Firmengeschichte:Wie man sich bettet, so lebt man

Betten-Rid wird 100 Jahre alt, die Firma hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Alles begann mit einer Federnreinigung, auch heute stehen hier vor allem teure Daunen für den Versuch, sich mit Qualität gegen günstigere Konkurrenten und das Internet zu behaupten

Von Wolfgang Görl

Wie lange ist das her? 40 Jahre? 50 Jahre? Egal, die Bilder und Sprüche lagen irgendwo in den untersten Hirnschichten vergraben, aber jetzt, im Büro des Geschäftsführers Robert Waloßek, wo die alten Werbespots über den Bildschirm laufen, steigen sie wieder hoch. Zum Beispiel der Trickfilm, in dem der Dienstmann Aloisius zur Trambahn hetzt, die ihm aber vor der Nase davonfährt. Zurück bleibt ein wütender Aloisius, dem aber sogleich ein Mittel zur Beruhigung empfohlen wird: "Wem das geschieht, der braucht ein Bett von Betten-Rid."

Slogans wie dieser sickerten seinerzeit in die Alltagssprache der Münchner ein. Wer stolperte, wer vom Rad fiel oder den Kaffee vergoss, musste damit rechnen, mit dem Betten-Rid-Spruch getröstet zu werden. Einen besseren Beweis, dass eine Werbekampagne funktioniert, gibt es kaum. Offenbar hatte Günther Rid ein besonderes Talent für den Kundenfang. Schon Anfang der Sechzigerjahre bediente er sich des noch jungen Mediums Fernsehen, um mit Münchner Traditionskomik auf seine Firma aufmerksam zu machen - nicht mit biederen Produktinformationen. Traudl und Walter Reiner, die Ludwig Thomas Satire "Ein Münchner im Himmel" als Zeichentrickfilm herausgebracht hatten, arbeiteten für das Unternehmen, und der Karikaturist Ernst Hürlimann schuf die Figur des verschnarchten Beamten Amandus Schlapp, der die Zeitungsannoncen der Firma illustrierte, garniert mit den Versen des SZ-Autors Helmut Seitz: "Wer derart müd' durchs Leben zieht, dem fehlt halt was . . . von Betten Rid."

Firmengeschichte: Foto: Betten-Rid

Foto: Betten-Rid

Als Günther Rid 1954 zum Mitgesellschafter von Betten-Rid avancierte, gab es noch keine Möbelriesen draußen in der Pampa, keine Outlet-Center und keinen Internet-Handel. Wer in München Bettzeug brauchte und nicht allzu knapp bei Kasse war, sah sich bei Betten-Rid um, dem, wie es in der Werbung hieß, "großen Fachgeschäft mit der bekannt reichhaltigen Auswahl". Das war genauso selbstverständlich wie man seinen Kaffee bei Dallmayr kaufte. Diesen Nimbus des führenden Bettenhauses der Stadt hat im Wesentlichen Günther Rid kreiert. Rid, Jahrgang 1929, war ein weitblickender und innovationsfreudiger Unternehmer - und clever war er natürlich auch. Auf seine künftige Chefrolle war er bestens vorbereitet, nicht zuletzt durch sein Betriebswirtschaftsstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität, das er mit einer Doktorarbeit zum Thema "Die betriebswirtschaftliche Problematik der Nachwuchsförderung im Einzelhandel" gekrönt hatte. Nebenher hatte er sich gemeinsam mit seiner Mutter um das anfangs noch kleine Geschäft an der Sonnenstraße gekümmert, in das er 1949 als unbezahlter Angestellter eingetreten war.

Die Firma hatte da schon einige turbulente Jahrzehnte hinter sich. Vor genau 100 Jahren, im Kriegsjahr 1916, eröffnete Rosa Zaininger eine Bettfedernreinigung in der Theresienstraße 112. Kriegsjahre sind weiß Gott keine gute Zeiten für Unternehmensgründungen, es sei denn, man produziert Rüstungsgüter. Für Rosa Zaininger hingegen geht es ums bloße Überleben. Sie ist Witwe, ihr Mann, ein Ofensetzer, war 1911 gestorben, irgendwie musste sie den Lebensunterhalt für sich und ihre drei minderjährigen Töchter verdienen. Eine Bettfedernreinigung zu gründen, ist keine schlechte Idee, neue Federn sind in diesen Zeiten Mangelware. 1918 erweitert sie das Geschäft um den Verkauf von Bettfedern, auch gebrauchte Betten bietet sie an. Ein Jahr später mietet sie ein kleines Ladengeschäft in der Theresienstraße 57, wo es auch Matratzen, Bett- und Leibwäsche zu kaufen gibt.

Firmengeschichte: Die einstige Filiale an der Sonnenstraße.

Die einstige Filiale an der Sonnenstraße.

