Flucht aus dem Alltag:Exit-Strategie fürs Yoga-Studio

Flucht aus dem Alltag: Auf der Suche nach Erleuchtung - ganz München macht Yoga.

Auf der Suche nach Erleuchtung - ganz München macht Yoga.

(Foto: AFP)

Nach den Übungen wird abgedunkelt: in sich gehen, meditieren, Erleuchtung suchen im flackernden Schein einer Kerze. Nur darf die nicht mehr alleine leuchten.

Glosse von Laura Kaufmann

Nicht Yoga zu machen ist mittlerweile in etwa so, wie nicht Game of Thrones gesehen zu haben oder 1999 noch kein Handy besessen zu haben. Es entlockt anderen höchstens ein Achselzucken, vielleicht noch ein "Selbst schuld". Ganz München macht Yoga. Es ist so allgegenwärtig, dass Yoga-Verweigerung nicht einmal mehr zur rebellischen Anti-Haltung taugt, mit der man sich brüsten kann. Münchner treffen sich im Westpark, um ihre Asanas zu turnen, sie stehen frühmorgens auf, um gemeinsam Ashtanga-Serien zu üben, es gibt Stunden schon für Kleinkinder und für Eltern mit Baby sowieso.

Schließlich ist das Leben in München in weiten Teilen stressig. Es muss fleißig im Hamsterrad gestrampelt werden, damit genug für die Miete abfällt, alle sehen immer so verdammt gut aus und legen die Messlatte hoch, die U-Bahn ist gefüllt wie eine Sardinenbüchse, und dann staut es sich noch auf dem Weg in die Berge. Was entspannt da schöner als ein paar Verrenkungen auf der Matte. Vor allem wenn das Studio dank Biergarten-Absenzen nur halb so voll ist wie sonst.

Das heimliche Highlight jeder Yogastunde ist ihr Ende, nämlich die Schlussentspannung. Diese letzten Minuten, in denen die Yogis sich erschöpft und verschwitzt auf ihren Matten ausstrecken, wenn der Raum abgedunkelt wird, eine Kerze flackert. Gedacht ist das zum In-sich-gehen, Meditieren, Erleuchtung suchen. Achtsamkeit und so. So entspannend sind diese Minuten, dass gelegentlich ein leises Schnarchen ertönen kann. Aber München ist nicht nur stressig. München ist auch eine Stadt, in der alles Recht und Ordnung hat. Und so dunkel darf ein Raum voller Menschen eben nicht sein, oder zumindest nicht mehr, oder zumindest nicht mehr in einem Studio im Glockenbachviertel.

Was wäre denn zum Beispiel, wenn die Kerze umkippen und ein Feuer entfachen würde, weil keine der verschwitzten Schnarchnasen etwas mitbekommt? Massenpanik statt Tiefenentspannung? Ein Ausgang muss erkennbar sein, dass der Raum voller Fenster ist, geschenkt. Aus Sicherheitsgründen erhellt jetzt also ein grün-weißes Exit-Schild über der Tür den Raum. Dagegen kann die kleine Kerze anflackern, wie sie möchte. Gut, es ist auch eine Art von Erleuchtung - wenn auch nicht die, die sich die Hamsterrad-Flüchtlinge erhofft hatten.

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