Fluggerät:Der Herr der Drohnen

Fluggerät: "Drohnen sind das neue Web", sagt Frank Lemm. Er bildet Piloten aus und glaubt, dass die Kameras eine Ära prägen werden wie das Internet.

"Drohnen sind das neue Web", sagt Frank Lemm. Er bildet Piloten aus und glaubt, dass die Kameras eine Ära prägen werden wie das Internet.

(Foto: Catherina Hess)

Frank Lemms Kurse sind gefragt. Er hat die komplizierte Welt der fliegenden Kameras durchdrungen. Und weiß, warum es keine gute Idee ist, Pakete per Drohne auszuliefern.

Von Philipp Crone

Vier Meter in vier Sekunden. Nach vier Stunden Theorie über Akkuladezeiten, Start- und Landeerlaubnis, Sperrzonen wie die um den Bundestag in Berlin und das richtige Bedienfeld auf dem iPad geht es am Ende sehr schnell. Frank Lemm steht an einem Feldrand in München-Allach, die weiße Drohne mit den vier essstäbchenlangen Rotoren an den Armen und dem Corpus eines BigMacs surrt einen Moment vor ihm auf der Blechplatte in der Wiese, dann steigt sie auf vier Meter Höhe und steht stabil in der Luft. Ist doch alles ganz einfach mit der computergesteuerten Lenkung, dem GPS-Sensor und der eingebauten Kamera. Dieses Wunderwerkzeug zur Rettung der Welt, das eine Ära prägen soll wie das Internet vor zwei Jahrzehnten, ist unkompliziert. Oder?

Frank Lemm, der ein wenig aussieht wie der junge Jack Nicholson mit langen Haaren, lächelt unter seinem Cap, die Ärmel des Karohemdes hochgeschoben, die Chucks in Duellierbreite eines Cowboys in den Rasen gestemmt. Wenn die sechs Teilnehmer des Drohnen-Kurses an diesem Tag eines lernen, dann das: Nichts ist so kompliziert wie diese neue, bislang noch nicht durchdachte Welt in Deutschland. Und dabei ist das Fliegen der Drohne noch das Einfachste.

Der weiße Copter, eine P4, die mit Bedien-Pad etwa 2000 Euro kostet, surrt, Lemm will gleich über den angrenzenden Acker fliegen und auf der anderen Seite bei der Häuserreihe ein Foto machen. Ein leichter Wind zieht auf, es tröpfelt, in dem Moment kommt ein Mann mit einem Schäferhund den Weg entlang. Alles nicht optimal, und dann verzieht Lemm fast nicholsonartig sein Gesicht. "Aircraft is in a warning zone?" Alle anderen Parameter stimmen, die Drohne hat zu insgesamt 15 Satelliten Kontakt aufgenommen, der Ultraschallsensor zeigt stabil vier Meter Höhe an, Lemm zückt sein Handy, startet die App "My Fly-Zone", in der alle Bereiche eingezeichnet sind, in denen man keine Drohne starten darf, wie Krankenhäuser, Flughäfen oder wichtige Gebäude. "Stimmt nicht, Fehlalarm." Lemm zieht die Drohne über den Acker.

400 000 Copter gibt es in Deutschland, und 2017 soll sich die Zahl verdoppeln, sagt Lemm. Dabei ist das Regelwerk für das Fliegen der Geräte hochkomplex. Zum Beispiel muss Lemm für seinen Start an diesem Mittag zunächst zwei Genehmigungen haben. Zum einen eine Start- und Landeerlaubnis, die hat er sich vom Besitzer des Ackers geholt. Und dann braucht er die Allgemeinverfügung, um auf bis zu hundert Meter Höhe aufsteigen zu dürfen. Würde er nun mit seiner Drohne, die eine Kamera enthält, über ein Privathaus fliegen, könnte der Besitzer ihn abmahnen, er würde seine Allgemeinverfügung verlieren und dürfte nicht mehr fliegen, in Bayern. Zu kompliziert? Es geht gerade erst los.

Jedes Bundesland hat eigene Vorgaben. "Das Luftamt arbeitet dabei mit Kriterien, die 25 Jahre alt sind." Zudem gibt Lemm immer vor einem Flug der Polizei Bescheid, dass er fliegen wird. Denn so schön es Passanten oft finden, eine Drohne am Himmel summen zu sehen, "so unheimlich ist es für jemanden, wenn er eine Drohne ohne den dazugehörigen Piloten sieht". Viele Menschen rufen die Polizei, und die ist dann gerne informiert, um nicht einen Streifenwagen losschicken zu müssen. Möchte Lemm auf einer Straße starten, muss er in München eine Erlaubnis beim Kreisverwaltungsreferat beantragen und den Startpunkt mit Absperrband markieren. Neulich hat er in München gedreht mit einer Drohne. Im Restaurant H'ugo's stieg er auf, mit Erlaubnis der Besitzer, flog nicht über Menschen, nur über Dächer, und machte herrliche Panorama-Bilder.

"Drohnen sind das neue Web"

Das Manuskript, das Lemm bei seinen Seminaren verteilt, hat mehr als hundert Seiten. Das Seminar, das er drei Mal die Woche gibt, ist fast immer ausgebucht.

Frank Lemm lächelt viel an diesem Tag, es ist meist das ganz leicht überhebliche Lächeln eines Menschen, der weiß, dass er es besser weiß. "Warum die Leute bei mir diese Kurse machen?" Weil die autonom fliegenden Kameras sehr, sehr viele Möglichkeiten bieten, sagt er. Lemm ist gelernter Fotograf, hat aber zu Beginn des Internet-Booms bei EM-TV im Webbereich gearbeitet. "Drohnen sind das neue Web", sagt er. Noch wüssten die Leute gar nicht, wo man die Geräte überall einsetzen wird.

"Ich habe eine Anfrage einer Firma, die für die Feuerwehren arbeitet, um die Feuerwehrmänner als Piloten auszubilden." Feuerwehrdrohnen könnten nach Bränden mit Infrarotkameras Glutnester erkennen. Drohnen mit Nässesensoren könnten Deiche überfliegen und erkennen, wo diese brechen werden, Drohnen mit Luftsensoren können bei Gefahrgutunfällen in Chemie-Unternehmen Giftstoffe identifizieren, im Agrarsektor werden Drohnen Saatgut ausbringen.

Der Pilot muss noch immer alles im Griff haben

"Rettungskräfte können bei einem großen Unfall auf einer Straße mit vielen Autos über Drohnenbilder entscheiden, wo sie zuerst helfen müssen, und nicht, wie bisher, sich von hinten oder vorne durcharbeiten." Sturmschäden an Hausdächern können von der Feuerwehr mit einer Drohne überprüft werden, "ohne dass man aufwendig ein Gerüst hochziehen muss". Und die Wasserrettung kann Rettungsringe direkt über Menschen in Not abwerfen, "und wahrscheinlich können die Drohnen auch in naher Zukunft tauchen". Und Forensiker begutachten Tatorte mit Drohnen. Entscheidend ist immer beim Einsatz einer Drohne: Man kommt schnell zu einer Erkenntnis, die man schnell benötigt.