(Foto: Betten-Rid)

Im Hyperinflationsjahr 1923 tritt Tochter Hedwig Maria in das Geschäft ein, sechs Jahre später übernimmt sie es. Da ist sie bereits verheiratet, ihr Mann Ludwig Rid mischt aber nicht im Bettengeschäft mit, er verdient sein Geld als selbständiger Handelsvertreter. Die Weltwirtschaftskrise nach dem Börsencrash von 1929 macht auch Hedwig Rid zu schaffen. Der Umsatz geht zurück, sie sieht sich gezwungen, nebenher Zeitungen zu verkaufen, um die Verluste halbwegs auszugleichen.

Mitte der Dreißigerjahre, in denen die deutsche Wirtschaft infolge der immensen Rüstungsausgaben des Nazi-Staates eine Scheinblüte entfaltet, kommen auch Rids Geschäfte wieder in Schwung. Sie übernimmt an der Augustenstraße größere Ladenräume, erweitert das Sortiment und erwirbt für 1642 Reichsmark einen Firmenwagen. "Bettenspezialgeschäft und -reinigung H. Rid" heißt der Laden, der so gut läuft, dass die Chefin erstmals eine Angestellte beschäftigen kann. Dem Hitler-Regime ist sie zu dieser Zeit offenbar gewogen: 1938 tritt sie in die NS-Frauenschaft ein. Im letzten Kriegsjahr widersetzt sie sich allerdings der Aufnahme ihres Sohnes Günther in die Hitler-Jugend, auch stellt sie die Zahlungen an die NS-Frauenschaft ein. Im Spruchkammerverfahren 1947 wird sie als unbelastet klassifiziert.

Firmengeschichte: Mit Rosa Zaininger (rechts), die 1916 eine Bettfedern-Reinigung gründete, begann die Geschichte von Betten-Rid. Ihre Tochter Hedwig (im weißen Mantel) führte das Unternehmen fort.

Mit Rosa Zaininger (rechts), die 1916 eine Bettfedern-Reinigung gründete, begann die Geschichte von Betten-Rid. Ihre Tochter Hedwig (im weißen Mantel) führte das Unternehmen fort.

(Foto: Betten-Rid)

Am 4. Januar 1945 zerstören Fliegerbomben das Geschäft an der Augustenstraße samt Warenlager total. Bereits vier Tage später eröffnet Hedwig Rid ein provisorisches Geschäft im unversehrten Textilhaus Wilhelm Krumbach, mit dem sie eine Ladengemeinschaft eingeht, die auch nach Kriegsende eine Zeit lang fortbesteht. Bis zur Währungsreform am 20. Juni 1948 laufen die Dinge allerdings mies. Als sie dann auch noch den Laden an der Augustenstraße räumen muss, trifft Hedwig Rid eine weitreichende Entscheidung. Sie zieht im Juni 1949 mit ihrem Geschäft ins Stadtzentrum, zunächst in die Sonnenstraße 9, drei Jahre später kann sich das Familienunternehmern das erste eigene Haus leisten, in der Neuhauser Straße 50 (heute 12), das auf drei Stockwerken zu einem repräsentativen Geschäft ausgebaut wird. Fortan firmiert der Betrieb unter dem Namen "Betten-Rid", eine Daunenkissen schüttelnde Frau Holle ziert das neue Logo. 1961 zieht sich Hedwig Rid aus der Geschäftsführung zurück, ihr Sohn wird Alleininhaber.

"Er war eine Persönlichkeit, ein sehr charismatischer Mensch", sagte Helga Rid, die Witwe des im April 1992 gestorbenen Günther Rid. "Die Firma war sein Lebensinhalt, er hat ständig neue Geschäftsideen gehabt und war seiner Zeit oft voraus." Tatsächlich hat er es geschafft, mit origineller Werbung und einem guten Sortiment den Münchnern das Gefühl zu vermitteln, dass ohne Betten-Rid schlaflose Nächte drohen. "Er hat kein Produkt verkauft, sondern eine Lösung", sagt Robert Waloßek, der seit 2012 die Geschäfte der Betten Rid GmbH führt. Ein Lösung für das Problem, wie man gut durch die Nacht kommt. Der eine liegt auf dem Rücken, die andere auf dem Bauch, die eine will's warm, der andere kühl, und ob man besser allein schläft oder zu zweit, ist seit Menschengedenken umstritten. Jedenfalls ist das Schlafzimmer ein weites Feld. Günther Rid hat es so gut beackert, dass es üppig florierte. An der Theatinerstraße etablierte er eine weitere Filiale, hinzu kamen ein Bettengeschäft im Einkaufscenter Neuperlach und ein Fachgeschäft für Kinder, "Betten Ridchen". 1988 wagte er sich gar mit einem Laden nach Frankfurt am Main. Quasi nebenher erwarb er diverse Immobilien in der Münchner Innenstadt.

