Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:In Ruhe ratlos

Am Wochenende fällt am Terminal 2 mehr als ein Drittel der geplanten Flüge aus. Tausende warten Stunden in der Hitze, um dann doch nicht zu erfahren, wie es weitergeht. Insgesamt aber bleiben die Menschen erstaunlich gelassen

Von Fabian Heckenberger und Andreas Schubert

"Dieselbe Sch... hab ich schon vor zwei Wochen in München erlebt", sagt Torben Eggert. Der Osnabrücker wartet seit Sonntagmorgen auf seinen Flug nach Madrid. Jetzt steht er am Ticketschalter der Lufthansa im Terminal 2 und hofft, dass er noch irgendeinen Flieger erwischt. Inzwischen ist es Sonntagmittag, 13 Uhr. Und ob er noch drankommt - Torben Eggert weiß es nicht. Vor zwei Wochen war es für ihn noch vergleichsweise harmlos, da wurde er umgebucht und musste nur vier Stunden warten. Jetzt könnte es länger dauern. Und eigentlich, sagt Eggert, wäre er gar nicht so früh zum Airport gekommen, wenn die Auskunft der Lufthansa am Morgen nicht gesagt hätte, dass sein Flug sonntags um 8.25 Uhr regulär starten sollte. Was dann aber nicht passierte. Wie so oft an diesem Wochenende.

Seit die Polizei am Samstagmorgen für Stunden den Terminal 2 sperrte, nachdem eine Frau unkontrolliert in den Sicherheitsbereich gekommen war, ist der Betrieb am Flughafen völlig durcheinander. Fast 330 Flüge fallen bis Sonntagmittag aus, das ist mehr als jeder dritte geplante am Terminal 2. Dort sind die Schlangen lang, die Menschen erschöpft. Im Sicherheitsbereich fahren Flughafenmitarbeiter im Minutentakt neue Kisten mit Wasserflaschen heran und verteilen Kissen. Sobald alle Flaschen vergriffen sind, schnappt sich irgendjemand aus der Warteschlange vor dem Info-Schalter die Kiste, legt ein Kissen darauf und kann nun wenigstens sitzend statt stehend dem Lufthansa-Mitarbeiter entgegen rücken, der ihm vielleicht einen neuen Anschlussflug vermitteln kann. Die Chancen darauf? Na ja. Aus den Lautsprechern wiederholt eine Stimme in brüchigem Englisch, dass Umbuchungen bitte direkt auf der Homepage der Airlines vorgenommen werden sollten.

"Wir sind wegen gestern noch immer ziemlich unterbesetzt", sagt die Stewardess am Boarding-Gate. Neben ihr steht ein Mann mit gelber Warnweste und der Aufschrift "Medical Staff" und fragt herum, ob einer der Passagiere italienisch spreche. Wegen eines medizinischen Notfalls brauche man dringend einen Dolmetscher. Sein Kollege klebt einem älteren Mann, der ausgerutscht ist, ein Pflaster auf den Arm, eine Frau in gelber Weste fährt einen Infusionsständer hinüber zu den Feldbetten, die am Abend zuvor aufgestellt worden sind.

Viele Passagier stehen auch am Nachmittag noch geduldig Schlange, Senem Kurt zum Beispiel. Die Münchnerin wollte ursprünglich mit Mann und Kind Samstagfrüh nach Ankara. Erst hieß es, sie könnten um 14 Uhr fliegen, am Gate erfuhr die Familie dann, dass der Flug ausfällt. Also fuhr die Familie zurück nach München, zum Anstehen am Sonntag ist Senem alleine gekommen. Und gibt sich zuversichtlich: "Wenn ich was bekomme, rufe ich zu Hause an, dann fährt mein Schwager meinen Mann und das Kind zum Flughafen."

Das Durcheinander im Terminal 2 werde sich wohl noch den ganzen Sonntag auswirken, schätzt ein Lufthansa-Sprecher am Nachmittag. Wie es am Montag aussehe, könne man nicht abschätzen.

Die Menschen sind ratlos, aber erstaunlich ruhig. Das mag auch an den Lufthansa-Mitarbeitern liegen, die beruhigend auf die Leute in der Schlange einreden und kostenlos Getränke verteilen. Draußen stehen Feuerwehr und Sanitäter bereit, um bei möglichen Problemen schnell beim Patienten zu sein. Und die Hilfe wird durchaus gebraucht. Immer wieder bekommen Menschen Kreislaufprobleme, weil sie zu wenig getrunken haben. Immerhin ist die Luft an diesem Sonntagnachmittag nicht mehr ganz so stickig wie tags zuvor, als sich noch Tausende in der Abfertigungshalle drängten. Von draußen bläst die Feuerwehr noch immer mit einem riesigen Ventilator Frischluft in den Terminal, alle Türen, auch die Notausgänge sind geöffnet.

Und die Lage scheint sich zu entspannen: Gegen 15 Uhr stehen nur noch wenige vor dem Lufthansa-Ticketschalter. Auf Feldbetten lagert noch immer eine siebenköpfige Reisegruppe aus Bremen, junge Männer, die sich in Barcelona ein paar schöne Tage machen wollen. Auch ihre Bilanz: Acht Stunden Schlange stehen, dann fast einen ganzen Tag auf den Ersatzflug warten. Sie haben Samstagabend noch spontan ein Hotel im Münchner Norden gefunden; ob sie die 150 Euro fürs Doppelzimmer erstattet bekommen, wissen sie noch nicht. Dass sie nun zwei Urlaubstage verloren haben, ärgert sie mehr.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2018
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