Fischer-Z in der Kongresshalle:Von Lovesongs und Protestsongs

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Fischer-Z ist John Watts. John Watts ist Fischer-Z. Achtziger-Jahre-New-Wave? Ein alter Hut? Hat so was noch Zukunft? Ein Experiment in der Kongresshalle.

Markus Schulte von Drach und Lars Langenau

"Fischer-Z war eine englische Rockgruppe um den Sänger und Gitarristen John Watts. Sie gilt als eine der populärsten Bands des New Wave in den beginnenden 1980er Jahren."

Fischer-Z mit Sänger John Watts in der Kongresshalle: Vergangenheit? Nein, pure Gegenwart (c) FOTOWUT.de (Foto: (c) FOTOWUT.de)

Präteritum? Vergangenheit?

Da muss sich jemand für Wikipedia schnellsten drum kümmern und den Eintrag aktualisieren. Denn Fischer-Z lebt. Und wie! Am Dienstag waren Sänger und Gitarrist John Watts und seine jungen Mitstreiter am Schlagzeug, Bass und Keyboard sowas von präsent, dass man getrost vergaß, dass Watts große Zeit wirklich schon ein Vierteljahrhundert zurück liegt.

Ein Vierteljahrhundert! Was sind wir alt geworden. Doch ist die Musik ebenfalls alt geworden? Was sagt die nächste Generation? Wir nehmen Louisa mit, sechs Jahre. Erstes Abendkonzert. In der Kongresshalle im Münchner Westend. Weil am Mittwoch in Bayern Schulfrei ist. Louisa, sechs, und John Watts, 56, das ist ein Experiment. Denn die größte Scheibe von Fisher-Z ist Red Skies Over Paradies, und die war wichtig. Damals. Zur Hoch-Zeit des Kalten Krieges. Und den Märschen der Friedensbewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss.

Alles Vergangenheit, alles alter Tobak. Ein alter Hut.

Doch mitnichten. Denn Watts wirkt jugendlich, ist quirlig wie sonst was. Und seine Musik erst recht. Mit Watts steht und fällt das Projekt Fischer-Z. Denn John Watts ist Fischer-Z. Wenn er mal keine Lust auf das Projekt hat, dann macht er Solo-Platten oder nennt seine Band einfach anders. Immer wieder zieht er sich exzellente Musiker hinzu, die dann doch sein Ding machen.

The greatest gift, I can give, is Love - es gibt nur wenige Musiker, die solche Sätze singen können, ohne dass das kitschig ist. Watts gehört eindeutig dazu. Er kann Lovesongs ebenso wie Protestsongs, verarbeitet seine Gefühle angsichts des Tsunamidramas in Thailand 2004 - und bekommt nebenbei noch Scherze über Bayern hin.

Wenn er dem Publikum mit seiner heiseren, hohen Stimme solche Sätze zumutet, dann klingt das so ehrlich und unaffektiert, dass man es schluckt, genauso wie sein Aufruf an die Arbeiter, die Welt zu verändern. Das hängt wohl damit zusammen, dass Watts sich seit mehr als dreißig Jahren treu geblieben ist. Bereits The Worker auf der ersten Platte 1979 war ein Statement - und dass ausgerechnet das unpolitische Liebes(kummer)lied Marliese sein größter Hit wurde, hat ihn nie dazu verführt, es dem Publikum leichter - und sich selbst reicher zu machen.

Experiment geglückt

Bei seinem Auftritt in der Alten Kongresshalle spielte er etliche Stücke aus dem Fischer-Z -Repertoire, aber auch Beispiele seiner Soloprojekte. Und jedes Mal bestätigte er, dass es wohl kaum einen anderen Musiker gibt, dem es gelingt, politische Themen und große Gefühle mit allerschlichtesten Melodien, Harmonien, und einfachen Riffs so zu verarbeiten, dass am Ende anspruchsvolle Rockmusik steht.

In München versuchte sich der studierte klinische Psychologe Watts an "morethanmusic". Das "more" bezog sich auf kurze Filme, die zu jedem Stück gezeigt wurden, und demonstrierten, dass sich der Musiker nicht ganz erfolglos als Allround-Künstler versucht. In die kleine, heimelige Halle allerdings waren die Fans wegen der Musik gekommen, diesem ganz eigenen Sound von Fisher-Z mit seinen Anleihen beim Reggae und eben dieser ganz besonderen Stimme.

So ungewöhnlich der Musiker John Watts ist, so ungewöhnlich sind auch seine Fans. So war die Atmosphäre in der nicht ganz gefüllten Kongresshalle vom ersten Augenblick an gut - was sich jedoch nicht etwa im Mitklatschen äußerte. Das kam gelegentlich vor, allerdings nur, wenn es einer der Musiker explizit herausforderte, schließlich waren wir ja auch nicht in einer Schunkelbude. Nicht einmal nach dem - eher angetäuschten - offiziellen Ende des Konzerts wurde das Bedürfnis nach Zugaben auf die sonst übliche Weise demonstriert: Eine Synchronisierung des Klatschens und Rufens blieb aus - was ganz eindeutig nicht an einem Mangel an Begeisterung lag. Denn das Publikum hielt den Applaus über etliche Minuten aufrecht, bis Sänger, Keyboarder, Bassist und Schlagzeuger zu einem mitreißenden Abschluss auf die Bühne zurückkehrten. Alles Individualisten im Publikum. Wie Watts eben.

Mit Perfect Day verwandelte die Band den Abend in eben einen solchen Tag, der noch gekrönt wurde durch Marliese. I'm A Reptile, eines der Watts-Lieder, die ursprünglich nicht von Fischer-Z gespielt wurden, nutzten die Musiker, um sich jeweils mit einem Solo noch vorzustellen. Als wunderschönen Abschluss fragte Watts schließlich Will you be there. Und die Antwort dürfte heißen. Mit Sicherheit. Denn es ist far to long to wait for the Perfect Day.

Und das Experiment? Was sagte, die erschöpfte, aber glückliche Sechsjährige? "Ich wünsche mir eine CD von denen zum Nikolaus." Experiment geglückt. Zukunft von Fischer-Z gesichert.

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