Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge in München:Warum ein Ingenieur aus England kam, um zu helfen

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Ahmad al-Mansour arbeitet zwei Wochen ehrenamtlich im Ankunftszentrum in München. Er lebt selbst als Flüchtling in Cambridgeshire.

Von Lena Jakat

Irgendwann hielt er die schlechten Nachrichten nicht mehr aus, die Artikel über den Krieg in Syrien, die TV-Bilder von Menschen auf der Flucht. "Als ich hörte, dass sich Deutschland öffnet, entschloss ich mich, einen Weg zu finden, um zu helfen", sagt Ahmad al-Mansour. Er setzte sich an seinen Rechner in Peterborough, England, und begann zu suchen.

Das war vor einer Woche. Jetzt ist er in München, wo er bei der Asylsozialberatung der Inneren Mission mitarbeitet - zwei Wochen lang, ehrenamtlich. "Ich wollte helfen, nicht nur, weil ich selbst Syrer bin. Ich empfinde das als meine menschliche Verantwortung." Der 29-Jährige lächelt, als er hört, wie bedeutungsschwanger er klingt. Überhaupt lächelt al-Mansour sehr viel.

Wenn er erzählt, wie offen und hilfsbereit er selbst in England aufgenommen wurde, als er 2013 dort ankam. Wenn er von den Flüchtlingen berichtet, mit denen er hier spricht, denen er im Ankunftszentrum im Euroindustriepark hilft, die ersten Formulare auszufüllen oder die passenden Socken für das Baby zu finden.

Die er aufzuheitern versucht: "Diese Menschen sind oft schon froh, die eigene Sprache zu hören. Wenn jemand mit ihnen scherzt." Großbritannien hält seine Grenzen vor der Flüchtlingskrise bislang weitgehend verschlossen. Am Montag kündigte Premier David Cameron an, 20 000 Menschen aufnehmen zu wollen - in den kommenden fünf Jahren.

Gut 5000 Syrer leben bereits als Flüchtlinge im Vereinigten Königreich; einer von ihnen ist Ahmad al-Mansour. Seine Verwandten, die in Syrien geblieben sind, ziehen seit Beginn des Krieges immer wieder um, fliehen vor den Kämpfen. Al-Mansour kennt den Krieg nur aus Erzählungen und den Nachrichten, er selbst ist in den Golfstaaten aufgewachsen.

Er ging nach England, um zu studieren, nach seinem Abschluss beantragte er dort Asyl. "Als ich den Bescheid bekam, bleiben zu können, war ich sehr, sehr glücklich", sagt al-Mansour, der seit seinem Master-Abschluss freiberuflich als Ingenieur arbeitet.

Der 29-Jährige - Jeans, Flanellhemd, Augenbrauen wie waagrechte Balken - erzählt begeistert von seinem Leben in Cambridgeshire, von seinen Freunden aus der ganzen Welt. Davon, wie er durch eine Bekannte aus Island von der dortigen Solidaritätsaktion für Flüchtlinge erfahren hat.

Auf der Suche nach einem normalen Leben

Über seinen eigenen Status als Flüchtling sagt al-Mansour: "Ich bin immer sehr, sehr gut behandelt worden." Von den Behörden, von den Kommilitonen, den Kollegen. "Nie hat mich jemand spüren lassen, dass ich ein Flüchtling bin, dass ich nicht dazugehöre".

Der Ingenieur sagt von sich, er sei kein politischer Mensch. Aber ein bisschen enttäuscht sei er von der restriktiven Flüchtlingspolitik des Landes schon. Die britische Bevölkerung sei in dieser Frage zudem tief gespalten und manchmal habe er das vage Gefühl, dass seine Meinung nicht so recht erwünscht sei. Hier, in München, habe er das Gefühl, wirklich eine Hilfe zu sein.

Die Menschen, die hier ankommen, sprechen oft kein Deutsch, kaum Englisch, dafür Paschtu, Urdu - oder eben Arabisch. "Klar, sie haben einen völlig anderen Hintergrund als ich. Aber ich spreche ihre Sprache und verstehe auch ihre", sagt al-Mansour. "Die Menschen, die hierherkommen, sind nur auf der Suche nach einem ganz normalen Leben. Und wir versuchen sie, dabei zu unterstützen, so gut wir können."

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