Süddeutsche Zeitung

Flughafen München:Deutschlands nahezu einziger Airport, der noch ausgebaut werden könnte

Lesezeit: 2 min

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die Entscheidung, den Bau der dritten Bahn am Flughafen zumindest zu verschieben, ist zwar nur der Vereinbarung einer neuen Koalitionsregierung in einem Bundesland geschuldet, sie ist aber über München und Bayern hinaus relevant. Denn München ist nahezu der einzige Standort in Deutschland, an dem ein Flughafen-Ausbau langfristig wirtschaftlich sinnvoll und auch politisch machbar sein könnte.

Die deutsche Flughafenbranche ist in drei Segmente aufgeteilt. Es gibt die beiden großen Drehkreuze Frankfurt und München, die zentralen Säulen der Lufthansa. In die zweite Gruppe gehören die Airports der großen Metropolen wie Hamburg, Düsseldorf, Berlin oder Stuttgart, die aber keine Drehkreuze sind und nach menschlichem Ermessen keine Chance haben, in diese Rolle hineinzuwachsen. Ein Ausbau ist bei den meisten entweder politisch nicht gewollt oder gar nicht nötig. Und es gibt eine Reihe von kleinen Regionalflughäfen wie Bremen, Weeze oder Erfurt, von denen die meisten defizitär arbeiten, weil ihre Kapazität nicht annähernd ausgelastet ist.

Neben der Münchner Startbahn sind in der deutschen Luftfahrt derzeit zwei große Infrastrukturprojekte geplant oder in Bau: Der berüchtigte und lange verspätete neue Berliner Flughafen, der nun angeblich im Oktober 2020 eröffnet werden soll, und der Bau des Terminals 3 am Frankfurter Flughafen. Wenn Berlin dieses Mal tatsächlich eröffnet wird, wird er kaum den Verkehr bewältigen können, den die beiden anderen Flughäfen der Stadt derzeit abwickeln.

Er muss also bald mit zusätzlichen Abfertigungsgebäuden expandieren, vielleicht bleibt sogar doch noch Tegel offen. Frankfurt wiederum hat 2011 die Landebahn Nordwest eröffnet und seither keine Engpässe mehr in Sachen Bahnensystem. Die Abfertigungsgebäude hingegen platzen aus allen Nähten. Das Terminal 3 soll das Problem lösen - allerdings wird es erst im Sommer 2023 fertig.

Noch ist in München, so findet auch die Lufthansa, genügend Platz, um wachsen zu können. Wer aber profitiert, sollte nach Frankfurt auch Münchens Kapazitäten zulaufen? Nach klassischer Lesart schlägt spätestens dann die Stunde der Drehkreuze am Persischen Golf und in Istanbul, die Langstreckenverkehr absaugen. Die Realität dürfte aber wesentlich differenzierter sein.

Denn Probleme mit der Infrastruktur sind entgegen dem Klischee auch dort nicht unbekannt: Der Flughafen Dubai ist dank schnellen Wachstums an der Grenze seiner Möglichkeiten, und je größer er wird, desto schwieriger wird der Umzug an den neuen Airport Dubai World Central, der auch schon mehrfach verschoben wurde. Im benachbarten Abu Dhabi ist gerade das bisherige Geschäftsmodell des ehemaligen Air-Berlin-Anteilseigners Etihad implodiert, die Fluglinie soll eher schrumpfen. Der Standort wird künftig also eher weniger Gefahr für die Lufthansa und ihre deutschen Standorte darstellen. Ohnehin sind die nahöstlichen Drehkreuze nur für Verkehrsströme nach Asien eine Konkurrenz.

Was Frankfurt und München auf Dauer wehtun könnte, ist ein anderer Trend. Immer mehr Fluggesellschaften versuchen, angesichts der Infrastrukturengpässe Langstrecken auf Airports der zweiten Kategorie zu verlegen. Davon könnten Standorte wie Hamburg, Düsseldorf, Berlin oder sogar Stuttgart profitieren, zumal die Flugzeughersteller kleinere Modelle mit großer Reichweite entwickeln.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4198037
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.