Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:Der Job-Satellit

Der Flughafen München wächst auch ohne dritte Startbahn. Im Jahr 2016 soll das neue Satellitenterminal fertig sein. Schon jetzt suchen Behörden und Unternehmen nach Mitarbeitern - doch das ist gar nicht so einfach.

Von Marco Völklein

Der Rohbau steht schon einige Monate. Und mittlerweile sind auch die Fassadenteile weitgehend angebracht. In Kürze werden die Arbeiter damit beginnen, die Innenräume auszustatten. Mit Bodenplatten und Trennwänden. Beleuchtung an den Decken, Einbauten in den Toiletten. Und was man sonst so alles braucht, wenn ein Flughafen ein neues Abfertigungsgebäude in Betrieb nehmen möchte. Im kommenden Jahr soll das neue Satellitenterminal am Münchner Airport fertiggestellt werden. Und 2016 soll, sofern alles klappt, der erste Passagier durch die neuen Hallen wandeln.

Damit der dann aber auch abgefertigt, kontrolliert, betreut und versorgt werden kann, müssen auch eine Menge zusätzliche Mitarbeiter gefunden werden. Und die suchen die beteiligten Unternehmen und Behörden schon jetzt. Beim Zoll zum Beispiel müssen die angehenden Beamten zunächst - je nachdem, ob im mittleren oder im gehobenen Dienst - erst eine zwei- bis dreijährige Ausbildung absolvieren, bevor sie eingesetzt werden. "Daher suchen wir jetzt bereits dringend zusätzliches Personal für den Satelliten", sagt Thomas Meister vom Zoll. Die Bewerbungsfrist für die Teilnehmer der nächsten Ausbildungslehrgänge, die dann im Sommer 2015 beginnen, läuft bereits in fünf Wochen aus.

Der Zoll stockt seine Mitarbeiterzahl um ein Viertel auf

Aber nicht nur der Zoll wird mit dem Satellitenterminal sein Personal ordentlich aufstocken - allein bei dieser Bundesbehörde wächst die Zahl der Beschäftigten von jetzt 400 um ein Viertel auf dann etwa 500 Leute. Auch die Bundespolizei, die Betreibergesellschaft des Flughafens und nicht zuletzt die Lufthansa als Hauptnutzerin des neuen Terminals suchen nach zusätzlichen Mitarbeitern.

Das neue Satellitenterminal entsteht derzeit auf dem östlichen Vorfeld. Insgesamt 877 Millionen Euro investieren die Flughafenbetreibergesellschaft und die Lufthansa in die Erweiterung. Das Gebäude ist über eine Art Mini-U-Bahn (mit nur 400 Metern Streckenlänge) mit dem bestehenden Terminal 2 verbunden. Wer mit Lufthansa oder einer ihrer Partner-Airlines fliegt, wird nach wie vor am Terminal 2 einchecken - dann aber unter Umständen mit der Mini-U-Bahn in den Satelliten rauschen und dort in seinen Flieger steigen. Oder eben dort landen.

Die Idee dahinter: Am Satelliten entstehen unterm Strich 27 neue Abstellpositionen am Gebäude, sodass die Fluggäste dort direkt ins Flugzeug einsteigen können. Zeitraubende Busfahrten auf dem Vorfeld zu den Jets fallen damit weg. Zudem erweitern der Flughafen und die Lufthansa damit die Kapazität im Terminal 2 um elf Millionen auf 36 Millionen Passagiere pro Jahr. Allein die Lufthansa will zwei neue Service- und Betreuungszentren für umsteigende Passagiere einrichten, zudem sind fünf Lounges geplant. Unterm Strich werde sich die Loungefläche damit verdoppeln.

Um dort die Fluggäste betreuen zu können, benötigt die Fluggesellschaft zusätzliche Leute. Der Personalstamm werde daher "schrittweise um einige hundert Mitarbeiter wachsen", heißt es bei der Lufthansa. Konkrete Zahlen allerdings will der Konzern nicht nennen; denn derzeit läuft zugleich auch ein Sparprogramm, mit dem sich die Airline rüsten will, um gegen die wachsende Konkurrenz aus Asien und dem arabischen Raum bestehen zu können. Viele Lufthanseaten fürchten daher auch um ihre Jobs.

Der Münchner Lufthansa-Statthalter Thomas Klühr allerdings hofft, viele Mitarbeiter, die jetzt bereits an Bord sind, dort unterbringen zu können. Die Inbetriebnahme des Satellitenterminals im Jahr 2016 sei "ein glücklicher Umstand, der uns in München hilft, die Situation zu meistern", meint Klühr.

Konkreter wird dagegen die Betreibergesellschaft des Flughafens, die FMG. "Der größte Personalbedarf dürfte bei den Töchtern Eurotrade und Allresto entstehen", sagt Florian Steuer von der FMG. Diese beiden Unternehmen betreiben die zahlreichen Einkaufspassagen und Restaurants am Airport. Mit dem Bau des Satellitenterminals verfolgt Flughafenchef Michael Kerkloh nicht nur das Ziel, den Fluggästen mehr direkte Zugänge zu den Jets zu bieten. Er hofft auch, dass diese sich beim Warten die Zeit damit vertreiben werden, in den neuen Einkaufsbereichen am Flughafen viel Geld auszugeben. Auf etwa 600 zusätzliche Stellen beziffert FMG-Mann Steuer den Bedarf bei den beiden Tochterfirmen, hinzu kommen weitere 300 Leute bei der Muttergesellschaft. Dort vor allem in der Informationstechnik.

Probleme haben fast alle Unternehmen und Behörden, genügend Bewerber und Interessenten zu finden - in der Region rund um den Flughafen herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Die Personalabteilungen touren durch Schulen und präsentieren sich auf Messen, schalten Anzeigen oder spezielle Internetseiten. Doch mittlerweile reicht das nicht mehr aus.

Der Zoll zum Beispiel hat vor einiger Zeit die Altersgrenze bei Neueinstellungen abgeschafft. Bis dahin galt eine Höchstgrenze von 32 Jahren. "Nun kommen auch Menschen mit Mitte 30 oder sogar Anfang 40 zu uns", sagt Zoll- Mann Meister. Also auch Leute, die bereits in einem anderen Beruf tätig waren. Nicht nur diese, sagt Meister, könne man vor allem mit dem Argument eines nahezu krisensicheren Jobs anwerben. Zudem versuchen Unternehmen und Behörden, ihre flexiblen Schicht- und Arbeitszeitmodelle in den Vordergrund zu schieben, mit denen die Bewerber Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen könnten.

Im Südosten Bayerns gibt es "ein großes Mitarbeiterreservoir"

Außerdem liegt Flughafenchef Kerkloh den Verkehrspolitikern im Bund und im Freistaat seit Jahren in den Ohren: Mit einer besseren Anbindung des Airports ans Schienennetz wäre es für die Unternehmen auch einfacher, Mitarbeiter zum Beispiel aus dem Südosten Bayerns anzuwerben. "Dort ist ein großes Mitarbeiterreservoir", sagt Kerkloh.

Bis jetzt aber geht es nur in Trippelschritten voran: Zwar soll wohl noch in diesem Herbst das Genehmigungsverfahren für die seit Jahren geplante Verlängerung der bestehenden S-Bahn-Trasse von Erding zum Flughafen-Bahnhof unter dem Zentralbereich anlaufen. Die Anbindung Erdings aber an die Bahnstrecke nach Mühldorf und Freilassing sowie deren Ausbau - das alles wird sich noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, hinziehen.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2014/tba
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