Vier Meter in vier Sekunden. Nach vier Stunden Theorie über Akkuladezeiten, Start- und Landeerlaubnis, Sperrzonen wie die um den Bundestag in Berlin und das richtige Bedienfeld auf dem iPad geht es am Ende sehr schnell. Frank Lemm steht an einem Feldrand in München-Allach, die weiße Drohne mit den vier essstäbchenlangen Rotoren an den Armen und dem Corpus eines BigMacs surrt einen Moment vor ihm auf der Blechplatte in der Wiese, dann steigt sie auf vier Meter Höhe und steht stabil in der Luft. Ist doch alles ganz einfach mit der computergesteuerten Lenkung, dem GPS-Sensor und der eingebauten Kamera. Dieses Wunderwerkzeug zur Rettung der Welt, das eine Ära prägen soll wie das Internet vor zwei Jahrzehnten, ist unkompliziert. Oder?
Frank Lemm, der ein wenig aussieht wie der junge Jack Nicholson mit langen Haaren, lächelt unter seinem Cap, die Ärmel des Karohemdes hochgeschoben, die Chucks in Duellierbreite eines Cowboys in den Rasen gestemmt. Wenn die sechs Teilnehmer des Drohnen-Kurses an diesem Tag eines lernen, dann das: Nichts ist so kompliziert wie diese neue, bislang noch nicht durchdachte Welt in Deutschland. Und dabei ist das Fliegen der Drohne noch das Einfachste.
Der weiße Copter, eine P4, die mit Bedien-Pad etwa 2000 Euro kostet, surrt, Lemm will gleich über den angrenzenden Acker fliegen und auf der anderen Seite bei der Häuserreihe ein Foto machen. Ein leichter Wind zieht auf, es tröpfelt, in dem Moment kommt ein Mann mit einem Schäferhund den Weg entlang. Alles nicht optimal, und dann verzieht Lemm fast nicholsonartig sein Gesicht. "Aircraft is in a warning zone?" Alle anderen Parameter stimmen, die Drohne hat zu insgesamt 15 Satelliten Kontakt aufgenommen, der Ultraschallsensor zeigt stabil vier Meter Höhe an, Lemm zückt sein Handy, startet die App "My Fly-Zone", in der alle Bereiche eingezeichnet sind, in denen man keine Drohne starten darf, wie Krankenhäuser, Flughäfen oder wichtige Gebäude. "Stimmt nicht, Fehlalarm." Lemm zieht die Drohne über den Acker.
400 000 Copter gibt es in Deutschland, und 2017 soll sich die Zahl verdoppeln, sagt Lemm. Dabei ist das Regelwerk für das Fliegen der Geräte hochkomplex. Zum Beispiel muss Lemm für seinen Start an diesem Mittag zunächst zwei Genehmigungen haben. Zum einen eine Start- und Landeerlaubnis, die hat er sich vom Besitzer des Ackers geholt. Und dann braucht er die Allgemeinverfügung, um auf bis zu hundert Meter Höhe aufsteigen zu dürfen. Würde er nun mit seiner Drohne, die eine Kamera enthält, über ein Privathaus fliegen, könnte der Besitzer ihn abmahnen, er würde seine Allgemeinverfügung verlieren und dürfte nicht mehr fliegen, in Bayern. Zu kompliziert? Es geht gerade erst los.
Jedes Bundesland hat eigene Vorgaben. "Das Luftamt arbeitet dabei mit Kriterien, die 25 Jahre alt sind." Zudem gibt Lemm immer vor einem Flug der Polizei Bescheid, dass er fliegen wird. Denn so schön es Passanten oft finden, eine Drohne am Himmel summen zu sehen, "so unheimlich ist es für jemanden, wenn er eine Drohne ohne den dazugehörigen Piloten sieht". Viele Menschen rufen die Polizei, und die ist dann gerne informiert, um nicht einen Streifenwagen losschicken zu müssen. Möchte Lemm auf einer Straße starten, muss er in München eine Erlaubnis beim Kreisverwaltungsreferat beantragen und den Startpunkt mit Absperrband markieren. Neulich hat er in München gedreht mit einer Drohne. Im Restaurant H'ugo's stieg er auf, mit Erlaubnis der Besitzer, flog nicht über Menschen, nur über Dächer, und machte herrliche Panorama-Bilder.
"Drohnen sind das neue Web"
Das Manuskript, das Lemm bei seinen Seminaren verteilt, hat mehr als hundert Seiten. Das Seminar, das er drei Mal die Woche gibt, ist fast immer ausgebucht.
Frank Lemm lächelt viel an diesem Tag, es ist meist das ganz leicht überhebliche Lächeln eines Menschen, der weiß, dass er es besser weiß. "Warum die Leute bei mir diese Kurse machen?" Weil die autonom fliegenden Kameras sehr, sehr viele Möglichkeiten bieten, sagt er. Lemm ist gelernter Fotograf, hat aber zu Beginn des Internet-Booms bei EM-TV im Webbereich gearbeitet. "Drohnen sind das neue Web", sagt er. Noch wüssten die Leute gar nicht, wo man die Geräte überall einsetzen wird.
"Ich habe eine Anfrage einer Firma, die für die Feuerwehren arbeitet, um die Feuerwehrmänner als Piloten auszubilden." Feuerwehrdrohnen könnten nach Bränden mit Infrarotkameras Glutnester erkennen. Drohnen mit Nässesensoren könnten Deiche überfliegen und erkennen, wo diese brechen werden, Drohnen mit Luftsensoren können bei Gefahrgutunfällen in Chemie-Unternehmen Giftstoffe identifizieren, im Agrarsektor werden Drohnen Saatgut ausbringen.