Florian Weber von den Sportfreunden Stiller:Schlagzeuger und Gruppenkasper

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Den WM-Hit "54" seiner Band Sportfreunde Stiller schrieb Florian Weber in Unterhose - doch manchmal steht der Schlagzeuger auch ganz nackt da. Zum Beispiel wenn er den Kollegen aus "Grimms Erben" vorliest. Sein neues Buch ist ein wenig schräg. Genau wie der 38-Jährige.

Philipp Crone

Wenn Florian Weber bei den Sportfreunden Stiller auf sein Schlagzeug haut, ist das laut und hart. Wenn Florian Weber in einem Café sitzt und über sein zweites Buch erzählt, dann spricht er leise, und kein einziges Wort ist hart. Der 38-Jährige mit dem zurückweichenden Haar und einem feinen Nasenring lächelt dann und erzählt von langen Tourfahrten und der Langeweile. Und er blickt dabei so, als ob er einen jederzeit in die eigene Mannschaft wählen würde und ganz fest ins Herz schließen, und gleichzeitig so, als ob er einen mit einem kurzen Kommentar vernichten könnte.

Kommt jetzt ein Witz? Oder ein Spruch? Das weiß niemand außer Florian Weber selbst. (Foto: Stephan Rumpf)

Weich oder hart. Es ist ein Blick, den man beim Mannschaftssport lernt, sei es in Webers kleinem Drei-Mann-Team auf der Bühne oder beim Fußball damals in Germering und heute. Wach sein und reagieren, das ist überlebenswichtig in so einer Mannschaft. Und es ist etwas, was Florian Weber bis zur Perfektion beherrscht. Immer unberechenbar bleiben. Sätze sagen, die niemand ahnt. Ein Buch schreiben, wenn es keiner von ihm erwartet.

Webers Worte wuscheln weich durch das Obergeschoss des Café Cord. "Ich war verhaltensauffällig", sagt er und lächelt. "Bin." Das macht er gerne, dem eigenen Satz hinterherhören, ob da alles gestimmt hat, grammatikalisch, aber vor allem auch die Bedeutung. Fünf Sportarten hat er gleichzeitig betrieben, damals mit zehn, und dann Schlagzeug gelernt, um die Energien zu kontrollieren. "Hyperaktiv, das Wort ist vielleicht besser", schiebt er nach.

Als der Erfolg die Sportfreunde Stiller vom Jahr 2000 an auf wochenlange Deutschlandtouren führte, hat Weber die Energie in Buchstaben gebündelt und während der Fahrten in den Laptop geklopft. "You'll never walk alone" hieß am Ende das Buch - autobiografisch, es ging um einen jungen Mann, Musik und Fußball.

Einfach mal aufschreiben, einfach mal machen, das Konzept der kreativen Faulheit ist seins geworden. "Ich war faul", sagt Weber. Er hört dem Satz kurz nach, "bin". Schon immer. Er hat als Jugendlicher beim Schlagzeug lernen in kürzester Zeit drei Privatlehrer verschlissen, einer sagte: "Du bist der talentierteste Schüler, den ich je hatte, aber auch der faulste." Später hat er Diplomsport studiert, "das macht man ja, wenn einem nichts anderes einfällt".

Manchmal klingen seine Sätze auch wie Liedzeilen. Die Tourfahrten, "das Suhlen im Lagerkoller". Ein Lagerkoller ist das, was Gruppen von Sportlern und Musikern erfasst, wenn sie zu lange Zeit zusammen sind. Das ist dann extrem ergiebig, und extrem blöd. "Wir wollen diesem Phänomen auch in einem der nächsten Lieder nachgehen, das wird 'Unter unten' heißen."

Mit unter unten waren sie auch oben auf. Als Weber in den Neunzigern studiert und dabei Peter Brugger kennenlernt, den Sänger und das Gesicht der heutigen Band. Die Bezirksligamannschaft in Germering, der Trainer Stiller, die blödelige Lagerkolleridee, mal aufzutreten. 1996, Weber ist 22, ein Gig mit sieben Songs und dem Bandnamen Endkrass. Bassist Rüdiger Linhof stößt dazu, und 2000 bekommen die drei Musiker, die zu der Zeit noch im Atomic Café Bier ausschenken, den ersten Plattenvertrag. Bis 2006, bis zum WM-Hit "54", geht es steil nach oben. Über oben.

"54" hat Weber geschrieben, "nachts um eins, im Fernsehen lief DSF Hattrick, die Zweite Bundesliga, ich saß in Unterhose auf dem Sofa und die Gitarre auf dem Schoß, da ist mir das Lied eingefallen." Und der Text. Gefühl für Sprachbilder. Das hat er, trotz der Fünfer in Deutsch.

"Ich hab früher nix gelesen und war in Deutsch bis zur elften Klasse schlecht. Bis der Meier Fons mein Deutschlehrer wurde, der war zweiter Vorsitzender im Fußballverein. Da ging's nach oben." Er lächelt. Aufmerksam. Säße er in irgendeiner Umkleidekabine, müsste Weber jetzt wahrscheinlich einen Spruch abwehren. Hart. Aber es kommt kein Spruch, also geht es weich weiter. "Der Satzbau war desaströs. Erst meine Schwester hat mir den Weg zum Buch gezeigt, als wir zusammengewohnt haben während des Studiums. Mittlerweile bin ich sehr belesen." Er lächelt ein Angriffslächeln. "Sagen wir, ich lese viel."

