jetzt auch hier", sagt er und übt Kritik an der Lufthansa: "Man kann nicht Hunderte oder Tausende Menschen so warten lassen."
Auch er hat Verständnis für die Sache der Klimakleber. "Ich verstehe, dass die Leute sich Sorgen machen, das ist ein Thema, das alle betrifft." Nur die Art, wie sie ihren Protest ausdrücken, finde er "nicht so gut". Trotz allem hoffe er, "dass die Leute noch ihr Wochenende genießen können". Und damit meinte er tatsächlich alle, die verhinderten Reisenden ebenso wie die festgeklebten Aktivisten.