Fleischkonsum:Ein Schritt ins Bio-Zeitalter

Views Inside The Eataly Market

Artgerecht oder Massenzucht? Das sollten sich mehr Verbraucher fragen, wünschen sich Bio-Vorreiter.

(Foto: Scott Eells/Bloomberg)

"Artgerechtes München" klärt über Massentierhaltung auf

Von Christoph Koopmann

Alles bio, aber schnell: Während am Donnerstag im Hofspielhaus Experten über die Gefahren der herkömmlichen Massentierhaltung referierten, gab es im Innenhof Leberkäs, Brezn und andere bayerische Spezialitäten, alles aus ökologischer Landwirtschaft. Ginge es nach dem Aktionsbündnis "Artgerechtes München", wäre München schon jetzt bundesweit Vorreiter bei Bio-Ernährung. Stephanie Weigel vom Team des Tollwood-Festivals hat das Bündnis mitbegründet. "Ein Schritt in die richtige Richtung", wie es Weigel formuliert, stehe bevor: In der kommenden Woche berät der Gesundheitsausschuss des Stadtrats über eine Beschlussvorlage der Grünen und der Rosa Liste, nach der in Zukunft in städtischen Einrichtungen und bei Empfängen der Stadt nur noch Bio-Lebensmittel angeboten werden.

Warum das so wichtig sei, erklärten Tobias Gaugler und Paulina Simkin von der Universität Augsburg. Im Auftrag des Aktionsbündnisses haben die Wissenschaftler berechnet, wie viel die "Nebenwirkungen" der Massentierhaltung kosten, also Gesundheitsschäden bei Mensch und Tier oder Umweltschäden zum Beispiel durch den Ausstoß von Stickstoff.

Große Tierzuchtbetriebe, aber auch Bio-Höfe emittieren die Stickstoffverbindung Ammoniak, die die Luft verschmutze und Klima wie Vegetation schädige, umgerechnet ein Schaden von elfeinhalb Milliarden Euro, von dem ein Bruchteil auf die ökologische Landwirtschaft entfalle, so Gaugler. "Würde man diese Kosten auf die Lebensmittelpreise aufschlagen, würde Fleisch aus Massentierhaltung zehn Prozent mehr kosten als bisher." Bei Bio-Fleisch läge der Aufschlag nur bei knapp vier Prozent.

In ihrer Studie beschäftigten sich die Augsburger Forscher auch mit einem anderen Gesundheitsrisiko durch herkömmliche Massenzucht: multiresistente Krankheitserreger. Um dicht aneinander gedrängte Tiere vor Krankheiten zu schützen, werden oft Antibiotika eingesetzt. "Wenn zu viele oder die falschen Antibiotika verabreicht werden, dann werden manche Bakterien dagegen immun", erklärte Simkin. Diese multiresistenten Erreger seien nicht nur gefährlich für die Tiere, auch Landwirte und Tierärzte werden häufig befallen. Eine geringe Gefahr bestehe auch für die Verbraucher. So risikoreich Massentierhaltung zuweilen auch sein mag, "ein schnelles Umdenken bei den großen Fleischproduzenten und in der Politik ist nicht zu erwarten", sagte Anita Idel, die als Tierärztin im Welt-Agrarrat mitarbeitet. Sie meint: "Aus langfristiger Perspektive kommen wir an der Öko-Landwirtschaft nicht vorbei."

Vielleicht hält diese Langfrist-Perspektive ja in München bald Einzug. Sollte am kommenden Donnerstag der Gesundheitsausschuss und danach die Stadtrats-Vollversammlung dem Antrag zustimmen, könnten bald erste städtische Kantinen und Veranstaltungen vollständig mit Bio-Lebensmitteln versorgt werden. "Wenn solche Pilotprojekte zustande kommen, wäre das ein Riesen-Erfolg für uns", sagt "Artgerecht"-Sprecherin Weigel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: