Flüchtlinge:Wie de Maizière Afghanen in Angst versetzt

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Hassan Moradi, Farhad Amiri und Abdullah Obaid (v.l.) sprechen deutsch und wollen arbeiten. Doch ihnen droht die Abschiebung nach Afghanistan. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Flüchtlinge aus dem Land sollen vermehrt abgeschoben werden, fordert der Bundesinnenminister.
  • Drei Afghanen, die alles getan haben, um sich zu integieren, schildern ihre Ängste.
  • Die Beispiele zeigen: Auch Deutschland hätte Nachteile durch solche erzwungene Ausreisen.

Von Inga Rahmsdorf

Abdullah Obaid ist Jurist, lebt seit sechs Jahren in Deutschland und spricht fließend deutsch, neben sechs anderen Sprachen. Der 31-jährige Afghane hat keinen Integrationskurs besucht, er hat sich selbst Deutsch beigebracht, in einer Asylbewerberunterkunft. In Afghanistan hat er als Anwalt gearbeitet, in Bayern hat er vier Jahre lang darauf gewartet, arbeiten zu dürfen. Dann endlich hat er den Stempel erhalten.

Egal was, Hauptsache arbeiten

Er hat sich bei einer Leiharbeitsfirma beworben, egal was, Hauptsache arbeiten, sagt er. Obaid hat Steuern und seine Krankenkasse bezahlt. Er hat all das erfüllt, was derzeit viele Politiker so lautstark von den Flüchtlingen fordern, damit die Integration klappt. Einen sicheren Aufenthalt hat er trotzdem nicht bekommen, er ist nur geduldet. Und nun droht ihm die Abschiebung nach Afghanistan. In ein Land, aus dem er vor sieben Jahren geflüchtet ist, weil die Taliban ihn bedroht haben, wie er erzählt.

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat angekündigt, afghanische Flüchtlinge wieder vermehrt abzuschieben. Doch dass es in dem Land tatsächlich sichere Regionen gibt, das wird von vielen Seiten bezweifelt angesichts der täglichen Berichte über Kämpfe, Attentate und Bombenangriffe. "Ich habe keine Familie mehr in Afghanistan. Wo soll ich hingehen, wenn ich nach Kabul abgeschoben werde?", fragt Obaid. "Ich will einfach nur in Sicherheit leben."

Ähnlich wie ihm geht es derzeit vielen Afghanen in Deutschland, die keinen sicheren Aufenthalt haben und denen nun die Abschiebung droht. 7000 Menschen sollen davon betroffen sein. Darunter seien viele, die schon seit Jahren hier leben, sagt Markus Geisel vom Flüchtlingsrat. "Auch viele, die als Minderjährige gekommen sind, die einen Schulabschluss gemacht haben, die einen Ausbildungsplatz haben, ihn aber nicht antreten dürfen." Wie Farhad Amiri oder Hassan Moradi.

11 000 Lehrstellen in Bayern blieben unbesetzt

Amiri ist 21 Jahre alt, er ist vor drei Jahren aus Afghanistan geflohen. Er hat seinen Mittelschulabschluss bestanden, mehrere Praktika gemacht, in einer Autolackiererei, in einer Bäckerei, in einem Firmenlager. "Die Arbeitgeber waren zufrieden, sie haben mir gesagt, ich kann sofort mit der Ausbildung anfangen", sagt Amiri, und er würde jeden Ausbildungsplatz annehmen. Doch die Ausländerbehörde Landshut hat es nicht gestattet. In Bayern konnten in diesem Ausbildungsjahr etwa 11 000 Lehrstellen nicht besetzt werden. Allerorts wird diskutiert, ob und inwieweit die Flüchtlinge diese Lücke füllen können.

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Amiri und Moradi bräuchten keinen Integrationskurs mehr, sie haben sogar einen deutschen Schulabschluss, doch eine Sicherheit, hier bleiben zu können, haben sie nicht. Moradi wohnt schon seit über fünf Jahren in Deutschland. "Anfangs hatte ich Kraft und Motivation", sagt der 23-Jährige, doch nun könne er nicht mehr schlafen, sich nicht mehr in der Schule konzentrieren, er lebe in der ständigen Angst, abgeschoben zu werden.

Demonstration am Samstag

Die Ausländerbehörde Landshut hat zu Amiri gesagt, dass er seinen afghanischen Pass bringen müsse, um eine Ausbildungserlaubnis zu bekommen. Mitwirkungspflicht heißt das im Asylrecht. Dass er dann auch die Erlaubnis bekomme, dafür gebe es allerdings keine Sicherheit. "Wer seinen Pass abgibt, riskiert auch, abgeschoben zu werden", sagt Hanna Smuda vom Flüchtlingsrat. Gemeinsam mit der Karawane Nürnberg ruft der Flüchtlingsrat daher an diesem Samstag, 14. November, von 13.30 Uhr an zu einer Demonstration gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Sendlinger Tor auf.

Obaid hat mitgewirkt, er hat seinen Pass abgegeben, damit er arbeiten darf. Doch statt die Duldung zu verlängern, hat die Ausländerbehörde Landshut ihm die Arbeitserlaubnis entzogen und ihm einen Zettel gegeben, auf dem steht "Grenzüberschrittsbescheinigung". Ein Papier, das ihn zur Ausreise verpflichtet. Das sei eine sehr umstrittene und fragwürdige Praxis, sagt Markus Geisel vom Flüchtlingsrat. Es gehe vor allem darum, das Bedrohungsszenario zu erhöhen, damit die Menschen freiwillig ausreisen, vermutet er. "Doch freiwillig ausreisen in ein Kriegsland, das ist zynisch", sagt seine Kollegin Smuda.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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