Schadet auch nicht, in der nächsten Zeit ist Weber in einigen Talkshows mit seinem neuen Buch. Und wenn er dann zu Lessing gefragt wird? "Dann sag' ich: Lessing, der hat doch bei Köln gespielt." Immer kontern, immer schlagfertig, das ist wichtig, gerade für Schlagzeuger.

"Grimms Erben", so heißt das Buch von Weber, das er an diesem Mittwoch im Vereinsheim vorstellt. Es geht um einen Märchenerzähler, der 1943 aus Versehen ins Warschauer Ghetto springt, um einen Buchbinder von 1996 und einen zugedröhnten Hamburger Grafiker, der auf einer Berghütte einen Toten findet. Astreine Lagerkollergeschichte.

Die wichtigste Hürde hat das Buch schon genommen: Die Vorstellung bei den beiden Bandkollegen. "Die waren schwer begeistert. Und das sind ja immer die intimsten Momente. Wenn einer zum Beispiel mit einer Songidee kommt und sie den anderen präsentiert. Da steht man ganz nackt da." Und wartet auf das Urteil, es gibt nur gut oder schlecht.

So wie bei dem einen Schlagzeugbreak damals auf dem Burli-Album, das Weber geträumt und dann am nächsten Tag ganz aufgekratzt den anderen vorgespielt hat. "Da haben wir bei einem langsamen Lied an einer Stelle gesagt: Da muss jetzt ein ganz langes, verdammt schlechtes Bon-Jovi-Break kommen, über acht Takte", sagt Weber, wieder weich wie ein Besenwischen über die Snaredrum. Aber dann ist er in der Musik, im Rhythmus, und ins Cord kracht ein Bon-Jovi-Break.

"Dubabong Dubabong Dugududa Gudubangbang", dazu ein ernstes Gesicht. Wenn der Drummer Weber die Schläge rausrattert mit majestätischer Miene, dann klingt die Ironie mit, sogar beim Trommeln. "Rabadabado Rabadabadorrr-Ubasch!" Ubasch, das ist ein Bassdrumbeat mit Beckenabschlag.

Ironie - eines der Erfolgsgeheimnisse der Sportfreunde. Eigenwitz, den Weber so vertextet: "Augenzwinkernd durch die Welt gehen." So ist ihre Standup-Performance auf der Bühne, eine Mischung aus Kabinenkalauern und großer Retourkutschen-Show. Von ziemlich unter unten weit hoch. Und Weber mittendrin mit seinem Telefon-Mikrofon hinter seinem Kit oder zappelnd und hüpfend vorne am Mikrofon.

Das wirkt auf der Bühne oft so, als ob die drei Männer angestaute Gags und Sprüche loswerden müssen, und ein wenig so liest sich auch "Grimms Erben". Skurrile Fantasien, "schräg, schwarz-humorig", wie Weber sein Werk beschreibt. 413 Seiten zwischen Klamauk, Krawall, Sprachkunst, "und Koprolalie". Weber räuspert sich und sagt: "Das ist der Fachbegriff für den Hang zur Fäkalsprache." Ernste Miene, als ob er das schon seit der elften Klasse wüsste.

Feine Ironie ist, wenn man sie nicht gleich erkennt. Und die feinste Ironie ist eine, die der andere zu spät erkennt und schon ernst geantwortet hat. Das ist auch ein beliebtes Spiel im Lagerkollerzustand. Weber ist Meister dieser Disziplin.

Die vergangenen eineinhalb Jahre hat die Band "eine kreative Pause" gemacht, nun schwirren laut Webseite wieder "neue Lieder durch den Probenraum". Die drei Musiker haben sich in der Zeit nicht so häufig gesehen wie sonst. Weber ist verheiratet und hat mittlerweile zwei kleine Töchter. Da kann es ohne die gewohnten Proben, Fahrten und Auftritte eben passieren, dass Blödelei, Sprüche und Witze auf eine andere Art raus müssen. In einem Buch zum Beispiel.

Band-Manager Marc Liebscher sagt zu seinem Drummer: "Der ist ein Tausendsassa - mir würden auch zwei Wochen nicht reichen, um ihn zu charakterisieren." So weit, so erwartbar überschwänglich. Aber im Sportfreunde-Miteinander bleibt so ein Satz nicht stehen, da kommt immer noch eine Spitze, in diesem Fall: "Sein einziger 'Fehler': Löwenfan."

Weber steht vor dem Cord, die Tasche mit der Aufschrift "Zirkeltraining" umgehängt, lehnt an einem Baum und singt: "Mein Freund der Baum, frisst Kot." Natürlich mit todernstem Gesicht.

Er war und ist ein Clown. Ein Kasper. So einen braucht jede gute Mannschaft. Eine Art Zündelkerze für den Team-Motor. Florian Weber weiß, wann er wie blöd sein muss, wann er draufhauen muss - und wann nicht.

© SZ vom 19.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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