Flüchtlinge und Oktoberfest:"Ein schieres Massenproblem"

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Zum Oktoberfest erwartet München wieder Millionen Besucher. (Foto: dpa)

In wenigen Tagen treffen Wiesnbesucher und Flüchtlinge in München aufeinander. Polizei und Bahn rüsten sich für den Großeinsatz.

Von Marco Völklein, München

Der Rathaus-Chef zumindest bleibt entspannt beim Blick auf das kommende Wochenende. Der Wiesnstart und gleichzeitig ankommende Flüchtlinge - für Oberbürgermeister Dieter Reiter stellt das kein Problem dar.

Mit genügend Polizisten sei das zu stemmen, zumal sich die beiden Passagierströme am Hauptbahnhof wenig in die Quere kämen: Wer zum Oktoberfest will, verlässt die Station in Richtung Bayerstraße, also nach Süden. Die Betreuung der Flüchtlinge wird von Behörden und Helfern im Norden des Areals abgewickelt. Zudem sei es ein "wichtiges Signal", sagt Reiter, das Volksfest trotz aller aktuellen Umstände stattfinden zu lassen.

Hauptbahnhof und Hackerbrücke sind Wiesn-Brennpunkte

Dennoch sind die Verantwortlichen, insbesondere bei der Bundespolizei sowie der Deutschen Bahn, angespannt. "Seit Sonntagabend stehen wir vor einer neuen Lage", sagt Simon Hegewald von der Bundespolizeiinspektion am Hauptbahnhof. Derzeit sei "alles im Fluss". Dienstpläne müssten neu organisiert werden, Personalstärken neu geplant und Zusatzkräfte neu disponiert werden.

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Die Situation ist eingetreten, die die Stadt unbedingt vermeiden wollte: München kann nicht mehr allen Zufluchtsuchenden ein Dach über dem Kopf bieten. Oberbürgermeister Reiter vermag seine Wut über die fehlende Unterstützung der Bundesländer nicht mehr zu verbergen.

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Denn noch ist unklar, wie viele Bundespolizisten zu den seit Sonntagabend wieder eingerichteten Kontrollstellen an der Grenze zu Österreich abkommandiert werden. Und wie viele für den Wiesneinsatz an Münchner Brennpunkten zur Verfügung stehen.

Von denen gibt es während der Festzeit insbesondere zwei: den Hauptbahnhof und den S-Bahn-Halt Hackerbrücke. Dort sind die Beamten in Blau im Dauereinsatz, weil die Menschen vor allem nach Zeltschluss in Massen auf die Bahnsteige drängen. Viele davon angetrunken. Insbesondere an der Hackerbrücke mussten die Polizisten in den vergangenen Jahren den Zugang zur Station immer wieder für kurze Zeit abriegeln, damit die S-Bahnen die Reisenden abfahren konnten.

Erst wenn auf dem Bahnsteig wieder genügend Platz war, ließen die Bundespolizisten weitere Reisende nachrücken. "Blockabfertigung" wird das Verfahren genannt. Es funktioniert nur, wenn genügend Polizisten zur Verfügung stehen. "Mit zehn Mann in Uniform ist es nicht getan", sagt ein Polizei-Gewerkschafter. Um die Masse der Angetrunkenen bei Laune zu halten, spielten die Beamten zudem aus einem Lautsprecher-Lkw Partymusik, garniert mit deeskalierenden Durchsagen. Mancher Wiesn-Gänger schwärmte am Tag danach schon vom "blau-weißen Party-Bus".

Sonderzüge für Flüchtlinge? Auch die Deutsche Bahn ist angespannt

Ob der allerdings heuer wieder zum Einsatz kommt, ist offen. Personal- und Einsatzplanung seien noch nicht abgeschlossen, sagt Hegewald. Zumal sich auch nicht abschätzen lasse, wie sich die Kontrollen an der Grenze auf den Zustrom der Asylsuchenden nach München auswirken werden. Ähnlich sieht es die Deutsche Bahn, die sich mit ihren Ordnern ebenfalls vorbereiten muss - aber auch noch nicht weiß, was sie am Wochenende erwartet. Ein "normaler" Wiesnverkehr (was ja auch schon Ausnahmezustand bedeutet) wäre dann der Fall, wenn es gelänge, Asylbewerber in Sonderzügen um München herumzuleiten oder wenn durch die Grenzkontrollen überhaupt weniger Flüchtlinge einreisen.

Es könnte aber auch sein, dass zum Wiesnstart genau das Gegenteil passiert und neben den normalen Reisenden und den Oktoberfestbesuchern wieder Tausende Asylbewerber in den Hauptbahnhof drängen. "Das Problem ist weniger, dass sich Wiesnbesucher und Asylbewerber kreuzen", sagt Hegewald. Vielmehr gebe es "ein schieres Massenproblem". Und Menschenmassen, das weiß auch die Bahn-Tochterfirma DB Sicherheit, die die Sicherheitsleute des Konzerns stellt, lassen sich nur mit viel Personal bewältigen. Man habe daher, sagt ein Sprecher, "Unterstützung aus anderen Regionen" angefordert.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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