Firmengeschichte: Helga Rid und Geschäftsführer Robert Waloßek.

Helga Rid und Geschäftsführer Robert Waloßek.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Warum er so erfolgreich war? Helga Rid muss nicht lange überlegen. "Weil er auf gute Beratung Wert gelegt hat, auf hervorragendes Personal und besten Service." Dafür hätten die Leute auch gerne etwas mehr bezahlt, mehr jedenfalls als bei den Billiganbietern. Helga Rid, die aus Schleswig-Holstein stammt, hatte den Firmenchef 1974 kennengelernt, die beiden wurden bald ein Paar, heirateten aber erst 1987. Sie ist eine aparte Dame, der gelegentlich ein leicht schelmisches Lächeln übers Gesicht fliegt, so wie man es aus Filmen kennt, in denen geistreiche Damen der englischen Aristokratie eine tragende Rolle spielen. "Mein Mann", sagt sie, "hatte ein Motto: Lebe leise!" Also kein Ballyhoo um die eigene Person, keine Performance als Salonlöwe mit Würdigung in der Klatschpresse. Mit Anneliese Friedmann, der Herausgeberin der Abendzeitung , habe er eine Abmachung gehabt, dass er nicht in der Gesellschaftskolumne von Michael Graeter erscheinen dürfe. "Einmal hat sich Graeter aber nicht daran gehalten", erzählt Helga Rid. Zur Buße habe die Abendzeitung zwei Seiten Betten-Rid-Werbung drucken müssen - natürlich kostenlos.

Gegen Ende der Achtzigerjahre hatte Günther Rid eine gemeinnützige Stiftung eingerichtet, um den Führungsnachwuchs im bayerischen Einzelhandel zu fördern. Nach dem Tod des Patriarchen ging Betten-Rid an die Stiftung über - aus dem Familienbetrieb wurde ein Unternehmen, in dem Manager das Sagen haben. Diese gefielen sich in den folgenden Jahren, die Expansion zu forcieren. 1994 gründete Betten-Rid Filialen in Berlin, Wiesbaden und Sulzbach. "Da wollte sich jeder mal beweisen", schimpft Helga Rid mit Blick auf die Wachstumsträume des damaligen Managements. Es folgte ein böses Erwachen. Die auswärtigen Filialen brachten wenig ein, weshalb eine nach der anderen dicht machen musste. Mittlerweile gibt es nur noch die Geschäfte an der Theatinerstraße und der Neuhauser Straße sowie die Filiale in Frankfurt. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen rund 200 Mitarbeiter.

Geschäftsführer Waloßek präsentiert die Verkaufsräume in der Neuhauser Straße. Bei den Daunen-Fächern macht er halt: Da gibt es Daunen von bayerischen Gänsen, von pommerschem, masurischem oder sibirischem Federvieh und noch einige mehr. Der Kunde kann wählen, unter welchen Federn er sich betten will, er kann damit Kissen jedweder Größe füllen, die im Maßatelier angefertigt werden. Keine Massenware, sondern individuell gestaltete Utensilien - damit will Waloßek den Billigläden und Internethändlern Paroli bieten: "Bei uns kriegen die Leute Produkte, die sie anderswo nicht bekommen, Unikate, die auf die Bedürfnisse zugeschnitten sind." Wer etwa genau prüfen will, welche Matratze er braucht, kann in einem Appartement in Dießen am Ammersee eine Nacht lang testen, ob er das richtige Exemplar gewählt hat. "Wir wollen nicht mitmachen bei den Preiskämpfen", sagt Waloßek. "Wir müssen die besten Produkte haben, aber nicht die billigsten."

Das unansehnlichste Knäuel im Federnkasten liegt im Fach Eiderdaune. Es ist schmutzig-braun, man möchte das eigentlich nicht im Bett haben. "Nehmen Sie mal eine Handvoll", sagt Waloßek. Seltsam: Die Daunen sind so flaumig, dass man sie kaum spürt. Nur die Wärme, die sich auf die Haut legt, ist zu spüren. Die Eiderente lebt an den Küsten Islands oder Grönlands, zur Brutzeit zupft sie ihre Brustdaunen aus, um daraus ein warmes Nest zu formen. Nachdem die Küken das Nest verlassen haben, lesen Sammler die Daunen auf - kontrolliert, wie es heißt.

Waloßek nimmt eine Eiderdaunen-Decke aus dem Regal, sie ist zwei Meter lang und 1,35 Meter breit. Federleicht ist sie und womöglich warm genug für Grönländer Nächte. Was sie kostet? Gut 4000 Euro. Dienstmann Hingerl würde beim Bezahlen sagen: "Wem das geschieht, der braucht ein Bett von Betten-Rid."

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