Wer sich als Mutter (oder Vater) mit Shamyah R. über ihren Beruf unterhält, wünscht sich augenblicklich, dass die eigenen Kinder genau so eine Lehrerin in der Schule hätten. Ihr warmes Lachen, ihre positive Ausstrahlung und ihre herzensgute Freude - wie wohltuend wäre das vor allem auch für Schülerinnen und Schüler, deren Eltern vor den Kriegen und Krisen dieser Welt geflohen sind. Sie lernen in den Übergangsklassen nun Deutsch, aber auch in anderen Fächern sollten sie den Anschluss nicht verlieren.
Arabisch, Mathematik und Kunst hat die 51-Jährige in Syrien an einem Gymnasium unterrichtet, auch eine Schule geleitet hat sie in ihrem Heimatland schon. In München sitzt sie nun selber wieder auf der Schulbank und lernt Deutsch. Wie ihr Mann und ihr Sohn Aldin, "der wirklich schlau ist", sagt Shamyah R. Sie ist sehr stolz auf den Zehnjährigen, weil er gute Chancen hat, im kommenden Jahr den Übertritt aufs Gymnasium zu schaffen. "Er bringt nur Zweier mit nach Hause." Und das, obwohl die Lernsituation alles andere als optimal für den Buben ist.
Die Familie lebt in einem kleinen Einzimmer-Appartement in einer Wohnungslosen-Pension. Als Mobiliar gibt es ein Bett, das sich Mutter und Sohn teilen, eine Couch und einen Tisch. An diesem lernen Shamyah R., ihr Mann und Aldin gemeinsam. Die Schulsachen hier ausbreiten? Keine Chance. Dennoch ist die Familie nicht nur zuversichtlich, sondern arbeitet auch zielstrebig daran, ihren Weg hier zu machen, weil sie in Syrien alles verloren hat.
"Wir hatten ein schönes, großes Haus", erinnert sich Shamyah R. Jeder ihrer vier Söhne hatte sein eigenes Zimmer, sie und ihr Mann, Tierarzt von Beruf, ein Arbeitszimmer. Dann kam der Krieg, das Haus wurde zerstört, die Familie stand vor dem Nichts und befand sich plötzlich in Lebensgefahr.
Den jüngsten Sohn mussten sie zunächst zurücklassen
Als Erster verließ der älteste Sohn 2019 sein Heimatland, auf der Flucht wurde er verletzt. Inzwischen wohnt er in einer WG in München und macht eine Ausbildung zum Friseur, im Januar steht die Abschlussprüfung an. Shamyah R., ihr Mann und die beiden mittleren Söhne konnten über die Familiennachzugsregelung nach Deutschland kommen. Der eine macht inzwischen eine Ausbildung als Pflegefachmann, der andere studiert - nur der jüngste Sohn erhielt aus unerklärlichen Gründen zunächst kein Visum.
Die Familie entschied sich dennoch, den Schritt zu wagen. Shamyah R.s Schwester nahm Aldin vorübergehend auf. "Sie hat sich immer schon um ihn gekümmert, wenn ich gearbeitet habe", berichtet die 51-Jährige, deshalb habe sie gewusst, dass er in guten Händen sei. "Ich habe zwei Mamas, sagt Aldin immer." Doch dass es mehrere Monate dauern würde, bis sie ihren Jüngsten in die Arme schließen konnte, damit hatte sie nicht gerechnet.
Nun hofft sie darauf, dass ihr Berufsabschluss aus Syrien anerkannt wird. Ebenso wie ihr Mann, der in Damaskus als Spezialist für Nutztiere in der Forschung von Impfstoffen mitgearbeitet hatte. Er besucht derzeit einen fachspezifischen Deutschkurs. Auch Shamyah R. hat die neue Sprache schon sehr gut gelernt, "denn dann haben wir hier gute Chancen, uns ein neues Leben aufzubauen", sagt sie. Am meisten wünscht sie sich eine größere Wohnung. "Es wäre so schön, wenn unser Sohn auch mal Schulfreunde nach Hause einladen könnte", sagt sie. Aber das sei in dem kleinen Appartement nicht möglich.
Bis nach Augsburg haben sie nach einer Wohnung gesucht
"Wir haben schon überall gesucht", berichtet sie. Selbst bis nach Augsburg hätten sie die Suche ausgeweitet, bisher ohne Erfolg. Und sehr viel weiter weg aus München möchten Shamyah R. und ihr Mann nicht ziehen. "Wir sind doch eine Familie", sagt sie. Sie seien geflüchtet, um zusammen in Sicherheit zu leben.
Für Weihnachten wünscht sich Shamyah R. ein Fahrrad und ein paar Spielsachen für Aldin. "Ich selber wünsche mir gar nichts", sagt sie mit ihrem warmen Lachen. "Wir haben doch schon so viel erreicht."
So können Sie spenden
Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V.
Stadtsparkasse München
IBAN: DE 86 7015 0000 0000 6007 00
BIC: SSKMDEMMXXX
Spenden an den SZ-Adventskalender sind steuerlich absetzbar. Bei Überweisungen von mehr als 300 Euro übersenden wir eine Spendenquittung. www.sz-adventskalender.de