Flüchtlinge:Der Notfallplan nimmt Gestalt an

Flüchtlinge: Der Boden ist bereitet, am Sonntagnachmittag spannen Mitarbeiter der Berliner Firma die Plane für die Traglufthalle.

Der Boden ist bereitet, am Sonntagnachmittag spannen Mitarbeiter der Berliner Firma die Plane für die Traglufthalle.

(Foto: Claus Schunk)

In Taufkirchen errichtet die Berliner Firma Paranet die erste Traglufthalle im Landkreis München, in der bis zu 300 Flüchtlinge leben sollen. Sechs weitere in anderen Gemeinden werden folgen.

Von Iris Hilberth und Bernhard Lohr

Rufe hallen über die Zirkuswiese. "Alle Mann nach vorne gehen, nach vorne gehen - eins, zwei, drei." Und dann zerren auf Kommando 25 schwitzende Männer in weißen T-Shirts mit der Aufschrift "Paranet" an der weiß-blauen Plane, die einen Großteil der Zirkuswiese in Taufkirchen bedeckt.

Doch es ist kein Zirkuszelt, das sie da errichten - das des Circus Rio steht seit einiger Zeit schon direkt nebenan. Nein, die Männer ziehen in der Gluthitze des Sonntagnachmittags eine Traglufthalle hoch, die bald Unterkunft für bis zu 300 Flüchtlinge bieten soll. In einigen Stunden, sagt Bauleiter Roland Meyer von der Berliner Firma Paranet, solle das Ganze stehen.

Es ist der Notfallplan des Landkreises, der hier Gestalt annimmt. Sieben Traglufthallen sollen es insgesamt werden, da bis zum Jahresende zusätzlich zu den bisher 1900 Flüchtlingen im Landkreis München noch einmal 2000 Asylbewerber untergebracht werden müssen. "Vorübergehend", wie Landrat Christoph Göbel (CSU) unermüdlich in allen betroffenen Gemeinden betont.

Die Unterkünfte werden höchstens für ein Jahr genehmigt

Denn die aufblasbaren Unterkünfte, die außer auf der Taufkirchner Zirkuswiese in Oberhaching, Unterhaching, Neubiberg, Grünwald und Unterföhring stehen sollen, werden maximal für ein Jahr genehmigt. Als siebter Standort sind Unterschleißheim, Planegg und Feldkirchen im Gespräch. Göbel ist überzeugt von diesem Konzept: "In den Hallen sind die Bedingungen wesentlich besser als in Turnhallen."

Auch wenn das am Sonntag noch nicht zu erkennen ist. Allein die Dimension der Plane und des vorbereiteten Holzbodens, über den sich die aufgeblasene Hülle an der Spitze 9,50 Meter hoch erheben wird, lässt erahnen, dass hier eine besondere Unterkunft entsteht. Raphael Hock, Assistent der Geschäftsleitung von Paranet, zieht gar einen Vergleich zur Münchner Allianz-Arena. So ähnlich, mit weißen Waben, werde die Oberfläche aussehen. Sogar illuminieren könnte man das Ganze.

Entscheidend aber ist etwas anderes. Die Halle, die Hock auf keinen Fall mit einem Zelt verglichen sehen will, soll luftig sein, taghell erleuchtet und viel Platz bieten, nicht nur für die reine Unterkunft mit Bett und Spind. Gemeinschaftsflächen soll es geben, Platz für Kinder und einen Raum für die Wäsche mit Waschmaschinen und Trocknern. Dazu Pflanzen und einige Dekoelemente.

Die Alternative wären Stockbetten in Turnhallen

Die Alternative wären Stockbetten in weiteren Sporthallen wie bereits in Pullach, Unterschleißheim, Planegg und Haar gewesen, um schnell auf die steigenden Flüchtlingszahlen reagieren zu können. "Es ist nicht banal, im engen Siedlungsraum Unterkünfte zu finden", wirbt der Landrat im Landkreis um Verständnis. Derzeit gebe es keine freien Plätze, die geplanten Unterkünfte - meist in Modulbauweise - werden frühestens in einem halben Jahr fertig.

Traglufthallen statt Turnhallen lautet daher das Konzept, denn - so hat das Landratsamt ausgerechnet - ohne die fliegenden Bauten hätte die Behörde sieben bis zehn Dreifachsporthallen oder zwanzig Einfachturnhallen beschlagnahmen müssen. "So aber können die bereits belegten Hallen spätestens nach den Sommerferien wieder ihrer eigentlichen Nutzung zugeführt werden", verspricht Göbel.

Die Vereine hatten schon bei dem Gedanken daran, ihre Halle könnte betroffen sein, beim Landrat auf der Matte gestanden, hatten teils lange Erklärungen formuliert, warum das auf keinen Fall möglich sei. Der SV-DJK Taufkirchen, der bereits im Frühjahr fünf Wochen mit seiner Dreifachturnhalle vom staatlichen Notfallplan betroffen war, soll den Landrat schließlich auf die Idee mit den Traglufthallen gebracht haben.

Vorbild ist Berlin

Warum nicht, dachte der sich und schaute sich die Sache in Berlin einmal genauer an. Dort ist bereits eine solche Unterkunft für Asylbewerber in Betrieb. Göbel jedenfalls überzeugte das dortige Modell. Er will mit den sieben Hallen insgesamt 2700 zusätzliche Plätze und damit eine Überkapazität schaffen. Als "Plan mit Netz und doppeltem Boden", bezeichnet der Landrat das Vorhaben.

Die Hallen haben eine Fläche von etwa 72 mal 36 Meter, sind also etwa halb so groß wie ein Fußballfeld. Die Raumtemperatur beträgt konstante 21 Grad. Sobald die Außenhülle aufgeblasen ist, beginnt der Innenausbau. Es werden nach oben offene separate Einheiten mit jeweils sechs Betten errichtet. Die sanitären Anlagen sind in Containern innerhalb der Halle untergebracht, die Objekt- und Sozialbetreuer bekommen eigene Arbeitsräume. Eine Küche werden diese Unterkünfte aus Sicherheitsgründen nicht haben, die Verpflegung übernimmt ein Caterer.

Am 26. Juli kann die Taufkirchner Halle besichtigt werden

Die Traglufthallen werden für jeweils sechs Monate genehmigt und werden als "Fliegende Bauten" eingestuft. Einmal kann die Genehmigung dafür verlängert werden. Der Landkreis hat die eigens angefertigten Hallen daher für zwölf Monate gemietet. "Wir haben mit der Firma Paranet den gleichen Hersteller wie in Berlin, es ist der einzige, der bereits Erfahrung mit Flüchtlingsunterkünften hat", sagt der Landrat.

Göbel ist derzeit äußerst bedacht darauf, dass ihm niemand vorwerfen kann, er würde zu wenig oder zu spät informieren. Er tourt nicht nur durch die Gemeinden und beantwortet Fragen, er lässt auch die erste Traglufthalle in Taufkirchen für alle öffnen, die sich dafür interessieren. Bevor am 27. Juli die ersten Asylbewerber die Unterkunft beziehen, können einen Tag zuvor von 17 bis 19 Uhr Bürger die Traglufthalle am Köglweg besichtigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: