Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt:Der Handwerker-Händedruck muss geübt sein

Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt: Florian Schmid (Zweiter von links) ist mit seinen Arbeitskräften Arif Theis (links), Ali (Zweiter von rechts) und Mo (ganz rechts) zufrieden.

Florian Schmid (Zweiter von links) ist mit seinen Arbeitskräften Arif Theis (links), Ali (Zweiter von rechts) und Mo (ganz rechts) zufrieden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf der Suche nach Arbeitskräften stellen viele Betriebe inzwischen Flüchtlinge ein. Deren Integration erfordert verstärkte Anstrengungen auf beiden Seiten.

Von Inga Rahmsdorf

Das mit dem Händedruck, das klappte am Anfang überhaupt nicht. "Wenn Arif einem die Hand gegeben hat, war es, als hätte man einen Waschlappen in der Hand", sagt Florian Schmid. Das geht natürlich nicht, wenn ein Schreiner so seine Kunden begrüßt. Also haben Schmids Mitarbeiter mit Arif Theis Händedrücken geübt, bis der junge Auszubildende sich auch einen ordentlichen Handwerker-Händedruck angewöhnt hatte. Das war aber noch eine der kleineren Schwierigkeiten. Anfangs sei er so schüchtern gewesen, dass er gar nichts gesagt habe, erinnert sich sein Chef Schmid. Auch das hat sich inzwischen längst geändert.

Arif Theis war 15 Jahre, als er aus Afghanistan geflohen ist, und er war eineinhalb Jahre alleine unterwegs. Angefangen hat er in der Münchner Schreinerei Schmid und Lorenz vor fünf Jahren mit einem Praktikum, dann stand für ihn fest, dass er die Ausbildung machen wollte. Doch all die Theorie auf Deutsch, die Fachbegriffe und die Prüfungen in der Berufsschule, das lag ihm nicht. Er hat die Ausbildung abgebrochen. Trotzdem arbeitet er immer noch in der Schreinerei. Und nicht, weil Florian Schmid ein Sozialunternehmer ist, "sondern weil Arif pünktlich, engagiert und lernbegierig ist", sagt sein Chef, "ein guter Schreiner und ein wahnsinnig netter Mensch".

Arif Theis hat einen anderen Weg gefunden als den der klassischen Schreinerlehre. Er macht nun eine Ausbildung bei der Innung zum Holzfachwerker, der schulische Teil ist dort einfacher, und den praktischen Teil absolviert er bei Schmid. Wenn er danach fünf Jahre in dem Beruf arbeitet, ist er ebenfalls Schreinergeselle. Schmid hat derzeit noch zwei weitere Geflüchtete als Praktikanten beschäftigt. Und immer wieder erlebt er, wie den Betrieben dabei Hindernisse in den Weg gelegt werden. Arif Theis ist inzwischen sogar von einem Deutschen adoptiert worden, trotzdem sei ihm vor kurzem ohne Grund der Pass entzogen worden, berichtet sein Chef.

Wie gut gelingt die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt? Diese Frage bestimmt viele politischen Debatten, sie beschäftigt Asylsuchende und Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Sie beschäftigt aber auch viele Unternehmen in München, auch weil sie verzweifelt nach Mitarbeitern suchen.

"Wenn wir es nicht hinbekommen, die Flüchtlinge in Lohn und Arbeit zu bringen, dann haben wir in zehn Jahren größere Probleme", warnt Rainer Schlögel. Er ist Ingenieur und im Vorstand des Münchner Bauforums, einem Verein, in dem sich über 50 Firmen zusammengeschlossen haben, die alle in der Baubranche tätig sind, vom Ingenieur über den Elektromeister bis hin zum Immobilienverkäufer. Das mit den größeren Problemen, das meint Schlögel für beide Seiten, für die Flüchtlinge und die Firmen. Er sieht aber auch eine große Chance für beide. "Wir finden keinen Nachwuchs mehr", sagt er. In ihrem Netzwerk hätten sie festgestellt, dass viele Betriebe die Frage beschäftige, ob und wie sich Flüchtlinge in die mittelständischen Unternehmen integrieren lassen. In sieben der 53 im Bauforum zusammengeschlossenen Firmen sind derzeit bereits Flüchtlinge angestellt. Einige Betriebe sind aber skeptisch, wissen nicht genau, was sie erwartet, und befürchten einen hohen bürokratischen Aufwand. Andere Unternehmer hatten bisher schlichtweg noch keinen Kontakt mit Geflüchteten, wie Heidi Löffler.

Die 27-jährige hat vor einem Jahr die Dachdeckerei von ihrem Vater übernommen, sie hat seitdem die Internetseite modernisiert, ein neues Logo entworfen und macht sich Gedanken, was sie für ihre Mitarbeiter verbessern kann. Die Münchnerin ist Spenglermeisterin, eine der wenigen Frauen in der Branche, sie klettert bei Wind und Wetter auf Dächern und Baustellen herum, und sie kennt den Beruf von klein auf. Ihr Vater hat den Betrieb vor mehr als 30 Jahren gegründet. Eigentlich sei sie ein positiv denkender Mensch, sagt Löffler. Doch immer öfter müsse sie Aufträge absagen. Und sie frage sich, wie es in Zukunft weitergehen soll, denn sie sucht verzweifelt nach Mitarbeitern. Doch niemand bewirbt sich.

Heidi Löffler hat vier Kollegen und würde sofort fünf weitere Leute einstellen. Egal ob Hilfsarbeiter, Auszubildender oder Fachkraft. "Seit Jahren suchen wir händeringend nach schwindelfreien Kollegen", sagt sie. Ob sie einen Flüchtling einstellen würde? "Ja, sicherlich, wenn der mitarbeiten will, dann sofort." Es hat sich aber noch niemand bei ihr gemeldet. Und Löffler hatte bisher auch keinen Kontakt zu Organisationen, die ihr einen Flüchtling vermitteln könnten. Dabei hat sie mit ausländischen Mitarbeitern bereits gute Erfahrungen gemacht. Ein Kollege kommt aus dem Kosovo und hat vor 25 Jahren in dem Betrieb angefangen, als Hilfsarbeiter, der kein Deutsch sprach. "Heute ist das unser bester Mann", sagt Löffler.

Nicht nur Handwerksbetriebe befassen sich mit dem Thema. Auch in anderen Branchen steigt die Zahl der Mitarbeiter mit Fluchthintergrund. In den Hotels und Gaststätten des Verbands Dehoga ist die Zahl der Geflüchteten in den vergangenen zwei Jahren bayernweit von 1000 auf 5000 gestiegen. Weitere 800 sind Lehrlinge. Der beste Weg, um Flüchtlinge zu integrieren, sei es, sie in Ausbildung und Arbeit zu bringen, sagt Susanne Droux, Geschäftsführerin für Berufsbildung bei Dehoga. "Natürlich binden sie auch Kraft in den Betrieben, aber sie sind auch eine Bereicherung." Die Berufsintegrationsklassen seien zudem sinnvoll und hilfreich und würden die Flüchtlinge gut vorbereiten. Traurig sei es allerdings, erleben zu müssen, wenn ihre Betriebe einen Mitarbeiter verlieren, weil er abgeschoben werde oder er keine Arbeitserlaubnis erhalte.

Auch im Pflegebereich werden Mitarbeiter gesucht. Das Münchenstift hat im vergangenen Jahr eine eigene Integrationsklasse gegründet. 18 junge Flüchtlinge haben dort begonnen und 15 von ihnen haben die einjährige Ausbildung zum Pflegfachhelfer erfolgreich abgeschlossen. Das sei ein positives Ergebnis, sagt Christian Wiedemann, Ausbildungskoordinator bei Münchenstift. Von den 15 Absolventen studiert nun einer, sieben haben eine dreijährige Ausbildung angetreten und zwei arbeiten in dem Unternehmen. In diesem Herbst hat Münchenstift die zweite Integrationsklasse gestartet. "Es braucht schon einige Zeit, bis sie Deutsch lernen. Da muss man ein bis eineinhalb Jahre dafür ansetzen, bevor sie in die Ausbildung gehen können", sagt Wiedemann. Auch wenn das Münchenstift schon viel Erfahrungen mit internationalen Mitarbeitern hat - 60 Prozent sind aus dem Ausland, bei den Auszubildenden sogar 90 Prozent - müssten alle Seiten Geduld aufbringen , sagt Wiedemann. "Das mitteleuropäische Arbeitsleben hat andere Regeln, man muss pünktlich kommen, wenn man krank ist, muss man sich krank melden. Am Anfang ist das noch manchmal schwierig gewesen, aber dann war das kein Problem mehr."

"Trotz vieler Hürden gelingt die Integration", sagt auch Hubert Schöffmann von der Industrie- und Handelskammer (IHK). Es sei schon eine große Kraftanstrengung, die die Betriebe leisten müssten. "Aber es ist phänomenal, was da in den letzten zwei Jahren alles geleistet worden ist, von den Ausbildern, den Mitarbeitern und den Berufsschulen."

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