Süddeutsche Zeitung

Flüchtlingsdebatte:Heftige Kritik an SPD-Fraktionschef

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Von Inga Rahmsdorf, München

Aussagen des Münchner SPD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Reissl zur Flüchtlingssituation sind innerhalb seiner Partei auf heftige Kritik gestoßen. "Wir sollten nicht suggerieren, dass alle Flüchtlinge bei uns willkommen sind", sagte Reissl und forderte, zwischen verschiedenen Flüchtlingen zu differenzieren. SPD-Parteikollegen zeigten sich am Dienstag verärgert bis entsetzt über diese Aussagen und betonten, dass die Haltung Reissls keineswegs der Meinung seiner Fraktion entspreche.

"An unserer Willkommenskultur hat sich nichts verändert", sagte Beatrix Zurek, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. "Jeder, der flieht, egal aus welchem Land, hat Anspruch darauf, dass sein Asylantrag geprüft wird." Von einem Ende der Willkommenskultur zu sprechen helfe den Kommunen nicht, die Herausforderungen zu meistern. Es sei die private Meinung von Reissl und nicht die seiner Fraktion, betonte auch SPD-Stadträtin Anne Hübner. Sie halte es für falsch, zwischen guten und schlechten Flüchtlingen zu unterscheiden.

Auch die Jusos München bezogen deutliche Position gegen Reissls Haltung: Die SPD-Jugendorganisation lehne "die Einteilung von Geflüchteten vorab strikt ab" und distanziere sich von solchen Aussagen, so Lena Sterzer, Vorsitzende der Jusos München. Stattdessen appelliere sie an die SPD-Fraktion, die Münchner Willkommenskultur nicht in Frage zu stellen.

Es sei bei diesem Thema unangebracht, den Duktus der CSU zu übernehmen. Die Verantwortung liege in Bayern bei der CSU-Regierung, die über Jahre die Strukturen im Asylbereich abgebaut habe. Auch die Münchner Grünen zeigten sich verwundert über Reissls Ton. Die schlimme Situation der Menschen aus den Balkan-Staaten verlange nach einer politischen Antwort und nicht nach populistischer Meinungsmache, so Fraktionschefin Gülseren Demirel.

Erfreut über Reissls Äußerungen zeigte sich dagegen Bürgermeister Josef Schmid (CSU). "Wir sind an der Grenze unserer Aufnahmekapazität." Daher sende er auch ein "klares SOS-Signal" an die Landes- und Bundesregierung. "Wir hier in München, wir können nicht allen helfen", sagte Schmid. Das werde auch daran deutlich, dass der Stadtrat nun schon Leichtbauhallen bewillige.

Unterstützung von Josef Schmid

Schmid forderte mehr Personal, eine schnellere Umsetzung der Pläne der bayerischen Staatsregierung, und auch Flüchtlinge vom Balkan schneller auszuweisen. Außerdem plädierte er dafür, den Verteilungsschlüssel zu ändern. Die Münchner CSU-Fraktion begrüßte ebenfalls Reissls Aussagen und erklärte in einer Pressemitteilung, dass es unabdingbar sei, stärker bei den Flüchtlingen zu differenzieren.

Asylbewerber aus Kriegsgebieten müssten ohne jede Frage die volle Unterstützung erhalten. "Verfahren für Asylbewerber, die primär aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation ihrer Heimatländer hierher kommen, müssen anders gehandhabt werden", so die Stellungnahme der Fraktion.

Auf SZ-Nachfrage sagte Reissl jedoch auch, dass er kein Ende der Willkommenskultur ausrufen wolle. Er werbe immer wieder bei Bürgerversammlungen und in Bezirksausschüssen für Verständnis für Flüchtlinge und bedanke sich bei denen, die sich für diese Menschen engagieren. Es sei eine Herausforderung, die Flüchtlinge unterzubringen, aber München habe das Glück, gute Steuereinnahmen zu haben.

"Die Flüchtlingssituation zwingt die Stadt nicht in die Knie", sagte Reissl. "Ich habe nicht den Eindruck, dass wir an den Grenzen unserer finanziellen Leistungsfähigkeit angelangt sind."

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Quelle:
SZ vom 12.08.2015
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