Vielleicht müsste man einen derart begeisterten Drohnen-Fanatiker eher fragen, was die Copter nicht können. Lemm grinst: "Pakete ausliefern in Städten." Davon hält der 48-Jährige nichts, weil es einfach zu viele Regularien einzuhalten gibt, außerdem würden die bei Regen "einfach runterfallen". Allein schon, dass keine Drohne über Menschenansammlungen fliegen darf, weil es auch immer wieder vorkommt, dass die Copter trotz ausgefeilter Technik abstürzen. So wie bei einem Skirennen vor einiger Zeit, als einer der Fahrer nur knapp einer Kollision entkam. "Bei den Rennen haben die Drohnen ihre Luftkorridore, in denen sie fliegen dürfen, aber nie über Menschen." In entlegenen Gebieten kann sich Lemm schon den Einsatz von Drohnen vorstellen, "oder um Medikamente in Entwicklungsländern an den Mann zu bringen". Schwierig wird es bei den Geräten, wenn sie Lasten tragen müssen. "Dann sind die Dinger gleich sehr teuer und die Akkulaufzeit wird ziemlich kurz."

Christoph Bach, Vorsitzender des vor Kurzem gegründeten Bundesverbands der Copterpiloten, sagt: "Die Technik ist sehr weitläufig einsetzbar." Derzeit werde vom Verkehrsministerium auch ein Entwurf für eine Art Drohnenführerschein geprüft. "Wenn es generelle Vorgaben gibt, ist der Aufwand für einzelne Genehmigungen geringer." Denn die größte Gefahr bei Drohneneinsätzen sei bei weitem das mögliche Unwissen der Piloten. "Auch wenn die Geräte immer besser werden, muss der Pilot noch immer alles im Griff haben."

Der Hund schaut zu dem summenden weißen Fleck am Himmel, während Lemm die Drohne über den Acker steuert. Ein Vogel fliegt vorbei. Die Drohne steigt auf 15 Meter Höhe, schwankt leicht.

Angefangen habe alles mit den Immobilienmaklern, sagt Lemm. "Wir sind als Copter-Fotografen ja Emotionsbildner", sagt Lemm. Die Makler wollen ihre Anwesen emotional aufladen. Die für den Menschen ungewohnte Perspektive von hoch oben aus der Luft vereint Unbekanntes und die Ursehnsucht des Menschen, das Fliegen. So kam auch Lemm selbst zur Drohne. Ein Freund wollte Bilder einer Berghütte, da setzte er sich vor einigen Jahren mit dem Thema auseinander. Seitdem hat er Hunderte Drohnenpiloten ausgebildet, zwischen 16 und 74 Jahre alt, zu 90 Prozent Männer, obwohl auch seine beiden 14- und 19-jährigen Töchter Gefallen an den Geräten haben. Sein "Flugbefähigungsausweis" ist zwar kein offizielles Dokument, aber eine richtige Nachweispflicht wird kommen. Spätestens seit Verkehrsminister Alexander Dobrindt vom Drohnen-Führerschein gesprochen hat, sind Lemms Kurse ausgebucht.

Wenn ein Flug gewerblich ist, wird es schnell teuer

Die sechs Teilnehmer wissen am Ende, dass kalte Akkus im Winter nur halb so viel Energie speichern wie im Sommer, wo sie sich anmelden müssen. Dass die intelligente Batterie der Drohnen verhindert, dass sie abstürzt und rechtzeitig mit dem Rest der Ladung zum Ausgangspunkt zurückfliegt. Dass der Luftraum G bis zu 700 Meter Höhe geht, sie nur auf Sicht fliegen dürfen und aus einem privaten Flug schnell ein gewerblicher wird, "zum Beispiel, wenn ich bei einer Hochzeit von Freunden filme". Dann nennt sich die Drohne in der Fachsprache UAV, unmanned air vehicle, und die Haftpflichtversicherung kostet ein Vielfaches im Vergleich zum privaten Gebrauch.

Frank Lemm lässt die Drohne zurückfliegen, kurz vor der Gruppe bleibt sie in der Luft, Lemm dreht die Kamera, die sieben Leute rücken zusammen. Eigentlich ein Bild, das jeden Fotograf erschauern lassen würde. Aber allein durch die Perspektive hat das Motiv etwas Erhabenes, Besonderes. Lemm landet den Copter, auf der SD-Karte wieder eine gut gebaute Emotion.

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