Flüchtlinge in der Münchner Bayernkaserne:Lotsen im Chaos

Flüchtlinge in der Münchner Bayernkaserne: Leben hinterm Zaun: Die Situation vieler Flüchtlinge wie hier in der Bayernkaserne ist trostlos. Nun soll die Hilfe Freiwilliger koordiniert werden.

Leben hinterm Zaun: Die Situation vieler Flüchtlinge wie hier in der Bayernkaserne ist trostlos. Nun soll die Hilfe Freiwilliger koordiniert werden.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Wie kann die Not der Flüchtlinge in der Münchner Bayernkaserne gelindert werden? Einiges, was dafür gebraucht wird, ist vorhanden. Es fehlen nur Menschen, die Asylsuchende informieren.

Von Karoline Meta Beisel

Draußen vor dem Fenster sieht man in der Ferne dieses perfekte Riesenrad. Es leuchtet strahlend weiß in die Nacht, wie ein riesiger Stern. In Freimann stellt eine Firma Riesenräder her. Von hier aus werden sie in die ganze Welt verschickt, in Länder und Städte, in denen Menschen ihre Freizeit auf Volksfesten verbringen. Auch München ist so eine Stadt, den Münchnern geht es gut. Die Flüchtlinge, die in der Stadt ankommen, wissen das. Einige von ihnen haben auch schon Bilder gesehen vom Oktoberfest und den lachenden Menschen. Und dann sitzen sie hier, in einer Kaserne mit Blick auf das Riesenrad, und haben noch nicht mal einen richtigen Schlafplatz.

"Gehen denn Männer und Frauen hier auf dasselbe Klo?" fragt eine Dame. "Gerade habe ich jemanden gefragt, wo es zur Toilette geht, und der hat mich zur Herrentoilette geschickt!" Auf dem Gelände der Bayernkaserne, in einem Klassenzimmer in Haus 45, sind an diesem Dienstagabend gut 50 Menschen zusammengekommen. Sie ahnten schon, dass die Umstände nicht leicht sind für die Flüchtlinge, die in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind. Darum sind sie ja da, sie wollen helfen. Dass es aber noch nicht einmal getrennte Toiletten gibt, das erstaunt die Dame dann doch, das hört man.

"Es gibt viele Missstände, das kann sehr anstrengend sein"

Jana Weidhaase wiederum hört man an, dass die Frage nach den Klos hier bei weitem nicht das drängendste Problem ist. "Die Frauen benutzen die Männertoiletten und die Männer die Frauentoiletten", sagt sie, für sie ist das eine simple Feststellung. Manchmal benutzen die Menschen auch die Duschen als Toilette, aber das sagt die junge Frau nicht. Sie sagt nur: "Es gibt hier viele Missstände, das kann manchmal sehr anstrengend sein. Das müssen sie wissen, wenn sie hier mithelfen wollen."

Gemeinsam mit Kollegen des Vereins Lichterkette und des Sozialdienstes in der Bayernkaserne hat Jana Weidhaase von der Inneren Mission München an diesem Abend zu einer Informationsveranstaltung geladen. Es soll darum gehen, wie man sich hier vor Ort engagieren kann, um die Not in der völlig überfüllten Kaserne zu lindern. Eigentlich ist die Einrichtung im Münchner Norden auf 1200 Menschen ausgerichtet. Im Moment leben hier 2200, oder vielleicht 2400, so genau weiß das keiner.

Die Leute schlafen in den alten Unterkünften, die auf dem Gelände verstreut sind, aber auch in Stockbetten in den Garagen. Manche schlafen sogar draußen, im Moment geht das noch, gerade so. Die Menschen wollen helfen, manche haben Decken oder Wintersachen dabei, die hier gerade besonders dringend gebraucht werden. Auch Anwohner sind gekommen, um sich bei den Freiwilligen für die Unterstützung zu bedanken - nicht nur in der Kaserne, sondern auch gegen die Rechten, die im Viertel unterwegs sind. Die Helfer, die das erste Mal hier sind, haben vor allem Fragen.

"Was essen die Leute denn hier?" will einer wissen. Kantinenessen, kein Schweinefleisch, sagt Jana Weidhaase: "Bestimmt haben Sie auf dem Weg über das Gelände die langen Schlangen an der Essensausgabe gesehen." "Eine Frau mit einem Baby hat gesagt, es gibt keine Babynahrung, stimmt das?" Eigentlich gibt es welche, sagt Jana Weidhaase, aber es kann sein, dass nicht genug für alle da ist, oder dass die Frau versucht, eine zweite Portion zu bekommen. "Gibt es Musikinstrumente, damit die Flüchtlinge gemeinsam Musik machen können?" "Ja", sagt Weidhaase und zeigt auf ein Keyboard, das auf einem Schrank liegt. "Das Problem ist: Die Flüchtlinge wissen nichts davon."

Was fehlt, sind Menschen, die Informationen weitergeben

Vieles von dem, was in der Bayernkaserne benötigt wird oder wünschenswert wäre, ist theoretisch da, wenn auch von fast allem zu wenig. Musikinstrumente, Sprachkurse und Alphabetisierungskurse für all jene, die nicht lesen können, eine Sozialberatung, eine Kleiderkammer, Beratungsangebote für Schwangere, eine Kindergruppe, einen Frauenraum. Es gibt Busse zum Bahnhof und organisierte Ausflüge in die Stadt, Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung, ein paar Fußbälle und eben ein Keyboard. Was aber fehlt, sind Menschen, die all diese Informationen auch weitergeben.

Jana Weidhaase und ihre Kollegen hoffen, dass ein paar der Menschen, die an diesem Abend hergekommen sind, künftig mit anpacken, um genau dieses Problem wenigstens zu lindern, wenn es sich schon nicht richtig lösen lässt. "Lighthouse Welcome Center" heißt die Idee, für die sie gerade am dringendsten Freiwillige brauchen. Die Kunstsammlerin Ingvild Götz unterstützt das Projekt. An einem zentralen Ort in der Kaserne soll ein Infostand aufgebaut werden, an dem den ganzen Tag Lotsen stehen - eines Tages vielleicht sogar rund um die Uhr, schließlich werden auch nachts Flüchtlinge hier abgeliefert.

Mindestens zwei Stunden pro Woche solle man mitbringen, und wenigstens drei Monate dabeibleiben, erklären die Mitarbeiter - sonst lohne es sich nicht, die Helfer müssten ja selbst erst einmal eingearbeitet werden. Wer weniger Zeit hat, ist aber auch willkommen: vor allem in der Kleiderkammer werde ständig Hilfe benötigt. Und ganz egal, wo man mit anpackt: die Arbeit sei oft frustrierend. Schon allein darum, weil man sich häufig nur mit Händen und Füßen verständigen kann: In der Bayernkaserne werden mehr als 120 verschiedene Sprachen gesprochen.

Die wichtigste Botschaft, da sind sich Jana Weidhaase und ihre Kollegen einig, könne man aber auch nonverbal vermitteln. Weil die Einrichtung derzeit viel zu viele Menschen beherbergt, würden die Flüchtlinge überall schnell abgefertigt, hätten ständig das Gefühl, nicht erwünscht zu sein. "Wir wollen, dass die Menschen sich hier willkommen fühlen", sagt Jana Weidhaase. "Unsere Botschaft soll immer sein: Wir schaffen das!"

Informationen zu Hilfsmöglichkeiten für Freiwillige finden Sie unter www.sz.de/asylhelfer

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